Zwei Monate nach der Einführung
des neuen Preissystems der Bahn bereiten die Tarife vielen Kunden
noch Mühe. Auch die Ticketverkäufer haben zu kämpfen,
und nicht selten kamen in den letzten Wochen für ein und
dieselbe Fahrt erhebliche Preisunterschiede zustande. In der Bilanz
der bisher größten Tarifreform der Deutschen Bahn stehen
neben den Anlaufschwierigkeiten bei der Umstellung auf die neuen
Preise vor allem verunsicherte Bahnkunden und lange Schlangen
an den Ticketschaltern. Auch die Online-Buchung lässt Wünsche
offen. Viele Mitglieder beschweren sich, dass die Preise im Internet
oft höher liegen als am Schalter oder im Reisebüro.
Der virtuelle Schalter kann verschiedene Tickets wie Plan&Spar
und Schönes-Wochenende nicht miteinander kombinieren und
so nicht den günstigsten Preis herausfinden. Trotz noch bestehender
Gültigkeit der alten BahnCard können an vielen Automaten
keine Tickets mit 50 Prozent Rabatt gelöst werden.
Am häufigsten kritisieren VCD-Mitglieder die starren Buchungsregeln
für Rabatte. Es ärgert die Bahnkunden, dass für
einen fest gebuchten Zug der Sitzplatz noch hinzugebucht und -bezahlt
werden muss. Die obligate Wochenendbindung für den Zugang
zu den „Plan&Spar40“-Tarifen schafft zusätzlich
Komplikationen.
Die Unklarheit über Ermittlung, Größe und Zusammensetzung
der Kontingente mindert die Glaubwürdigkeit der Deutschen
Bahn AG. Viele alleinreisende Stammkunden der Bahn, die flexibel
und kurzfristig reisen müssen, fühlen sich verprellt,
weil die neuen Preise für sie teurer sind. Die Entfernungsdegression
– sinkender Preis je Kilometer – tritt erst bei Strecken
ab 180 km ein.
Fallen für Familien
Deutliche Kritik üben auch die Pendler, die bisher im IR
fuhren. Dessen „Aufwertung“ zum IC führte auf
kürzeren Strecken, aber auch bei Zeitkarten, zu einem erheblichen
Preisaufschlag. Mehr Komfort gibt es dafür nicht, die Reisezeit
ist gleich geblieben. Die Kurzform der Beschwerden lautet „neuer
Lack gleich höherer Preis, das ist Betrug“.
Trotz der vielgerühmten Familienfreundlichkeit der neuen
Tarife sind viele Eltern verärgert: Die Bahn trägt nur
fünf Personen auf eine Familienkarte ein – reisen beide
Eltern oder Großeltern mit mehr als drei Kindern oder Enkeln,
muss das vierte Kind den vollen Preis bezahlen. Besitzer einer
alten Familien-BahnCard stellen fest, dass ihnen diese nichts
mehr nützt, da Kinder nur dann kostenlos mitfahren, wenn
keine oder die neue BahnCard genutzt wird. Ein weiterer Rückschlag
für Familien: Die beliebten Kinderabteile werden Stück
für Stück wieder aus den Zügen genommen. Im ICE3
sind sie seit Mitte Dezember verschwunden, nun folgen ICE2 und
ICET. Nach Aussagen der Deutschen Bahn AG hatten sich Geschäftsreisende
über die explizite Auszeichnung der Abteile für Kinder
beklagt. Bleibt abzuwarten, was die Geschäftsreisenden sagen,
wenn der Vater ihnen gegenüber am Tisch versucht, seinem
Kind das Malzeug so zu drapieren, dass es keine Berührung
mit den Geschäftsunterlagen hat.
Bisher weist die Bahn alle Forderungen nach frühen Nachbesserungen
zurück. Bahnchef Mehdorn möchte erst nach einem Jahr
Bilanz ziehen und dann reagieren. Der VCD fordert eine deutlich
frühere Überprüfung und wird schon jetzt aktiv:
In diesem Frühjahr wird der VCD in seinem Bahnkunden-Barometer
das neue Preissystem, die Erfahrungen und die Kritik der Bahnkunden
unter die Lupe nehmen. Noch im ersten Halbjahr wird eine bundesweite
Untersuchung durchgeführt und veröffentlicht. Die Vielzahl
der Beschwerden und Anregungen, die beim VCD eingehen, können
wir allerdings schon jetzt nicht alle einzeln beantworten. Dafür
bitten wir um Verständnis. Alle Briefe werden ausgewertet
und den zuständigen Stellen bei der Deutschen Bahn mit den
entsprechenden Forderungen vorgelegt. Die Argumente der VCD-Mitglieder
bilden zusammen mit den Beschlüssen der Bundesdelegiertenversammlung
die Grundlage für den weiteren Dialog der VCD-Bahnexperten
mit der Deutschen Bahn.
Beschwerden und Anregungen im Zusammenhang
mit dem neuen Preissystem der Bahn?
Schreiben Sie uns:
verkehrsberatung@vcd.org
|