Neues Preissystem

Blühende Bahnlandschaften

Hitzige Diskussionen auf der Bundesdelegierten-Versammlung des VCD: Die Projektleiterin für das neue Preissystem bei der Deutschen Bahn, Anna Brunotte, pries noch einmal die Vorteile der neuen Tarife an – der VCD hielt dagegen.


Foto: Volker Lannert
Die Bahn unter Spannung: Ab 15. Dezember gilt das neue Preissystem.

 

Die „Blühenden Landschaften“, die Helmut Kohl einst den Ostdeutschen versprach, drängen ins Gedächtnis angesichts der Verheißungen des neuen Preissystems. (Fast) allen soll es besser gehen, nur wenigen schlechter. Viele Familien und viele Gelegenheits-Bahnfernfahrer sind sicher nach wie vor von den positiven Neuerungen der Bahn überzeugt.

Was sich allerdings für die DB AG als Bumerang erweisen kann, ist die systematische Vertreibung der Pendler – Stammkunden, die nicht selten in Abgrenzung zum Wahnsinn auf den Straßen das Hohelied auf die Eisenbahn singen.

Der fairkehr liegen zahlreiche Briefe empörter VCD-Mitglieder vor, die von zum Teil abstrusen Preiserhöhungen berichten. Dabei liegt die Ursache oft im sogenannten „Upgrading“ der Züge. Zwischen Freiburg und Basel müssen Pendler ab Dezember ICE fahren. Die Mehrkosten pro Jahr betragen rund 300 Euro. Zwischen Northeim und Hannover wird aus dem Interregio ein IC. Folge: 81 Prozent Preissteigerung. Hart trifft es auch die Teilzeitpendler, die bis heute mit der BahnCard 50 ihren Fahrpreis außerhalb von Verbünden konkurrenzfähig zu den Betriebskosten des Autos halten konnten. Mit der BahnCard 25 verbunden mit Interregio-Streichungen ergibt sich im Extremfall eine Verdopplung der Preise. Beispiel: Die Strecke Stuttgart–Aalen wird um 102 Prozent teurer die Strecke Offenburg–Villingen um 92 Prozent.

In Pendlerkreisen braut sich explosiver Unmut zusammen. Schon ist von Bahn-Boykott und kollektivem Zahlungsstreik die Rede. Eine Pendlergruppe in Freiburg sammelte an einem Morgen 387 Unterschriften gegen die Verteuerung und wandte sich hilfesuchend an den VCD.

Die Forderung des VCD ist eindeutig: Erhalt der beliebten Interregiozüge sowie der BahnCard 50, mindestens auf Strecken unter 200 Kilometer.

Der zweite Knackpunkt des neuen Preissystems ist die hohe Strafgebühr für verpasste Plan&Spar-Buchungen. Der Miterfinder des Interregio, Karl-Dieter Bodack, formuliert es so: „Das neue Preissystem schafft Juristereien statt Dienstleistungen.“ Wer haftet, wenn die Straßenbahn Verspätung hatte? Wann haftet die Bahn selbst? Auch hier ist die Lösung des VCD klar: Deutlich reduzierte Stornogebühr und unbürokratischere Buchungskriterien, keine Wochenendbindung, keine Hin- und Rückfahrtbindung.

Der VCD steht weiter in engem Kontakt zur DB AG und hat Einfluss: „Wir haben vor zehn Jahren die DBAG von der BahnCard überzeugt, wir haben die BahnCard 50 für das kommende Jahr erhalten und die kinderfreundliche Gestaltung des neuen Preissystems wesentlich beeinflusst“, sagt VCD-Referentin Annette Volkens. Der VCD setzt sich weiter beharrlich für die Interessen seiner Mitglieder bei der Bahn ein.

Michael Adler


 

VCD-Musterbriefaktion

In fairkehr 4/2002 rief der VCD die Leser auf, den Bahnfahrer-Profil-Test zu machen und die Ergebnisse in einem Musterbrief festzuhalten. So sollten die individuellen Auswirkungen des neuen Bahnpreissystems deutlich werden. Test und Brief konnten bis zum 15. November auch im Internet heruntergeladen und ausgefüllt werden.

Insgesamt rund 1600 Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer haben den Musterbrief an die VCD-Bundesgeschäftsstelle geschickt. Ergebnis: Über 90 Prozent der Teilnehmer sehen sich nach eigener Einschätzung und den Ergebnissen des VCD-Bahnfahrer-Profil-Tests als Verlierer/innen des neuen Preissystems (93,4% werden „verlieren”, 3,4% „etwas verlieren”). Nur knapp ein Prozent wird im Mittel keine Veränderung spüren. Deutliche Gewinner/innen waren nicht unter den Einsendern und auch diejenigen, die „etwas gewinnen”, bleiben mit nur 0,1% verschwindend wenige.

Die überwiegende Verlierer-Mehrheit lag vor allem darin begründet, dass die Teilnehmer in der Regel allein (90%) und spontan (83%) reisen. Wenngleich die Ergebnisse nicht als repräsentativ angesehen werden können, zeigt die Aktion dennoch deutlich: Das neue Preissystem schafft nicht nur Gewinner, sondern auch viele Verlierer. Der VCD wird die Briefe wie angekündigt an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages weiterleiten, damit die Forderungen des VCD auch von der Politik gehört werden: Eine BahnCard mit 50 Prozent Ermäßigung muss auch weiterhin erhalten bleiben und das neue Preissystem durch eine Vielzahl von Nachbesserungen attraktiver werden.

Annette Volkens


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