fairkehr: Verkehr kommt auf, quasi naturgesetzlich. Die Bundesregierung baut dem Stau voraus oder hinterher.
Umwelt und Kosten spielten bei der bisherigen Bundesverkehrswegeplanung keine adäquate Rolle. Was muss sich ändern?
Friedrich: Die Reihenfolge der Vorgehensweise muss sich ändern. Man muss zuerst die Ziele aus Umweltsicht
und aus verkehrlicher Sicht festlegen und dann die Verkehrswege entsprechend planen.
fairkehr: Plant also auch Rot-grün ohne Ziel drauflos?
Friedrich: Nein, die Bundesregierung hat das alte System weiter optimiert. Verkehrsprojekte werden angemeldet
und dann wird eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Auf der Kostenseite werden nun wesentlich differenzierter als etwa 1992 unter
Verkehrsminister Krause die Umwelteffekte eingerechnet. Das ganze Verfahren ist dadurch allerdings noch komplizierter geworden.
fairkehr: An welcher Zielvorgabe würden Sie den BVWP orientieren?
Friedrich: An allen von der Bundesregierung und der EU festgelegten Umweltzielen: Der CO2-Einsparverpflichtung,
der Partikel-Richtlinie, der Ozon-Richtlinie, den Lärmgrenzwerten, der angestrebten Reduktion des Flächenverbrauchs. Nach dem
derzeitigen Stand der Planung wird weiterhin jedes einzelne Straßenbauvorhaben isoliert nach seinen Umweltwirkungen abgeklopft, anstatt
in einem integrierten Gesamtplan von vornherein zu überpüfen, ob nicht im Sinne des CO2-Ziels
alternativ besser der Schienenweg ausgebaut würde.
fairkehr: Straßenbau wird immer noch mit Wohlstandssteigerung gleichgesetzt. Schadet weniger
Straßenbau dem Wirtschaftsstandort Deutschland?
Friedrich: Das Gegenteil ist der Fall. Bei einer Vielzahl von politischen Entscheidungen entsteht Verkehr quasi
als Abfallprodukt. Beispiele: Die Pendler-Pauschale erzeugt Verkehr, die Eigenheimförderung oder die Verpackungsverordnung sind verkehrsrelevant.
Dies wird allerdings bei diesen politischen Weichenstellungen nicht diskutiert. Was wir brauchen ist eine Verkehrsauswirkungsprüfung
für alle Gesetze. Volkswirtschaflicher Schaden in Milliardenhöhe entsteht dadurch, dass die verkehrlichen Auswirkungen in Ermangelung
einer integrierten Planung zu spät erkannt werden.
fairkehr: Wie etwa beim Metrorapid oder bei überdimensionierten Autobahnprojekten in Ostdeutschland?
Friedrich: Der Metrorapid ist bisher in keinem Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Würde man ihn einer dort
üblichen Kosten-Nutzen-Analyse unterziehen, würde er nach der jetzigen Methodik wegen eines schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses
nicht gebaut werden Die Autobahnen mit dem Stempel Aufbau Ost werden nicht erneut überprüft. Dies wäre aber aufgrund der
sehr hoch angesetzten Verkehrsprognosen notwendig. Denn, so hat auch Verkehrsminister Stolpe gesagt, Autobahnen zum Sonnen müssen wir
nicht bauen.
fairkehr: Welche Schlüsse für die Verkehrswegeplanung müssen aus den Überschwemmungen
des letzten Jahres gezogen werden?
Friedrich: Man muss den Flüssen wieder ihren Raum geben. Bisher wurde nur beschlossen, die Wasserwege hochwasserneutral
weiter auszubauen. Das heißt, man nimmt Katastrophen wie an der Elbe weiterhin in Kauf. Das Gebot der Stunde ist ein Ausbau, der Hochwasserpegel
dämpft.In manchen Fällen wäre eine Verlagerung des Schiffgüterverkehrs auf die Schiene sinnvoll.
fairkehr: Würde eine konsequente Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU nicht deutlich
stärkere Umweltorientierung bei der Verkehrswegeplanung mit sich bringen?
Friedrich: Im Rahmen einer Umweltgesamtbetrachtung spielt die Ausweisung von Schutzräumen sicher eine Rolle.
Die Projekte des Bundesverkehrswegeplanes sind in ihrer Linienführung allerdings nicht festgelegt, so dass die FFH-Kriterien erst bei
der Ausführung der Projekte greifen.
fairkehr: Fazit also: Unter Rot-grün wird genauso weiterbetoniert wie unter Schwarz-gelb –
nur ökologischer?
Friedrich: Nein, es wird nicht weiter betoniert wie bisher. Ein gravierender Strukturmangel bleibt allerdings
die Fixierung auf Neubauten. Die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur wären oft um den Faktor 15 bis 20 effektiver für die
Instandhaltung bereits bestehender Verkehrswege eingesetzt. Der Neubau ist oft die volkswirtschaftlich falsche Entscheidung. Man müsste
diese beiden Etats als Ganzes betrachten. Eine stärkere Orientierung an Umweltzielen ist absolut notwendig.
Interview: Michael Adler
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