Wintersportgroßveranstaltungen
wie Ski-Weltmeisterschaften gelten zurecht als Katastrophen für
die Natur. Um eine Handvoll Slaloms, Riesenslaloms, Super-Gs und
Abfahrten durchführen zu können, werden Schneisen in
Bergwälder geschlagen, Unebenheiten aus dem Gelände
planiert, Talauen mit Bauten für Publikum und Presse verschandelt
– mit Infrastruktur, die nach den Wettkämpfen ungenutzt
herumsteht.
Auch die diesjährigen Weltmeisterschaften sind nun schon
Vergangenheit. Sie fanden zum vierten Mal dort statt, wo das winterliche
Event-Marketing vor mehr als 130 Jahren erfunden wurde –
in St. Moritz im Oberengadin. Unzählige Großanlässe
hat das vormalige Bauerndorf inzwischen erlebt, von Golfturnieren
und Hundeschlittenrennen auf dem zugefrorenen See bis hin zu Zweier-
und Viererbob-WMs. Sogar zwei Winter-Olympiaden durfte man durchführen
– 1928 und 1948. Der Landschaft sieht man diese Erfolgsgeschichte
natürlich an: Die Berge sind mit Liften verkabelt, die Talauen
von Straßen zerschnitten, hässliche Trabantenstädte
umringen inzwischen den alten Ortskern – der Bauwahn ist
ungebremst.
Natürlich war auch für die diesjährige Veranstaltung
mit dem Schlimmsten zu rechnen. Schließlich war schon im
Vorfeld nahezu eine Milliarde Schweizer Franken investiert worden,
ein gutes Drittel davon in Infrastruktur am Berg – in Aufstiegshilfen,
Beschneiungsanlagen und Bergrestaurants. Für die Herrenabfahrt
wurde sogar ein neuer Starthang ins Hochgebirge gefräst und
Zielauslauf und Tribünen kamen in einem geschützten
Moorgebiet zu liegen. Trotzdem dürfte die WM in St. Moritz
als die umweltfreundlichste in die Geschichte alpinsportlicher
Großevents eingehen. Weil sich der Tummelplatz exklusiver
Gäste alles leisten kann, nur kein Negativ-Image als Ort
der Naturzerstörung, ließ man sich schon frühzeitig
auf die Forderungen der Umweltverbände nach ökologischer
Baubegleitung ein und akzeptierte mit dem Züricher Biologen
Dr. Hans-Ueli Müller einen Umweltvertreter, der nicht in
Verdacht stand, faule Kompromisse zu schließen.
Kuhhandel für ein Öko-Modell
Statt etwa eine Straße zu bauen, um das Material zur Verfüllung
des „Großen Lochs“ mit Lastwagen hinauf zu schaffen,
wurde es nun durch vorsichtige Erd-Verschiebungen vor Ort geschlossen.
Und das Moor wurde im Zielbereich belassen und mit einem Holzzaun
geschützt – gleichsam als sichtbares Symbol für
das friedliche Nebeneinander von Sport und Natur.
Andererseits haben die Naturschützer hier nur einen Teilsieg
errungen – gegen jene Gemeindevertreter und Sportfunktionäre,
die das kantonal geschützte Feuchtgebiet einfach zugeschüttet
hätten. Immerhin musste das Moor für Leitungen zerschnitten
und der Bach verlegt werden. Geschluckt hatten Pro Natura und
WWF-Schweiz diese Kröte nur, weil sie ein ganzes Paket mit
Ausgleichsmaßnahmen aushandeln konnten: So etwa wurde für
das sensibelste Gebiet in der Talsohle ein Konzept zur Entflechtung
von touristischer Nutzung und Moorschutz erarbeitet und die gesamte
gegenüberliegende Talseite für dreißig Jahre unter
Naturschutz gestellt. Außerdem setzte man durch, dass der
Engadiner Ski-Marathon, bei dem jedes Jahr bis zu 10000 Langläufer
über die Hochebene spurten, aus den empfindlichen Moorbereichen
herausgelegt wurde.
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