Motorrad-Lärm

Spaß am Krach

Beim Motorradfahren gehört das Motorengeräusch zum Image. Eine Lärmbegrenzung kam für die Zweirad-Lobby daher bisher nicht in Frage. Nun initiiert die Staatssekretärin im Umweltministerium Gila Altmann – selbst Motorradfahrerin – einen Umweltcheck für motorisierte Zweiräder. Vorbild ist die VCD-Auto-Umweltliste.

 

. Passionierte Motorradfahrerin und Befürworterin einer Motorrad-Umweltliste:
Gila Altmann, Staatssekretärin im Bundesumwelt-ministerium
 

 

„Hauptsache laut“, hieß es früher bei den Jugendlichen, wenn es um die Kaufentscheidung für Mofa oder Moped ging. Da wurde gebohrt, gesägt und gelötet, um den „typischen Sound“ und die optimale Beschleunigung aus dem Gerät zu holen. Mit achtzehn gibt es Sound und Beschleunigung serienmäßig – Yamaha, BMW und Co. bauen, was das Teenagerherz höher schlagen lässt – und die illegalen Extras kommen per Internetbestellung oder vom einschlägigen Fachhändler um die Ecke.

Über die Frage „Macht Lärm Motorradfahren erst schön?“ diskutierten im September in Berlin Motorrad-Lobby, Angehörige der Bundesregierung, des Europäischen Parlaments und Verbändevertreter, darunter auch der VCD. Geladen hatte das Bundesumweltministerium, das sich seit langem um das ökologische Problemkind Motorrad sorgt. Dieses ist zwar hinsichtlich der insgesamt zurückgelegten Fahrstrecken von untergeordneter Bedeutung. Bei Umfragen zur Belästigung durch Lärm wird es jedoch stets zusammen mit Lastwagen an erster Stelle genannt.

Da Motorradfahrer gerne zu Zeiten und an Orten fahren, an denen andere Menschen Ruhe suchen, nerven sie mehr als vergleichbare Krachmacher. Konflikte entstehen besonders dadurch, dass aufgrund extremer Beschleunigung das Motorengeräusch innerhalb weniger Sekunden auf doppelte Lautstärke anschwillt.

Die seit 1999 europaweit geltenden Lärmgrenzwerte für Motorräder von maximal 80 Dezibel entsprechen den Werten für schwere Lastwagen. Damit ist ein Motorrad, das den Grenzwert einhält, so laut wie vier Autos.

Der VCD kritisiert allerdings das unrealistische Messverfahren, das nur bei einem einzigen Fahrzustand den Geräuschpegel ermittelt. Der tatsächlich entstehende Motorenlärm bei Beschleunigung oder Spitzengeschwindigkeit kann deutlich über dem Grenzwert liegen. Bei der Geräuschmessung von Lkw wird dagegen der lauteste Betriebspunkt bei Höchstdrehzahl erfasst. Damit sind Motorräder bezüglich ihres Lärmpotenzials die mit Abstand lautesten Straßenfahrzeuge.
Problematisch ist außerdem, dass illegale, nicht zugelassene „Ersatzschalldämpfer“ im einschlägigen Fachhandel problemlos zu bekommen sind. Das Geräusch, das sie verursachen, ist nicht nur deutlich lauter als das des Serienmodells, sondern auch besonders lästig.

Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, fordert daher vor allem realitätsnähere Lärm-Messverfahren für Motorräder. Außerdem plädiert er für ein grundsätzliches Verbot von Zubehör, das Motorräder lauter macht und für eine Verschärfung der europaweiten Schadstoffgrenzwerte für Motorräder. Nach Auffassung des VCD sollten die Geräuschemissionen motorisierter Zweiräder künftig möglichst jährlich im Rahmen einer Umweltuntersuchung nachgeprüft werden. Dabei sollte die notwendige Prüfplakette auf dem Schalldämpfer befestigt werden, um Manipulationen zu verhindern.

Auf dem Kongress kündigte Gila Altmann, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, an, dass das Ministerium den VCD sowie das Heidelberger IFEU-Institut mit der Erstellung einer Motorrad-Umweltliste beauftragen wird. Damit schließt sich eine große Lücke für umweltbewusste Verbraucher. „Umweltrelevante Daten für Motorräder sind wenig vorhanden und kaum veröffentlicht. Die Messverfahren für Abgase und Lärm sind nicht realitätsnah. Es existiert überhaupt kein verbindlicher Test zur Messung des Kraftstoffverbrauchs und des CO2-Ausstoßes. Ein Kunde erhält bisher keine Information über den Verbrauch und über die dadurch entstehenden Kosten an der Tankstelle“, zählt Lottsiepen die Mängel auf. „Eine VCD-Motorrad-Umweltliste kann hier Transparenz schaffen und bewirken, dass Motorräder verschiedener Hersteller miteinander konkurrieren und sich auch unter Umweltgesichtspunkten dem Wettbewerb mit dem Auto stellen.“

Helmar Pless


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