Täglich geht der Natur in Deutschland eine Fläche von 175 Fußballfeldern verloren. Der Bau von
neuen Verkehrswegen und Siedlungen kostet nicht nur Geld, sondern auch Landschaft. Komfortabel und großflächig lautet bisher
das Motto der Verkehrswegeplaner – auf Kosten der Natur. Ein enges Verkehrswegenetz für die kurzsichtige Bequemlichkeit des Menschen
bedeutet jedoch oft Endstation für Wildtiere. Stark befahrene Straßen, Bahntrassen und kanalisierte Fließgewässer
stellen für viele Tierarten unüberwindbare Hindernisse dar. Die Barrieren versperren Wildkatze, Rotwild, Luchs und Fischotter
ihre traditionellen Wanderrouten. Aus zusammenhängenden Lebensräumen werden isolierte Inseln, und die Tiere können weder
neue Lebensräume besiedeln, noch zwischen Sommer und Winterquartieren wechseln. Langfristig führt die Isolation zu Inzucht, rasanter
Artenschwund ist die Folge. Über ein Drittel der Säugetiere Deutschlands werden in der Roten Liste als „bestandsgefährdet“
eingestuft. Bei den Reptilien und Amphibien sind es weit über die Hälfte. Aber auch der Mensch zerstört sich durch die Landschaftszerschneidung
und damit einhergehende Versiegelung der Böden seinen Lebensraum. Ein Beispiel: Regenwasser kann auf asphaltierten Wegen nicht mehr
versickern, trockengelegte Sumpfgebiete und abgeholzte Wälder können das Wasser nicht mehr speichern. Überschwemmungen wie
im Sommer 2002 an Elbe und Donau sind die Folgen. „Unbebaute Landschaft ist eine begrenzte Ressource. Deshalb müssen unzerschnittene
Gebiete erhalten und Landschaften entschnitten werden. Wir brauchen ein ökologisches Verbundsystem und müssen weniger Flächen
in Anspruch nehmen“, fordert Arnd Winkelbrand, Leiter des Fachbereichs Naturschutz und Entwicklung des Bundesamtes für Naturschutz
(BfN).
Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verheißt
eine Senkung des Landschaftsverbrauchs bis 2020 von derzeit 130
Hektar auf 30 Hektar pro Tag. Wie das gehen soll, wird nicht erklärt.
„Letztlich sind alle planerischen Bemühungen um Schadensbegrenzung
Stückwerk, wenn ein übergreifendes Gesamtkonzept für
die Lebensraumkorridore fehlt“, kritisiert Winkelbrand den
Stand der Dinge. Dieses Konzept müsse Bundesländer übergreifend
und international vernetzt sein. Im Prinzip gibt es dieses Konzept
bereits. Das BfN hat eine Karte der unzerschnittenen, verkehrsarmen
Räume in Deutschland entwickelt (Grafik),
an der sich die derzeitige Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans
orientieren soll. „Ein überregionales Verbundsystem
von Biotopen sollte parallel zum Verkehrswegenetz existieren –
nur eben andersherum gestrickt. Außerdem muss die Barrierewirkung
von Verkehrswegen durch sinnvollen Einsatz von Querungshilfen
– wie Grünbrücken oder Wildtunnel – gemildert
werden“, fordert Winkelbrand, „Änderungen, die
der Bundesverkehrswegeplan vorsieht, dürfen sich dann nur
noch innerhalb des bestehenden Netzes abspielen.“ Die Erfahrungen
der Nachbarstaaten Schweiz, Österreich und Niederlande beweisen,
dass ein nationaler Biotopverbund keine Utopie ist.
Erste Schritte
Durch das 2002 novellierte Bundesnaturschutzgesetz wurde ein
solcher Biotopverbund auch in Deutschland gesetzlich verankert.
Die Bundesländer sollen geeignete Gebiete von mindestens
10 Prozent der Landesfläche ausweisen. Zunächst müssen
sie jedoch das Rahmengesetz in ihr Landesnaturschutzgesetz überführen.
Dazu haben sie drei Jahre Zeit. Eine Frist für die Ausweisung
der Gebiete gibt es nicht. Was die Umsetzung angeht ist also Skepsis
angesagt. Schon beim EU-Programm zur Biotopvernetzung „Natura
2000“ und der damit verbundenen Fauna Flora Habitat (FFH)
Richtlinie hinkt Deutschland weit hinterher. Bisher haben es die
Bundesländer nicht einmal geschafft, genügend Flächen
zu melden. Das Ausweisungsverfahren kann aber erst beginnen, wenn
alle EU-Länder einer biogeographischen Region ihre Gebiete
gemeldet haben. So blockiert Deutschland das europaweite Biotopnetzwerk
für die gesamte atlantische Region. Die Frist für die
Meldung ist bereits 1995 ausgelaufen. Die EU-Kommission klagte
und der EU Gerichtshof verurteilte die Bundesrepublik bereits.
Würde die EU Kommission erneut klagen und ein Bußgeldverfahren
erheben, müsste Deutschland mit einer Strafe von einer Million
Euro pro überschrittenen Tag rechnen!
Valeska Zepp
Informationen:
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesrepublik: www.bundesregierung.de
FFH-Richtlinie/Natura 2000:
www.bfn.de
|