Anschluss an ganz Europa
Logistische Unterstützung erhalten Bad Hofgastein und Werfenweng durch die im Herbst 2001 eröffnete „Mobilitätszentrale“
in Bischofshofen. Ebenfalls mit Landes- und EU-Mitteln gefördert, gibt sie nicht nur Tarif-Informationen für Bahn, Bus und Sammeltaxi
und europaweite Auskünfte über die jeweils schnellste Verbindung, sondern versteht sich auch als Drehscheibe zur Koordination
und Entwicklung von Dienstleistungen im Sanftmobil-Bereich. Unter anderem wurde ein elektronisches Fahrplan-Informations-System entwickelt,
das im Internet abrufbar ist und auch im Ausland bereits Interesse entfacht hat.
Den Beweis, dass sanftmobile Tourismuskonzepte funktionieren können, hat Werfenweng längst erbracht. Die Angebote der Autofreiheit
werden dankbar angenommen. Bereits ein Viertel der Gäste reist mit der Bahn an, vor zwei Jahren waren es noch weniger als zehn Prozent,
375 Tonnen Emissionen sind der Umwelt dadurch in zwölf Monaten erspart geblieben. Der Anteil der Samo-Gäste ist inzwischen auf
ein Fünftel geklettert, die Häuser, die sich der Angebotsgruppe angeschlossen haben, können sich vor Gästen kaum noch
retten. Insgesamt sind die Übernachtungszahlen in Werfenweng seit 1998 um sagenhafte 25 Prozent gestiegen – in ganz Österreich
gibt es keine einzige Gemeinde, die da auch nur annähernd mithalten könnte.
In erster Linie verdankt sich der Erfolg Peter Brandauer. Der gerade einmal zweiundvierzigjährige Bürgermeister und Tourismusobmann
verrät die Strategie: „Wir argumentieren nicht mit der Nötigkeit von Umwelt- und Klimaschutz, sondern mit den handfesten
Vorteilen, die der Einzelne hat, wenn er sich umweltgerecht verhält.“ Natürlich seien die Normalgäste, die nach wie
vor mit dem Auto kommen, benachteiligt, weil für sie die Gratisangebote nicht gelten. Doch genau das könne sie dazu motivieren,
ihr Fahrzeug im nächsten Urlaub ebenfalls in der Garage zu lassen. Brandauer hält solch sanften Druck für heilsam, auch und
gerade, wenn er auf die Hotel- und Pensionswirte zurückschlägt. Über das Samo-Angebot werden sie immer häufiger mit
Gästen konfrontiert, die ihre Finger in die ökologischen Wunden der Betriebsführung legen oder die autogerechte Asphaltierung
von Hof und Grundstück bemäkeln. „Das rüttelt den einen oder anderen Vermieter wach – mehr als Stimmen aus dem
Ort es jemals könnten”, sagt Brandauer mit hintergründigem Grinsen.
Dieses Wachwerden ist auch nötig. Denn Werfenweng ist noch lange kein Ökotopia. Der mit einer neuen Kabinenbahn erschlossene
Bischling ist sogar ein ökologisches Notstandsgebiet. Für eine weitere Skipiste wurde vor wenigen Jahren eine ganze Flanke des
Hausbergs weggefräst, und unlängst planierte man auch noch eine kleine Gegensteigung aus dem Gelände. Im Sommer wandert man
nun auf der trostlos breiten Skipiste, vorbei an Kanaldeckeln für die Beschneiungsanlage, mit Blick auf den künstlichen Speichersee,
nicht einmal die großen Fangnetze sind abgebaut. Auch die Sperrung der wanderfeindlich breiten Alm- und Forstwege für den motorisierten
Verkehr ist noch nicht wirklich gelungen. Immer wieder trifft man auf Einheimische, die auf ein Schnapserl zu einer der fünf bewirtschafteten
Almhütten ins Hochgebirge hinauffahren. Dem sanftmobilen Gast der Zukunft wird man hier einiges erklären müssen.
Viel Verkehr im Dorf
Das muss man auch im Ort selbst. Mit dem Auto anreisende Gäste haben ebenso freie Fahrt wie die Einheimischen, von innerörtlichen
Fußgängerzonen fehlt noch jede Spur. Immerhin soll demnächst eine kleine Ortsumgehung gebaut werden, damit die Bewohner
und Gäste der Wengerau auf dem Weg zum Skilift nicht alle über den Dorfplatz fahren.
Im Sommer ist hier im Herzen des Dorfes einiges los. Die Elektrofahrräder werden schon an Zehnjährige verliehen, was nicht gerade
die Verkehrssicherheit erhöht. Ärger droht auch, wenn die über sechzehn Jährigen mit Bigas oder Elektro-Roller unterwegs
sind: Die Bigas stoppen abrupt, wenn man vom Gas geht und mit den lautlosen „Scootern“ kann man sich nichtsahnenden Spaziergängern
mit vierzig Stundenkilometern nähern.
Den zumeist älteren Stammgästen können die umweltfreundlichen Freizeitvehikel deshalb gestohlen bleiben. Viele von ihnen
halten die sanfte Mobilität für einen Einbruch der modernen Sport- und Spaßgesellschaft in das ländliche Idyll der
Berge – womit sie auch nicht ganz unrecht haben. Schließlich ermuntert das Werfenwenger Modell weniger zum Mobilitätsverzicht
im Urlaub als zur totalen Mobilität – auch und gerade in den Ferien. Vor allem der kostenlose Chauffierdienst scheint wie geschaffen,
die städtischen Mobilitätserwartungen in den Urlaub zu verlängern.
Im Moment kann von einem Übermaß alternativer Verkehrsbewegungen freilich noch keine Rede sein. Nur am Wochenende herrscht
großer Andrang auf die Gratisfahrzeuge. „Samstags reisen die neuen Gäste an und wollen dann gleich alles ausprobieren“,
sagt Christina Juric vom Verkehrsbüro, „montags schon ist der Reiz verflogen.” Dann stehen die Dorf-Räder ebenso herum
wie die Bigas – und die neuen Gäste machen das, was auch die alten gemacht haben – sie wandern oder gehen spazieren. Kümmert
man sich in Zukunft um diese Formen der sanften Mobilität mit dem gleichen Ehrgeiz wie um den e-mobilen Fuhrpark, so könnte Werfenweng
wirklich jenes „Wundermittel“ gegen den Alltagsstress werden, als das es sich im Prospekt empfiehlt.
Gerhard Fitzthum
Info: Tourismusverband Werfenweng, Weng 58, A-5453 Werfenweng, 0043/ 6466-4200, Fax -58172;
E-Mail: tourismusverband@werfenweng.org, www.werfenweng.org;
Mobilitätszentrale „Mobilito“ 0043/6462/33030,
www.mobilito.at (gibt Infos über Bahnanreise).
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