Mit dem Bus unterwegs

Keiner sitzt allein

Urlaub, Action, Gruppendynamik: Wer mit einem alternativen Busreiseveranstalter unterwegs ist, bekommt viel zu sehen und profitiert von jahrzehntelanger Erfahrung und gewachsenen Kontakten vor Ort. Stilvolle Unterkünfte, leckeres Essen, bewährte Reiseleiter und ein abwechslungsreiches Sport- und Kulturprogramm für jedermann gehören in den meisten Fällen zum Angebot.

 

Fotos (2): Michael Adler

 

Nicht „Wie heisst du?“ sondern „Wohin fährst du?“, ist die meist gestellte Frage des Abends. Nach der Abfahrt in Osnabrück und einem Halt in Dortmund steigen in Köln ein Dutzend Leute mit und ohne Fahrräder in den Reisebus ein. Von Gruppenatmosphäre ist nichts zu spüren: Die meisten reisen alleine und noch sind viele der Doppelsitze von nur einer Person besetzt. Drei verschiedene Reisegruppen brechen an diesem Abend gemeinsam zu ihrem Aktiv-Urlaub in Frankreich auf. Dazu kommen neun Individualreisende, die das Bus&Bike-Angebot nutzen, um bequem mit dem eigenen Rad den Süden Frankreichs zu erreichen. In Trier, dem letzten Zustiegsort wird der Bus rappelvoll. Der Fahrradanhänger füllt sich und im Bus sind alle Sitzplätze belegt. Jetzt sitzt niemand mehr alleine und alle versuchen herauszufinden, ob ihr Nachbar die gleiche Reise gebucht hat, wie sie selbst. Der letzte Stopp vor der langen Nachtfahrt im Bus ist kurz hinter der luxemburgischen Grenze. Hier bauen die Busfahrer einige der Plätze zu Liegen um. Aus Rückenlehnen und Sitzflächen entstehen jeweils zwei nebeneinanderliegende Flächen. Nach gemeinsamem Zähneputzen im Waschraum der Raststätte startet der Bus gegen Mitternacht zu seiner Reise über die Autobahnen Luxemburgs und Frankreichs Richtung Süden.

Trend zu mehr Komfort

Die beiden Busfahrer wechseln sich im Vierstunden-Rhythmus ab. Zuerst liegt Michael in der Koje und Hans sitzt am Steuer. Schon seit zehn Jahren arbeitet er als Busfahrer für den Reiseveranstalter Natours. Er ist fest angestellt, das ist die Ausnahme. „Besonders viel Spaß machen mir die seltenen Fahrten, bei denen ich auch vor Ort die Tourenbegleitung der Gruppe übernehmen kann“, sagt er. Das Publikum, das mit ihm reist, hat sich seit Bestehen der Firma verändert. „Früher gab es mehr Angebote mit Camping und Selbstverpflegung, seit ein paar Jahren geht der Trend deutlich zu komfortableren Angeboten mit stilvollen Unterkünften und einem mehrgängigen Menü am Abend“, erzählt der Fahrer, der der Lagerfeuerromantik und dem daraus resultierenden Gruppengefühl ein bißchen hinterherzutrauern scheint. Nicht geändert hat sich der Schwerpunkt Aktivreisen: Neben reinen Rad-, Paddel- und Wandertouren gibt es kombinierte Reisen und Skilanglauf im Winter.

Auf dieser Fahrt geht es für zwei Gruppen zu einer Fahrrad-Rundreise durch Provence und Camargue. Die andere Gruppe hat ebenfalls einen Provence-Urlaub gebucht – allerdings soll hier neben dem Fahrradfahren auch das Wandern und Kanufahren nicht zu kurz kommen. Untergebracht ist die Gruppe in der „Bastide“, einem alten Landgut im Dörfchen Vers nahe dem Pont du Gard.

 

  Wie Gott in Frankreich: In den Dörfern der Provence lässt sich französisches Lebensgefühl genießen.  

 

Wer schnarcht, hat Glück

Das Alter der Reisenden liegt meist zwischen dreißig und vierzig Jahren, Frauen sind stärker vertreten als Männer. „Ich finde es toll, an einem schönen Urlaubsziel aktiv sein zu können, ohne mich um die Organisation kümmern zu müssen“, meint Annegret. Sie hat auf ihren Urlauben mit verschiedenen alternativen Busreiseveranstaltern bereits viele Ziele in Europa erkundet. „Es ist einfach angenehm, nicht alleine unterwegs zu sein sondern mit Gleichgesinnten eine schöne Zeit zu verbringen“, meint die erfahrene Gruppenreisende.

Die Nacht verläuft unruhig. Ob auf den Liegen oder den Sitzplätzen, die ungewohnte Umgebung, das häufige Anhalten des Busses an Mautstationen und Rastplätzen und die blendenden Scheinwerfer anderer Autos halten viele vom Schlafen ab. Die meisten dösen vor sich hin, gelegentlich zeugt ein leises Schnarchen davon, dass jemand Schlaf gefunden hat. Nach Sonnenaufgang werden die Liegeplätze wieder zu Sitzen umfunktioniert. Nach dem inzwischen gemeinschaftlichen Zähneputzen und einem Kaffee aus dem Automaten der französischen Tankstelle herrscht freudige Erwartung. Der Blick aus dem Fenster zeigt Weinfelder und vereinzelte Steinhäuser. Die Sonne vertreibt den tief hängenden Nebel. In Le Thor steigen die beiden ersten Gruppen mit ihren Tourenbegleitern aus. Die anderen fahren über kleine, von Platanen gesäumte Alleen Richtung Pont du Gard zu einem alten Landgut, das für eine Woche lang Ausgangspunkt für Unternehmungen und Ausflüge sein wird. Zur Begrüßung gibt es Frühstück mit Brot, Früchten, Marmelade, Biokäse aus der Region und Müsli, dazu leckeren Kaffee oder Tee. Nach einem Rundgang durch die Unterkunft, den großen Innenhof, den terrassenförmig angelegten Garten mit Bouleplatz, Swimmingpool, Springbrunnen und kleinen Sitzecken zwischen alten Zypressen geht es gleich los mit einer kurzen Radtour in die nähere Umgebung. Nach einer Ruhepause, um die Müdigkeit nach der letzten Nacht endgültig abzuschütteln, werden die Neuankömmlinge mit einem Begrüßungsapperitif willkommen geheißen. Im Vergleich zu der Gruppe, die bereits eine Woche gemeinsam verbracht hat und laut lachend am Nebentisch sitzt, geht es bei den „Neuen“ ruhig und etwas verhalten zu. „Das ist ganz normal. In einer Woche wird das ganz anders sein“, verspricht Tourenbegleiter Thorsten. Durch gemeinsame Erlebnisse soll die Gruppe zusammenfinden. Die für morgen angesetzte Radtour in das denkmalgeschützte Uzès und alle kommenden Touren werden dazu beitragen, dass es auf der Rückreise im Bus nicht mehr ganz so unpersönlich zugeht, wie auf der Hinfahrt.

Stefanie Schneider



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