Kinder sind den Dieselpartikeln schutzlos ausgeliefert“, erklärte der Experte der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Dr. Dietrich Schwela auf der Pressekonferenz des Bündnisses „Kein Diesel ohne Filter“ im November. Die Lungenabwehr bei Kindern sei noch nicht voll entwickelt, die Dieselpartikel gelangten so schneller in den Blutkreislauf. Aber auch erwachsene Menschen werden krank durch Dieselruß. In ihrem Gesundheitsbericht 2002 machte die WHO Partikelemissionen in Ballungsräumen für rund fünf Prozent aller Krebserkrankungen der oberen Atemwege und der Lunge verantwortlich.
Für die deutsche Autoindustrie sind solche Fakten offensichtlich kein Grund zum Handeln. Mit Verweis auf die derzeit geltenden Grenzwerte mauern Daimler, BMW, VW & Co wie vor 15 Jahren bei der Einführung des Katalysators. „Zu teuer, technisch noch nicht ausgereift, ein Wettbewerbsnachteil für die deutsche Industrie“, so lauten die allzu bekannten Gegenargumente. Deutlich weniger Partikel
Pech für die Verhinderer – Peugeot und Citroen bieten seit fast zwei Jahren Autos mit hocheffizientem Rußfilter an. „Ein Peugeot mit Filter bläst nachweislich 99,9 Prozent weniger gesundheitsschädliche Partikel in die Atemluft als ein Mercedes oder Passat”, hält Gerd Lottsiepen, der VCD- Autoexperte dagegen. Auch das Preisargument will nicht verfangen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte schadstofforientierte Reform der Kfz-Steuer solle laut DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch zur Förderung des Filters genutzt werden: „Wir fordern einen Steuervorteil von 300 Euro für Neufahrzeuge und von 600 Euro für nachgerüstete Altfahrzeuge. Dieselfahrzeuge ohne Filter sollen entsprechend höher besteuert werden.“
Die Initiative für den Rußfilter richtete einen gleichlautenden Brief an alle Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobilindustrie, indem sie darum bat, die Fahrzeuge zu benennen, die zum 1.7.2003 mit Partikelfilter zur Verfügung stehen. Einzig Bernhard Mattes, Chef der Ford-Werke AG, kündigte in seinem Antwortschreiben dieselrußgefilterte Fahrzeuge noch für dieses Jahr an. Alle anderen Automobilhersteller verweigerten die Antwort. Als Koordinator ihres Verweigerungskartells schickten sie den Verband der Automobilindustrie (VDA) vor, der verlautbarte, dass die Forderung nach Partikelfilterung aller Neufahrzeuge „völlig unrealistisch“ sei. „Verrückte Logik, dass die Einführung einer erprobten Technik, die nachweislich Menschenleben schützt, unrealistisch sein soll“, kommentiert Lottsiepen das flache Abwehrniveau des Lobbyverbandes. Hände gebunden
Hinter den Kulissen rumpelt es seitdem gewaltig. Der deutsche Tabubrecher Ford wurde offenbar von seinen Blockadekollegen wieder eingenordet. Kurz nach der öffentlichen Belobigung von Ford durch die Partikelfilterinitiative ruderte Mattes auf die VDA-Linie zurück. Wenige Tage später indes kündigte Ford gemeinsam mit Peugeot dann doch wieder für dieses Jahr Fahrzeuge mit Filter an. „Es ist offensichtlich, Ford durfte nicht sagen, dass sie wollen und können“, erklärt Lottsiepen.
Als bekannt wurde, dass der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen in einem Memorandum einen neuen Schadstoffgrenzwert fordern werde, der Partikelfilter für alle Pkw zwingend vorschreiben würde, schaltete der VDA gar den Kanzler ein. Krebsschleudern
In einem Brief des VDA-Präsidenten Bernd Gottschalk, der der fairkehr-Redaktion vorliegt, bittet dieser den „sehr geehrten Herrn Bundeskanzler“, „das Memorandum in der jetzigen Form weder zum Gegenstand einer deutsch-französischen Zusammenarbeit zu machen, noch eine Initiative in Brüssel auf dieser Basis zu starten.“ „Spätestens 2005 müssen Daimler, VW, BMW & Co. sowieso nach Euro 4-Grenzwert stärker motorisierte Pkw mit Filter ausstatten“, macht Lottsiepen den Handlungsdruck deutlich. „Die Frage ist doch: Wollen die deutschen Hersteller wirklich bis zum letztmöglichen Tag Krebsschleudern anbieten?“
Die Frage stellt sich in der Tat, warum sich die deutschen Automobilhersteller so zieren. Die Geschichte der Schadstoffgrenzwerte ist unbestritten eine Erfolgsgeschichte. Automobiltechnik „made in Germany“ gilt weltweit nicht zuletzt deshalb als innovativ, weil sie sauber und energieeffizient ist.
Die Blockadefront bröckelt jedenfalls weiter. Fiat bietet nun ebenfalls Autos mit Filter an, Toyota hat den Filter definitiv angekündigt. Die Deutschen sind schlecht beraten, wenn sie sich der Innovation in Sachen Gesundheit hinhaltend in den Weg stellen. Die nächste VCD-Autoumweltliste Ende August wird hier die Quittung präsentieren. Michael Adler
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