Boeing ist schon
wieder optimistisch. In ihrer kürzlich veröffentlichten
Prognose erwarten die Flugzeugbauer eine Rückkehr zu Wachstumsraten
von knapp 5 Prozent pro Jahr über die nächsten 20 Jahre,
wie sie auch vor der aktuellen Krise im Luftverkehr prognostiziert
wurden. Unterschieden nach drei Großregionen fallen bei
Nordamerika die traditionell hohen Anteile auf, bei der „übrigen
Welt“ die hohen künftigen Wachstumsraten. Europa kann
da leicht zu wenig Beachtung finden. Unberechtigterweise: Europa
war eindeutig der Wachstumspol der Luftfahrt in den letzten 20
Jahren, ist mittlerweile an gut 40 Prozent des globalen Luftverkehrs
beteiligt und wird den Anteil im wachsenden Markt etwa halten.
Allein der innereuropäische Luftverkehr wird von Boeing im
Jahr 2021 doppelt so hoch angesetzt wie der Weltluftverkehr im
Jahr 1970.
Für Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild: Allenthalben
bemüht man sich um einen Ausbau der Luftverkehrsanlagen,
um dem erwarteten und erwünschten Ansturm von Passagieren
und Luftfracht gerecht zu werden. Die Aussicht auf den schnellen
Euro und eine beschränkte Zahl neuer Arbeitsplätze scheint
dabei den Blick für die Klimakonsequenzen zu vernebeln. Deswegen
sei hier daran erinnert, dass die beiden Klima-Enquete-Kommissionen
des Deutschen Bundestages über alle politischen Strömungen
hinweg eine deutliche Absenkung der Klimalasten für erforderlich
angesehen haben: Gegenüber 1987 bzw. 1990 um 30 bzw. 25 Prozent
bis 2005, um die Hälfte bis 2020, und sogar um 80 Prozent
bis 2050.
Die erheblichen Effizienzsteigerungen im Luftverkehr sollen keineswegs
übersehen werden, sie reichen aber bei weitem nicht aus,
um die Folgen der Expansion im Luftverkehr zu kompensieren. Entgegen
den Reduktionszielen sind allein in den 90er Jahren die Energieverbräuche
und in der Folge die Klimalasten aus dem Luftverkehr um etwa die
Hälfte angestiegen. Setzt man auch im Verkehr die allgemeine
Reduktionsmarke bis 2005 um ein Viertel an, so beansprucht der
Luftverkehr mittlerweile schon etwa 30 Prozent der vertretbaren
Belastungen aus dem gesamten Verkehr.
Allem Anschein nach soll es so weitergehen: Der Frankfurter Ausbauplanung
liegt die Erwartung eines stark steigenden Luftverkehrs zugrunde,
wobei sich dort bis 2015 der Kerosinabsatz noch einmal etwa verdoppeln
wird. Bis 2020 ist dann zu erwarten, dass allein der Luftverkehr
Klimalasten in einem Umfang auslösen wird, wie sie nach dem
Halbierungsziel für den gesamten Verkehr vorzusehen wären.
Dies wäre natürlich zulässig, würde der übrige
Verkehr bis dahin klimaneutral gestaltet werden. Die Abwegigkeit
einer solchen Erwartung liegt auf der Hand, hat doch im Gegenteil
auch der sonstige Verkehr bislang seine Klimalasten laufend angehoben.
Fliegen im roten Bereich
Selbstverständlich ist die Belastung des globalen Klimas
durch einen einzelnen Flug nahezu verschwindend gering. Die Bewertung
ändert sich jedoch schlagartig, wenn wir diese Belastung
in Beziehung setzten zu den vertretbaren Beiträgen einer
einzelnen Person. Eine einfache Rechnung mag dies verdeutlichen:
Als Ausgangswert kann man für Ende der 80er Jahre in Deutschland
eine Belastungsgröße von etwa 10 t CO2 je Einwohner
ansetzen, aus allen Aktivitäten, also einschließlich
Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft etc. Nehmen wir das Halbierungsziel
bis 2020 ernst und unterstellen weiterhin, dass etwa die Hälfte
der Belastung aus dem allgemeinen Bereich kommt; daraus ergibt
sich ein vertretbarer Belastungsbeitrag von 2,5 Tonnen CO2 je
Einwohner und Jahr aus dem persönlichen Verbrauch, also für
Heizung, Verkehr, Kochen und Warmwasser etc. Setzen wir demgegenüber
eine Flugreise in die Karibik an – hin und retour etwa 16000
km. Als mittlerer Verbrauchswert erscheint auch für die Zukunft
ein Verbrauch von 4 Litern je 100 Passagier-Kilometer recht günstig.
Daraus ergibt sich ein Gesamtverbrauch von 640 Litern für
diese Flugreise. Die Verbrennung dieser Menge von Kerosin ergibt
etwa 1600 kg CO2, also rund zwei Drittel des mittleren insgesamt
im ganzen Jahr vertretbaren Belastungsbetrags einer Person.
Unerfreulicherweise ist der Luftverkehr mit weiteren klimabelastenden
Emissionen verbunden, insbesondere von Wasser und von Stickoxiden,
wodurch die Gesamtbelastung etwa zwei- bis viermal so hoch ist
wie durch CO2 allein. Deshalb ist davon auszugehen, dass schon
ein einziger Flug in die Karibik deutlich mehr Klimalasten erzeugt,
als pro Einwohner und Jahr insgesamt vertretbar ist. Selbst bei
völligem Verzicht auf die Benutzung von Auto, Bahn und Bus,
auf Heizung und Warmwasser, auf elektrische Beleuchtung und Computer
verbliebe man im roten Bereich.
Es mag ja verständlich sein, dass sowohl die Politik als
auch wir Verbraucher, erst recht die Betreiber von Flughäfen
oder Fluggesellschaften, sich nur ungern mit diesen Sachverhalten
auseinandersetzen. Es kann andererseits aber auch nicht vorteilhaft
sein, sich die Augen zuzuhalten und zu warten, bis die Blase platzt.
Karl Otto Schallaböck, Wuppertal Institut
Der Autor ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des VCD
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