Freizeitmobilität

Man ist so alt, wie man sich fühlt

Eine Studie an der Uni Bonn widerlegt das Bild vom gebrechlichen und wenig mobilen Senioren. Ältere Menschen, solange ihre Gesundheit mitspielt und – noch wichtiger – sie sich gesund fühlen, sind bis ins hohe Alter genauso viel unterwegs wie junge Leute.


Foto: Marcus Gloger

 

Das Alter allein nimmt wenig Einfluss auf das Freizeitverhalten der Menschen. Nur im Zusammenhang mit bestimmten soziologischen und psychologischen Variablen, wie dem Bildungsgrad, dem Geschlecht, dem Einkommen und natürlich der Gesundheit, beeinflusst das Alter die Freizeitmobilität. Erst ab einem Alter von 80 Jahren lassen außerhäusliche Aktivitäten systematisch nach und verlagern sich mehr und mehr in die eigenen vier Wände. Zuvor sind ältere Menschen noch außerordentlich mobil.

Dies ist eine der zentralen Aussagen des Projektes FRAME (Freizeitmobilität älterer Menschen). Geografen, Raumplaner und Psychologen der Universitäten Bonn und Dortmund untersuchen im Rahmen dieser Studie, wann, wie oft und warum ältere Menschen welche Verkehrsangebote zur Gestaltung ihrer Freizeit nutzen und auf welche Hindernisse sie dabei stoßen. Gefragt wurden Menschen ab einem Alter von 60 Jahren nach ihren Freizeitaktivitäten im Umkreis ihres Wohnortes bis hin zu Kurzreisen. Längere Urlaube wurden nicht erfasst.

Für eine aktive Lebensgestaltung ist die Möglichkeit, von einem Ort zum anderen zu gelangen, außerordentlich wichtig – und zwar bis ins hohe Alter: Etwa 40 Prozent aller über 60-Jährigen in Deutschland bevorzugen in ihrer Freizeit Unternehmungen, die ein hohes Maß an Mobilität voraussetzen. Gefragt nach außerhäuslichen Aktivitäten stehen bei den älteren Menschen der Bonner Studie die Pflege sozialer Kontakte durch Besuche von Freunden (94,8 Prozent) oder Verwandten (91,9 Prozent) oder durch Essen und Trinken gehen (84,3 Prozent) im Vordergrund. Dazu kommen auch der Kirchgang oder der Besuch öffentlicher Feste. Selten suchen Menschen Senioren-treffs auf (29,8 Prozent). Bei all diesen Aktivitäten gehen die Älteren vor allem zu Fuß oder greifen auf den eigenen Pkw zurück. Unter den öffentichen Verkehrsmitteln bevorzugen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie den Bus. Oft benutzen sie bei entsprechender Gesundheit auch das Fahrrad.

„Die Ergebnisse zeigen, dass Seniorinnen und Senioren in der Regel Wert darauf legen, selbst bestimmen zu können, wie Wege zurückgelegt werden“, sagt Udo Käser vom Zentrum für Evaluation und Methoden (ZEM) der Universität Bonn, das den Austausch zwischen den Partnern des Projektes FRAME leitet. „Das Bild vom älteren Menschen, der kaum noch etwas unternehmen kann, das heute mitunter immer noch als öffentliche Meinung verbreitet wird, ist schlichweg falsch“, sagt Käser, „auch alte Menschen können noch und wollen bis ins hohe Alter aktiv bleiben“.

Die Lebenserwartung und die Lebensqualität älterer Menschen sind kontinuierlich gestiegen, und sie nehmen heute an allem Anteil, was früher Privilegien der jüngeren waren: Sie studieren, treiben Sport oder verreisen häufig. Ein maßgeblicher Einflussfaktor auf die Freizeitgestaltung ist die Bildung: Menschen mit hoher Bildung, das hat die Studie klar gezeigt, bleiben auch mit zunehmendem Alter weiter mobil, sofern sie nicht gesundheitlich beeinträchtigt sind. So erwarten die Forscher aufgrund der höheren Bildung in jüngeren Altersgruppen, dass ältere Menschen zukünftig noch aktiver sein werden als heute schon.

Die FRAME-Forscher haben auch den Einfluss des Einkommens auf die Freizeit untersucht. Wie erwartet, konnten die Wissenschaftler bei Menschen mit höherem Haushaltseinkommen auch eine größere Freizeitmobilität nachweisen. Diese Wohlhabenden sind längst keine Randgruppe mehr. Den meisten Rentnern geht es heute besser denn je. Bei den Sozialreformen der letzten Jahrzehnte gehörten sie stets zu den Gewinnern. Die meisten Senioren, so nennt sie der Sozialstaat, führen heute materiell ein weitgehend sorgenfreies Leben.

Von zentraler Bedeutung für das Freizeitverhalten ist daher die Gesundheit. Am ehesten sind es körperliche Probleme, die ältere Menschen in den Möglichkeiten ihrer Mobiliät einschränken. Die Studie hat aber gezeigt, dass – wenn die faktischen Einschränkungen nicht zu gravierend werden – das subjektive Gesundheitsempfinden wichtiger ist als der objektive Gesundheitszustand. „In gewisser Weise hat das landläufige Sprichwort ‘Man ist so alt wie man sich fühlt’ durchaus seine Berechtigung“, so Udo Käser. Das zeige sich auch bei der Frage nach der Lebenszufriedenheit oder der Zufriedenheit mit der eigenen finanziellen Situation. „ Aktive Ältere sind in der Regel sowohl mit ihrem bisherigen Leben als auch mit ihrer jetzigen Situation und ihren Zukunftsperspektiven äußerst zufrieden“, sagt der FRAME-Experte.

In diesem Sinne aktiv sind vor allem die sogenannen „Jungen Alten“ – in der Untersuchung FRAME waren die Teilnehmer 60 bis 75 Jahre alt. Es bestätigt sich also: Das Lebensalter entscheidet nicht über den Lebensstil: Zufriedene Senioren können auch im Alter noch die Welt erobern.

Uta Linnert


Die Auswertung der kompletten Studie ist noch nicht abgeschlossen. Sie wird im Frühjahr 2003 veröffentlicht.

Kontakt:
Projekt FRAME
Am Hof 1d
53113 Bonn
Tel.: (0228) 734139
kaeser@psychologie.uni-bonn.de
www.zem.uni-bonn.de/PROJECTS/FRAME/frame.htm


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