Für Kampfpreise im Flugverkehr
waren bislang Billigflieger wie Ryanair, Buzz & Co. zuständig:
Tickets gibt’s zum Selbstausdrucken im Internet, geflogen
wird von abseits gelegenen Flughäfen wie etwa Hahn im Hunsrück,
Speisen, Getränke und sonstiger „Schnickschnack“
an Bord kosten nur und sind deshalb gestrichen. Doch jetzt bekommen
diese „No-Frills“-Carrier Konkurrenz: Vom Touristikkonzern
TUI bis zur Lufthansa wollen mehrere Unternehmen am Discount-Fliegen
mitverdienen. Drehkreuz der neuen Billigflieger wird der Flughafen
Köln/Bonn.
Den Anfang macht die Eurowings-Tochter Germanwings Ende Oktober.
Hier hält die Lufthansa ein Viertel der Anteile und partizipiert
damit auch indirekt am Billiggeschäft. Für Tickets ab
29 Euro auf allen Strecken bietet Germanwings Flüge nach
Berlin, Nizza, Paris, London, Mailand, Rom, Barcelona, Madrid,
Wien und Zürich an. Pro Tag sind 42 Starts und Landungen
geplant und in drei Jahren möchte die Fluggesellschaft drei
Millionen Fluggäste jährlich transportieren. Ebenfalls
ab Köln/Bonn wird der Ferienflieger TUI mit seiner neuen
Linie Hapag-Lloyd Express in den boomenden Markt einsteigen. Ab
Dezember fliegt die Billiglinie der TUI ab 10 Euro deutsche und
ab 25 Euro europäische Ziele an. Auch andere Discount-Flieger
wie etwa die Air Berlin wollen in Köln/Bonn mitmischen. Der
ehemalige Hauptstadtflughafen, der erst kürzlich ein zweites
neues Terminal erhielt, ist derzeit nur zu 50 Prozent ausgelastet
und hat noch Kapazitäten frei – und im Gegensatz zu
vielen anderen großen Airports gibt es hier kein generelles
Nachtflugverbot.
Bahn beklagt Billigflüge
Dass eine Billigfluglinie nach der anderen an den Start geht,
treibt die Bahn auf die Barrikaden. Die Pläne der neuen deutschen
Billigflieger seien nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes,
sondern auch volkswirtschaftlich gesehen Wahnsinn, sagte der für
den Personenverkehr zuständige Bahn-Marketingvorstand Hans-Gustav
Koch der „Kölnischen/Bonner Rundschau“. Auch
Bahnchef Hartmut Mehdorn wettert lautstark gegen die Konkurrenz
der Schiene und wirft dem Staat vor, die Billigangebote durch
Steuerprivilegien überhaupt erst möglich zu machen.
Tatsächlich können die Airlines für kleines Geld
mineralölsteuerbefreites Flugbenzin tanken und die Abgase
ungestraft klimaschädigend in die Luft pusten, während
die umweltfreundliche Bahn Öko- und Mineralölsteuer
zahlen muss. Bisher stieß Mehdorn, der diese Ungleichbehandlung
seit längerem anprangert, bei der rot-grünen Bundesregierung
auf taube Ohren und hat deshalb Beschwerde bei der EU-Kommission
eingelegt.
Bleiben die Preise so niedrig wie angekündigt, werden die
Billigflieger natürlich der Bahn Kunden wegnehmen. „Wir
wollen die Leute aus dem Auto und von der Schiene zu uns holen“,
lässt sich denn auch Germanwings-Vorstand Friedrich-Wilhelm
Weitholz zitieren. TUI-Chef Michael Frenzel, der nebenher noch
den Aufsichtsrat der Bahn leitet, steckt in der Interessensfalle
und äußert sich deshalb vorsichtiger. In einen Spiegel-Interview
fordert er, dass die Bahn die gleiche Entlastung bekommen müsse
wie der Flugverkehr. Von den geplanten Schleuderpreisen rückt
er nicht ab.
Nach Marktuntersuchungen der TUI erwartet Frenzel mehr als zwei
Drittel neue Kunden, die sonst niemals zu diesem Reiseziel geflogen
wären. Er möchte einen neuen Markt und neues Kundenpotenzial
erschließen. Bei dieser Vorstellung werden bereits die ersten
Einzelhändler aus dem höheren Preissegment nervös:
Sie fürchten, dass ihre gut verdienende, mobile Klientel
auf die Idee kommen könnte, am freien Tag statt nach Düsseldorf
für zwei 10-Euro-Scheine zum Shoppen nach Mailand zu fliegen,
wo es die italienischen Designerschuhe oder den Latte Machiato
im Original gibt.
Zweckmäßigkeit vor Luxus
Wie schon Ryanair setzen auch die neuen Billigflieger zum Sparen
beim Komfort an. Gespart werde niemals auf Kosten der Sicherheit
lassen alle neuen Airlines verkünden. Aber ihre Flugzeuge
werden pro Tag länger in der Luft sein weil sie die Zeiten
zwischen Landung und erneutem Start extrem verkürzen. Ryanair
wickelt nach eigenen Angaben sechsmal so viele Passagiere pro
Angestelltem ab wie die traditionellen Airlines. Doch selbst wenn
jeder Kaffee an Bord extra bezahlt werden muss, die Kunden ihre
Tickets personalsparend über Internet oder Callcenter buchen
und die Bestuhlung noch enger ist, können die Fluglinien
mit Ticketpreisen um die 10 Euro kein Geld mehr verdienen. Die
Discount-Airline aus Irland hat es vorgemacht: Die Billigtickets
sind knapp kontingentiert. Nur wer früh bucht und außerhalb
der Stoßzeiten fliegt, kommt preiswert weg. Auch Germanwings
wird, wie bereits angekündigt, nur einen Teil seiner Plätze
zum Lockpreis von 29 Euro verkaufen. Bei Hapag-Lloyd Express sollen
sich die Preise laut TUI-Geschäftsführer Frenzel stark
nach Angebot und Nachfrage richten, so dass die anvisierten 1,2
Millionen Kunden im ersten Jahr einen Durchschnittspreis von etwa
75 Euro pro Flug zahlen werden.
Da können dann schon bald wieder etablierte Fluglinien mithalten:
Die Lufthansa bietet ab Mitte September etwa zehn Prozent ihrer
innerdeutschen Tickets zum Festpreis von 98 Euro an – Rückflug
inbegriffen. Solange die Politik keine Kostenwahrheit im Verkehr
herstellt, solange Kerosin steuerfrei bleibt und die externen
Kosten inklusive Umweltschäden in keiner Bilanz und keinem
Ticketpreis auftauchen müssen, bleibt beim Billig-Boom wohl
nur die Bahn auf der Strecke. Solange daran nichts geändert
wird, ändert sich nichts.
Uta Linnert
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