Gleich vorne links in der riesigen
Eingangshalle der Autostadt entdecken Eltern das gelobte Land:
„KinderWelt“ heißt es, ist für Kinder zwischen
sechs und elf Jahren auf 600 qm errichtet worden und fasst 80
Kleine gleichzeitig. Dort gebe ich Yannick (10) ab und bekomme
dafür ein Summgerät. Das Gerät summt, wenn das
Kind keine Lust mehr hat, und man bekommt sein Kind nur wieder,
wenn man das Gerät nicht verloren hat. Das erklärt die
Tante an der KinderWeltpforte, die natürlich keine Tante
ist, sondern eine von knapp 800 hochselektierten „Gästebetreuern“
(„außerordentliche Servicementaltät“, ausgestattet
mit der Fähigkeit, „von Innen zu lächeln“
und nicht zuletzt nach dem amerikanischen „Talent-plus-System“
ausgebildet). Papa geht Kaffee trinken.
Neunzig Minuten KinderWelt sind vorgesehen, nach 12 Minuten summt
das Summgerät. Yannick hat keine Lust mehr. Es gab einen
15 Meter hohen, begehbaren Motorblock mit Rutsche, doch beim Rutschen
war ein „Babyhelm“ Vorschrift. Es gab bei den Tretautos
Überholverbot, Computerspiele zum Erlernen der Verkehrsschilder
(„öde“) und eine Kuschelecke für Mädchen.
Kurz: „Nur was für Kleinkinder!“
Ein Mezzomix zum Trost, dann geht es in die „KonzernWelt“.
Man darf an Computern sein Wunschauto entwerfen, zum Beispiel
einen Bugatti in Knallrot mit Surfbrett, Lufthutze und Ralleystreifen.
Oder einen Gelände-Audi-TT mit Kuhfängern. Der Entwurf
wird auf teurem Fotopapier ausgedruckt und wirkt absolut präsentabel.
Yannick ist nur von einer Talent-plus-Tante zu vertreiben („Zwei
Ausdrucke pro Person!“). Das 360-Grad-Kino, in dem ein Film
über ein Mädchen und seine Ängste laufen soll und
gar kein VW vorkommt, ist leider gerade kaputt. Dafür stehen
vor dem Kino Computer, mit denen man „Ich-bin-Piech“
spielen kann. Konzernchef Yannick lernt schnell, dass man immerfort
in Teamarbeit, Fortbildung, Maschinenpark und Marketing investieren
muss, dann stimmt der Umsatz: „Meine Kapitalvertreter lieben
mich!“, frohlockt er. Sein Vater dagegen, der fleißig
Angestellte entlässt, wird nach einer Minute vom Aufsichtsrat
rausgeschmissen.
Nachdem wir die höllische Fahrt im Weihnachtsmann-Schlitten-Simulator
überstanden und anhand eines längs durchgesägten
VW-New Beetle gelernt haben, dass der Benzintank praktisch Teil
der Rücksitze ist („sehr sicher!“), stellen wir
fest, dass die Autostadt Zeit frisst. Schon ist Mittag. Wir essen
gut und preiswert im Mövenpick-Restaurant, wo man auch Pommes
rotweiss auf Lager hat.
Wie eine Mini-Expo bietet die Autostadt einige im Freigelände
verstreute architektonisch wertvolle Pavillons, in denen sich
die Marken des Konzerns von Audi über Bugatti, Bentley und
Lamborghini bis Seat, Skoda und Volkswagen inszenieren. Bei Yannick
kann nur Audi punkten (toll: Man sieht in groß die Werbespots,
die man aus dem Fernsehn kennt). Bei VW sieht man einen Film mit
zwei Mädchen, eins davon wird Musikerin, eins Eiskunstläuferin,
das Thema lautet „Evolution“. Klarer Fall: „Öde.“
Aber man ruht die Beine aus. Ein Lamborghini macht in einem Käfig
viel Krach und Kunstnebel, was zur Bewertung „nicht schlecht,
aber auch nicht rasend gut“ führt. Immerhin kann man
im abseits gelegenen Pavillon „VW-Nutzfahrzeuge“ in
einer Art Fluggerät mit Pedalkraft unterm Hallendach kreisen.
Das kommt an.
Nach sieben Stunden Autostadt ist der Junge müde, und vielleicht
ist es gut, dass die geplante Werksbesichtigung wegen der Werksferien
ausfällt. Und dass die Schneemaschine nur unter minus 4 Grad
funktioniert, das versprochene Snowboarding also ebenfalls gestrichen
ist. Unterm Strich bekommt die Autostadt von Yannick eine 2. „Empfehlenswert!“
Eine halbe Bahn-Stunde westlich besuchen wir eine Woche später
unser nächstes Ausflugsziel: das „Regenwaldhaus“
in Hannover. Es repräsentiert den Versuch, eine mäßig
aufregende Institution wie ein Gewächshaus mittels einer
durchgängigen Inszenierung für den schnellen Erlebnistourismus
interessant zu machen. Eher unspektakulär (Yannick: „O,
so klein?“) duckt sich eine Glaskuppel in die Herrenhäuser
Gärten.
Mitten im Regenwald
Jeder Besucher nimmt an einer „Exkursion in den brasilianischen
Bergregenwald“ teil und folgt den Spuren des kauzigen Professors
Franck. Der Mann soll ein Gerät erfunden haben, das elektronische
Signale der Pflanzen in Sprache übersetzt. Solch einen „bionischen
Decoder“, hängt man uns um den Hals, und los geht’s
mit einem simulierten Flug mit „Rainforest Airlines“.
Die bionischen Decoder entpuppen sich als Instrumente, mit denen
die Info zum Tainment kommt, mit denen wir uns also Informationen
(Yannick: „Gelaber“) über das mimosenhafte Wesen
der Mimosen besorgen können.
Nett gemacht, doch mit Macht zieht es das Kind aus dem Zelt der
Didaktik in den zirpenden und plätschernden Regenwald. „Cool!“
Ein Pfad führt vom Wurzelbereich aufwärts bis in die
Baumkronen, vorbei an Würgfeigen, Tankbromelien und einem
Terrarium voller Pfeilgiftfrösche. Dazwischen versorgen wieder
„Multimediastationen“ unsere „Decoder“
mit insgesamt sechs Stunden Fachwissen. Yannick nimmt davon maximal
drei Minuten mit. Beim Lied der Ameisen steigt er vollends aus.
Blumen, die sprechen, Ameisen, die singen? „Doofe ausgedachte
Sachen. Kinderkram!“
In einer Stunde sind wir durch, und Yannick brummt zunächst:
„4.“ Doch dann zensiert er wohlwollender: Die Pflanzen
„sehen gut aus, waren bestimmt teuer und sind vielleicht
sogar selten“. Gutes Angebot im Shop (Handschmeichelsteine,
handbetriebene Taschenlampen, Frösche, die unter Druck die
Zunge rausstrecken und Orchideenparfums). Sieht er vom „langweiligen
Gelaber“ ab: 3 minus. „Für Pflanzenfreunde zu
empfehlen, sonst nicht.“
Das ganze Universum
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