Kaum ist die Schwelle zum DB-Reich
überschritten, schlägt das abwartende Misstrauen in
strahlende Begeisterung um. In der DB-Erlebniswelt ist es laut
und lustig. Und es gibt jede Menge Bahntechnik zum Anfassen. Überall
kann man kurbeln, drehen, draufklettern, Knöpfchen drücken,
Signale umlegen, Bähnchen fahren lassen oder Schranken schließen.
Aus einem nachgebauten Bahntunnel wummert es ohrenbetäubend.
Ein Mann bearbeitet die Wand mit einem Presslufthammer. Alles
gestellt: Der Mann ist ein Besucher, der Presslufthammer eine
Attrappe – nur der Lärm ist echt. „Geil“,
kommentiert Jurek und stellt sich in die Schlange derer, die auch
mal Wummern wollen.
Am Ende des Tunnels führt eine Treppe auf einen Bahndamm
– Schienen, Schwellen, Schotter. Da hat man den Kindern
jahrelang antrainiert, dass Bahngleise absolut verboten und lebensgefährlich
sind. Nun muss man zuschauen, wie sie – nach kurzem Zögern
– auf den Bahndamm stürmen und begeistert von Schwelle
zu Schwelle hopsen.
Ungetrübte Bahnfreuden
Zur vollen Stunde ist Show-down bei der Modellbahn-Anlage. Schon
eine Viertelstunde vorher sind alle Plätze auf den Zuschauerbänken
belegt. Dicht an dicht drängen sich kleine und große
Bahnfans. Unter den bewundernden Blicken der Kinder schlendert
der DB-Mitarbeiter an seinen heiß geneideten Arbeitsplatz
am Schaltpult. Er aktiviert die Anlage, nimmt mehrere Züge
ans Netz und setzt alles in Bewegung. Ein Monitor gibt in groß
wider, was es auf der Modellbahn in klein zu sehen gibt. Ein Kommentator
erklärt, wie Personen- und Güterverkehr auf der Bahn
funktionieren. Nach fünf Minuten Bähnchen gucken haben
Milena und Jurek genug. Sie wollen lieber selber Signale setzen
und Schranken bedienen. Den Großen fällt es schwer,
sich loszureißen. Fasziniert von der Komplexität und
der einfachen Logik des Bahnsystems könnten sie ewig dem
Kommen und Gehen der Züge zuschauen – ohne sich über
Verspätungen oder Tarifsysteme ärgern zu müssen.
Die angekündigten Highlights sind eine Enttäuschung.
Die größte Holzeisenbahn Deutschlands ist auch nicht
spektakulärer als die zu Hause. Der Lokführerstand bietet
zu wenig Aktionsmöglichkeiten. Und die zugegebenermaßen
große Modelleisenbahn fällt unter „langweilige
Sachen zum Gucken“. Überrascht registrieren die Eltern,
wofür sich die Kinder tatsächlich interessieren: In
einem riesigen Schaukasten ist der Weg des Bahnstroms vom Kraftwerk
bis zur Oberleitung nachgestellt. Auf Knopfdruck werden die einzelnen
Stationen beleuchtet. Milena studiert Anlage und Beschriftung,
prägt sich Worte wie „Umspannwerk“ und „Speiseleitung“
ein und lässt sich deren Funktion erklären.
In einem anderen Raum ist unter der Decke eine durchsichtige
Rohrpostanlage installiert. Drei Jungen haben die Endpunkte besetzt
und schicken sich Botschaften. Sie stecken ihre Nachrichten in
eine Plastikhülse, die sie dann vorsichtig in die senkrechte
Rohröffnung halten. Flupp, wird das Gefäß angesaugt
und nach oben katapultiert. Aufgeregt verfolgen die Kinder den
Weg der Botschaft durch die Röhren an der Decke, bis sie
schließlich beim Adressaten auf den Tisch fällt.
„Was war das Beste?“, wollen wir auf der Heimfahrt
vom zufriedenen Nachwuchs wissen. „Das, wo man sich Briefe
schicken konnte“, sagt Milena. „Der Presslufthammer“,
sagt Jurek. „So einen wünsche ich mir zum Geburtstag.“
Regine Gwinner
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