Mehr Verkehr auf die Schiene
lautet der moderne Slogan bei allen Politikern. Auch im Bundesverkehrsministerium
unter Manfred Stolpe (SPD) geht man mit der Zeit, und da sich
Stolpe im Interview mit der Frankfurter Rundschau ausdrücklich
als „Lobbyist der Bauindustrie“ sieht, ist es nahe
liegend, dass in Berlin auch die Betonstelzen des Metrorapid dazu
gerechnet werden.
Bekanntlich sollen diese ja in Nordrhein-Westfalen altmodische
Eisenschienen ersetzen. Dafür will das Bundesverkehrsministerium
neuerdings bis zu 2000 Millionen Euro ausgeben.
Damit auch der unbedarfte Leser die größeren Zusammenhänge
in der Verkehrspolitik begreift, hier ein paar Schlagzeilen aus
den vergangenen Wochen: Erstmals soll es beim bundesweiten Vorzeigemodell
„Rheinland-Pfalz-Takt“ Kürzungen geben, weil
jährlich 10 bis 15 Millionen Euro in den Kassen fehlen. Das
bisherige Schienenangebot kann nicht aufrechterhalten werden.
Am Geldmangel scheitern auch Pläne, die vor dem expandierenden
Flughafen Frankfurt-Hahn vergammelnden Bahngleise zu reaktivieren.
20 Millionen Euro will niemand in eine Schnellbahn vom Hunsrück
ins Rhein-Main-Gebiet investieren.
Vielerorts liegen die Gleise schon nicht mehr, sie werden aus
„Rentabilitätsgründen“ herausgerissen, was
der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit Erschrecken
feststellt. Dabei hätten viele Unternehmen nach wie vor Interesse
am Güterverkehr per Bahn. Um Gewerbegebiete besser an die
nächst gelegene Schienenstrecke anzubinden, verlangt der
VDV ein entsprechendes Förderprogramm. Kosten: 80 Millionen
Euro.
Auch das schöne Rüdesheim am Rhein könnte ein
paar neue Gleise gebrauchen. Endlose Güterzüge donnern
mitten durch die Altstadt und verderben Bewohnern wie Touristen
die liebliche Aussicht auf den Rhein. Ein Tunnel unter den Weinbergen
könnte abhelfen, scheitert aber an den Kosten: 150 bis 200
Millionen Euro sind nirgends aufzutreiben.
An solche Luxusprojekte ist in Ostdeutschland gar nicht zu denken.
Bei jedem Fahrplanwechsel werden Bahnstrecken stillgelegt, zuletzt
wieder drei Linien in Thüringen. Der Grund: Miserable Gleise
lassen vielerorts keinen zeitgemäßen Bahnverkehr zu,
weshalb auch keiner in die Züge steigt.
Zeitgleich meldet das Statistische Bundesamt, dass der Gütertransport
auf der Schiene im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent zurückgegangen
sei. Der VDV rechnet sogar mit einem Minus von 2,5 Prozent. Auch
das Passagieraufkommen im Regionalverkehr schrumpfte um 0,6 Prozent,
allein DB Regio verbuchte ein Minus von 1,5 Prozent. In ICE und
Intercity sind sogar fünf Prozent weniger Reisende eingestiegen.
Doch trotz des permanenten Verlustes von Passagieren gibt es
einen Trost: Die verbliebenen Fahrgäste greifen aus Solidarität
mit ihrem Verkehrsunternehmen immer tiefer in die Tasche. Die
Einnahmen bei Bus und Bahn stiegen wieder deutlich: um zwei Prozent
auf 4,4 Milliarden Euro. Bei DB Regio gab es sogar ein Einnahmeplus
von 2,8 Prozent. Je weniger Menschen also im Öffentlichen
Verkehr reisen, desto höher sind die Einnahmen der Unternehmen.
Diese Zusammenhänge hat man im Bundesverkehrsministerium
längst erkannt. So dürfte wohl auch beim Metrorapid
die Rentabilität mit der Abnahme der Fahrgastzahlen steigen.
Die neuste Idee in den Ministerien scheint folgerichtig: Um die
Kosten zu drücken, sollen die Metrorapid-Züge nur noch
drei statt vier Wagen haben. Und da sage noch mal einer, die zwei
Milliarden Euro seien schlecht angelegtes Geld.
Michael Schwager
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