Bundestagswahl 2002

Wahlkampf in Grün

Simone Probst hat mit 35 Jahren einiges erreicht. Zur Zeit macht die grüne Staatssekretärin aus dem Umweltministerium, die seit vielen Jahren Mitglied im VCD ist, Wahlkampf im schwarzen Paderborn. Ihr Ziel: 8 Prozent für Bündnis 90/Die Grünen.


Foto: BMU

 

Pressetermin zum Wahlauftakt in Paderborn: In der tiefschwarzen Bischofsstadt rennen die Journalisten einer grünen Direktkandidatin nicht gerade die Tür ein. Ob es denn nicht mühsam sei, unter den derzeitigen Bedingungen für die Grünen Wahlkampf zu machen, möchte ein Journalist wissen. Simone Probst schaut den Mann verständnislos an. Imageprobleme? Parteiinterner Richtungsstreit? Enttäuschte Stammwähler? „Es macht Spaß in Regierungsverantwortung Wahlkampf zu machen“, sagt sie. „Diesmal muss ich mir nicht ständig sagen lassen, wir würden nur über Wolkenkuckucksheime reden. Diesmal kann ich zeigen, was wir ganz konkret in den vergangenen vier Jahren erreicht haben.“
Simone Probst verweist auf den großen Fortschritt für regenerative Energien in ihrem Wahlkreis: Windparks, Biomassekraftwerke, Solarförderung. „Allein in Ostwestfalen-Lippe gibt es inzwischen etwa 3000 Arbeitsplätze im Bereich regenerative Energien“, belegt sie den Erfolg der grünen Politik. „Bundesweit streben wir bis zum Jahr 2050 an, die Hälfte der nötigen Energie aus regenerativen Energiequellen zu bekommen.“

Schadstoffreduktion, Verbesserung des Strahlenschutzes, Mineralölsteuerbefreiung für regenerative Treibstoffe, Verbraucherschutz, nachhaltige Abfallentsorgung, Atomausstiegs- oder Bundesnaturschutzgesetz und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sind konkrete Erfolge, die die Politikerin bei Pressegesprächen, Wahlveranstaltungen oder an Infoständen immer wieder hinweisen wird.

Obwohl Simone Probst erst 35 ist, ist dies bereits ihr dritter Bundestagswahlkampf. Seit acht Jahren sitzt die Diplom-Physikerin für die Grünen im Bundestag. Seit vier Jahren ist sie Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Ihre politische Karriere begann 1989 ganz zufällig, als ein Freund sie in ihrem Studienort Paderborn zu einem Treffen der Grünen mitnahm. Die suchten gerade händeringend nach der dritten Frau, die aus Proporzgründen noch auf die Kreistagsliste musste. Die 22-Jährige beteiligte sich an der Diskussion und wirkte so überzeugend, dass sie trotz mangelnder politischer Erfahrung auf die Liste und später in den Kreistag kam.

Glaubt man der ungezwungenen Staatssekretärin, dann verlief ihre weitere Karriere ebenso hopplahopp und vom Zufall begünstigt. Fraktionsvorsitz im Kreistag, Bundestagsmandat, Geschäftsführung der Fraktion, Vorstandsfrau, Mitglied im Ältestenrat des Bundestags und schließlich das Amt der Staatssekretärin bei Jürgen Trittin im Umweltministerium: „Ich habe eben in der Anfangszeit oft ja gesagt, wenn Ämter angeboten wurden, die keiner so recht haben wollte“, erklärt Simone Probst ihre Erfolge – und spielt sie auch gleich wieder herunter. Mal half es, Frau zu sein, mal half die Jugend und mal war es die Kombination von jung, Frau und Naturwissenschaftlerin, die sie für einen Posten prädestinierte.

Engagiert und zielstrebig

Schaut man der zierlichen Frau jedoch bei der Arbeit zu, drängen sich andere Erklärungen für die rasante Karriere auf. Simone Probst hat ein Anliegen, und sie scheut sich nicht Verantwortung zu übernehmen. Über ihren Posten als Fraktionsvorsitzende im Kreistag sagt sie: „Man kann sicher sein, dass man alle Entscheidungen mitbekommt.“ Über ihren Gestaltungsfreiraum als Staatssekretärin: „Es ist immer mein Entwurf, der zur Abstimmung ins Parlament geht. Und wenn es einen Kompromiss geben muss, dann ist das mein Kompromiss.“

Zielstrebig, realistisch und effizient organisiert Simone Probst ihr gigantisches Arbeitspensum. Zwischen Besprechungen, Sitzungen, Parlamentsdebatten und Ausschusstreffen arbeitet sie an Gesetzesvorlagen, nimmt an Veranstaltungen teil, empfängt Lobbyisten, vertritt den Minister oder fährt nach Tschechien, um dort Umweltprojekte zu unterstützen. Wenn sie nicht in Berlin ist, um ihren Regierungs- oder Abgeordnetenpflichten nach zu kommen, ist sie in Paderborn in ihrem Wahlkreis und kümmert sich dort um die Belange der Umwelt und ihrer Wähler. Am Rande erwähnt sie, dass sie außerdem auch noch eine Familie hat und bei gutem Wetter schon einmal damit hadert, dass sie nicht mit den Kindern auf den Spielplatz kann. Für die zwei- und vierjährigen Töchter ist während der Woche der Vater zuständig.

Echtes Interesse

„Simone Probst wirkt“, lautet der knappe Wahlslogan, mit dem sie im Wahlkreis Ostwestfalen-Lippe Wähler für Bündnis 90/Die Grünen werben möchte. Er passt zu der Frau, die auf Show verzichtet und ganz auf die Wirkung ihrer Arbeit setzt.

„Zuerst möchte ich Ihnen einmal sagen, warum ich mich so freue, dass Sie mich eingeladen haben.“ Das ist ein Satz, den die parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst gerne benutzt, um das Gespräch zu eröffnen. Im Forstamt von Bad Driburg in Ostwestfalen erklärt die zweithöchste Mitarbeiterin des Bundesumweltministeriums Förstern, Journalisten und grünen Parteigenossen, worin ihr besonderes Interesse an dem bevorstehenden Gespräch besteht: ein Projekt im Umweltministerium, das sie besser vernetzen möchte, eine neue Herangehensweise an ein altbekanntes Problem, von der sie sich Anregungen erhofft, und die Freude darüber, ein neues ökologisches Projekt in ihrem Wahlkreis kennenzulernen.

Die Freude beruht auf Gegenseitigkeit, denn die Förster der Region sind auf Unterstützung von oben angewiesen, wenn sie ihr Waldbildungszentrum, ihre Wisentzucht oder ihr Marketingprogramm für rotkerniges Buchenholz weiterbringen möchten. Was an Ehrfurcht oder Ungewissheit angesichts des hohen Besuchs aus Berlin vorhanden war, ist durch die herzliche Begrüßung schnell abgebaut. Vergesst höfliche Floskeln, signalisiert die junge Staatssekretärin, hier geht es um die gemeinsame Sache.

Für eine gute Gesprächsatmosphäre ist gesorgt, nun kann es an die Arbeit gehen. Obwohl Simone Probst nicht abschweift und keine unnötige Zeit verschwendet, hört sie geduldig zu, fragt nach und versucht, die Zielsetzung des Gesprächspartners zu ergründen. „Wo wollen sie hin und wie kann ich Ihnen dabei helfen“, ist noch so ein Satz, mit dem sie Gespräche lenkt und zu einem schnellen Ergebnis führt. Sie denkt laut nach, welche Fördertöpfe für die Projekte des Gesprächspartners in Frage kommen, welche Kontakte interessant sein könnten, wo es bereits ähnliche Erfahrungen gibt, die man vernetzen könnte oder welche Stellen in der Regierung Bescheid wissen müssen.

Zwei Büros in Berlin – im Umweltministerium und im Bundestag – und eines in Paderborn sorgen dafür, dass Themen und Termine vorbereitet sind und dass jeder zu jeder Zeit und an jedem Ort weiß, was gerade ansteht. Simone Probst sorgt vor Ort dafür, dass die engen Terminpläne auch eingehalten werden. „Ich hasse es, unpünktlich zu sein“, sagt sie. „Das ist dieses typische Politikerimage, dass man ständig eine Stunde zu spät kommt und alle immer auf einen warten müssen.“

Regine Gwinner


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