Interview

Schöner und einfacher

Ab 15. Dezember will die Deutsche Bahn AG mit einem neuen Preis und Erlösmanagement Personenverkehr (PEP) den Preisdschungel lichten und mehr Menschen in die Züge locken. fairkehr fragte bei Anna Brunotte, PEP-Projektleiterin, nach, wie sie über die Einwände der Kunden denkt.


Fotos (2): DB AG
Genug Geld dabei? Wer mit rabattiertem Ticket im falschen Zug sitzt, muss in Zukunft kräftig nachzahlen.

 

fairkehr: Frau Brunotte, wann fahren Sie eigentlich Bahn?
Brunotte: Ich fahre sehr oft. Seit ich Ende 1998 zur Bahn kam, habe ich erfahren, dass man mit der Bahn ganz vorzüglich reisen kann, auch privat.

fairkehr: Wie kommen Sie an Ihre Tickets?
Brunotte: Für Bahnmitarbeiter erübrigt sich diese Frage eigentlich. Für Vielfahrer wie mich gibt es die persönliche Netzkarte.

fairkehr: Ihre Abteilung verfügt aber über Mitarbeiter, die Erfahrung im Fahrkartenkauf haben?
Brunotte: Selbstverständlich. Wir haben in unserem Team, das das neue Preissystem entwickelt, Spezialisten aus allen Vertriebskanälen. Leute, die 15 Jahre Fahrkarten verkauft haben, die jahrelang Zugbegleiter waren, d.h. Kollegen, die täglich Kundenkontakt hatten, sind jetzt in der Umsetzungsphase damit beschäftigt, das Ganze praxisorientiert zu gestalten.

fairkehr: Ihre Stornoregelung bei den Plan &Spar-Preisen muss den Praxistest aber erst noch bestehen. Haben Sie Ihre Zugbegleiter schon im Nahkampf ausgebildet?
Brunotte: Kein Kunde wird gezwungen, früh zu buchen. Jeder Kunde kann weiter zum Normalpreis fahren. Das wird ein gutes Drittel der Fahrten ausmachen. Es besteht kein Zwang sich festzulegen. Der neue Normalpreis wird auf langen Strecken sogar signifikant günstiger sein als der heutige „gewöhnliche Fahrpreis“. Zwischen Hamburg und München wird man ca. 25 Prozent günstiger fahren als heute.

fairkehr: Zwischen Düsseldorf und Dortmund wirds aber teurer?
Brunotte: Erstens gibts dort einen Verkehrsverbund, zweitens jede Menge Nahverkehrszüge. Aber, wer hier mit dem ICE/IC fahren will, wird in Zukunft etwas mehr bezahlen müssen.

fairkehr: Zurück zu den Rabatten und den Stornogebühren. 40 Prozent Rabatt bei Buchung sieben Tage im voraus finden alle gut. Mit BahnCard noch einmal 25 Prozent zusätzlich, auch gut. Aber, wer seinen Zug verpasst, der muss bluten.
Brunotte: Senioren oder Eltern mit Kindern befürchten vor allem, krank zu werden. Dafür gibt es Reiserücktrittversicherungen. Es wird ein Rundum-Sorglos-Paket zur BahnCard 2. Klasse geben für rund 15 Euro im Jahr. Zweiter Fall: Zug verpasst! Sie haben verschlafen, das Taxi ist im Stau stecken geblieben. Dieser Fall wird gewertet, als ob Sie eine Reise gebucht und nicht angetreten haben. Die Basis für den Rabatt, nämlich die Zugbindung, ist damit entfallen. Dann müssen Sie bis zum Normalpreis aufzahlen und zusätzlich eine Gebühr entrichten.

fairkehr: Gebühr ist nett formuliert. Wenn ich den Zug verpasse, sind das 45 Euro. Das löst bei allen Kunden blankes Entsetzen aus.
Brunotte: Meistens wird es ja so sein, dass der Zubringerzug oder die S-Bahn Verspätung hatten. Der Kunde darf außer dem verpassten Anschluss keine weiteren Nachteile erfahren. Im Fernverkehr haben wir eine Anschlusspünktlichkeit von 95 Prozent. Für die restlichen 5 Prozent installieren wir ein Anschlussinformationssystem. Die Zugbegleiter, die genau wissen, welche Züge nicht erreicht werden, können dann zuggebundene Tickets für den nächsten Anschlusszug freistempeln. Oder dies geschieht am Servicepoint des Umsteigebahnhofs.

fairkehr: Gilt das auch, wenn ich mit den Stadtwerken Bonn Verspätung habe? Oder mit dem Interconnex?
Brunotte: Mit den nichtbundeseigenen Bahnen verhandeln wir. Für die Verspätungen von lokalen ÖV-Unternehmen können wir nichts.

fairkehr: Widmen wir uns dem Hauptkonkurrenten der Bahn, dem Auto. Das Auto steht nicht nur vor der Tür, es ist auch grenzenlos flexibel, was den Abfahrtzeitpunkt angeht. Über 90 Prozent der Bundesbürger zählen nicht zu den Stammkunden der Bahn. Warum sollen sie es ausgerechnet jetzt werden?
Brunotte: Unsere Marktstudien zeigen, dass es ein relativ großes Segment der Bevölkerung gibt, die auch dann nicht mit der Bahn fahren würden, wenn sie gänzlich umsonst wäre. Wir sind überzeugt, dass unsere neuen Preise Menschen auf die Bahn bringen, die bisher nicht Bahn gefahren sind. Vor allem auch denjenigen, denen die Bahn bisher zu teuer war. Gerade auf Strecken zwischen 150 und 350 Kilometern hat die Bahn derzeit keinen Rabatt. Da setzen wir an.

 

Anna Brunotte, PEP-Projektleiterin, verteidigt das neue Preissystem der Bahn.

 

fairkehr: Von der 50 Prozent BahnCard-Ermäßigung einmal abgesehen.
Brunotte: Sehen Sie es doch mal so: Twen-Ticket, Guten-Abend-Ticket, BahnCard, Spar-Preis – derzeit herrscht Preisdschungel. Ewige Rechnereien, mehrere verschiedene Tickets für eine Reise bei teilweise minimalen Ersparnissen.

fairkehr: Weiter fahren soll billiger werden. Die durchschnittliche Fahrtlänge liegt derzeit um die 200 Kilometer. Greift also die versprochene Verbilligung des Grundpreises nur bei wenigen Weitfahrern?
Brunotte: Im Normal-Preis wird sich für den durchschnittlichen Fernverkehrskunden kaum etwas verändern. Er hat aber jetzt erstmals auch die Möglichkeit auf diesen Entfernungen einen Rabatt in Anspruch zu nehmen. Ein großer Vorteil des neuen Preissystems ist, dass Sie an jeder Auskunftsstelle die gleiche Preisinformation erhalten und Sie können nachrechnen. Sie bekommen den günstigsten Preis. Jeder Rabattvorteil kumuliert sich. Das neue Preissystem ist transparent.

fairkehr: Ihr wunderbares System in allen Ehren. Aber am Schalter fällt das Urteil: Bekomme ich aus den limitierten Rabattkontingenten ein Ticket oder nicht. Muss ich Montag Urlaub nehmen, um übers Wochenende ein Plan&Spar 40 Ticket zu bekommen?
Brunotte: Sie mutmaßen, Plan&Spar sei nur ein Schaufensterpreis. Dass am Wochenende alles überfüllt ist, ist eine Legende. Am Freitagnachmittag sind 18 Prozent aller Züge überfüllt. Wenn man nur zwei Stunden früher oder später fährt, reicht das oft schon. Wir haben jeden Zugabschnitt genau prognostiziert: Wie viele Kunden erwarten wir im „ungesteuerten Preissegment“, wieviele in Plan&Spar-Preisen. Nur 20 Prozent aller Zugabschnitte sind überhaupt überfüllt. Ein ICE der von Hamburg nach Stuttgart fährt, ist möglicherweise nur auf dem Abschnitt Frankfurt–Mannheim kritisch.

fairkehr: In den kritischen Abschnitten gibt es dann überhaupt keine Rabatte?
Brunotte: Der Kontingentanteil wird immer mindestens 10 Prozent betragen. Auf den meisten Zügen werden Plan&Spar-Tickets unbegrenzt zur Verfügung stehen Es kann auch 100 Prozent sein. Je nach Auslastungsprognose werden die Kontingente erweitert oder begrenzt. Spätestens nach dem Weihnachtsverkehr wird sich die Debatte um zu wenig Plan&Spar-Kontingente beruhigt haben.

fairkehr: Thema BahnCard 50. Sie sagen, drei Millionen BahnCard-Kunden seien kein Erfolg. Jetzt wird die BahnCard zwar billiger, aber 25 Prozent Rabatt, das ist doch für den gelegentlichen Kunden kein Anreiz mehr.
Brunotte: Heute müssen Sie 280 Euro umsetzen, damit sich die BahnCard lohnt. Das wird mit der neuen BahnCard auf 240 Euro sinken. Dabei kostet sie deutlich weniger. Sie wird sehr viel schneller attraktiv.

fairkehr: Die neue BahnCard gibt es nur im Abonnement. Auch das schreckt viele.
Brunotte: Auch hier besteht kein Zwang. Ein formloses Abwinken kurz vor Verlängerung genügt.

fairkehr: Warum machen Sie eigentlich noch so offensiv Werbung für die BahnCard 50, wenn die neue so viel besser ist?
Brunotte: Um bis Dezember die Verkaufszahlen für die BahnCard hochzuhalten. Wir werden auch den Umtausch genau beobachten. Das ist für mich eine Abstimmung.

fairkehr: Und dann gegebenenfalls den Parallelvertrieb fortsetzen?
Brunotte: Diese Übergangsphase kostet die Bahn einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.

fairkehr: Das müssen Sie erklären. Was ist daran so teuer?
Brunotte: Die 50 Prozent Ermäßigung auf den neuen degressiven Normalpreis. Und, wir gehen davon aus, dass es viele Doppelnutzer geben wird, die beide BahnCards nutzen. Es wird einige Kunden geben, die sich das Beste beider Welten nehmen.

fairkehr: Es besteht also keine Chance, wegen des degressiven Grundpreises, dass es eine BahnCard 50 weiter gibt?
Brunotte: Die müsste rund 1000 Euro kosten. Nehmen Sie doch die Vorteile der Neuen. Mit der neuen BahnCard können Sie ihre Kinder kostenlos mitnehmen. Das wird in der Übergangsphase auch ganz klar kommuniziert. Alte BahnCard, alte Konditionen: kein Mitfahrerrabatt, keine Plan& Spar-Preise. Gerade für Senioren und Familien bieten die neuen Preise enorme Vorteile. Familienmitglieder können sich autonom bewegen. Die neue BahnCard wirkt immer.

fairkehr: Die positive Botschaft will aber beim Kunden nicht so recht ankommen. Nicht nur VCD-Mitglieder laufen gegen die Abschaffung der BahnCard 50 Sturm.
Brunotte: Bei der BahnCard schlagen allerdings die Emotionen hoch. Der VCD hat doch wesentlichen Einfluss auf die kinderfreundlichen Regelungen des neuen Preissystems gehabt und er hat letzten Endes die Übergangslösung mit zwei BahnCards erstritten. Wir haben uns also auch bewegt.

fairkehr: Wann verkünden Sie nun endlich die Grundpreise,damit wir wissen, worauf sich die prozentualen Rabatte beziehen?
Brunotte: Am 1.11. startet der Vorverkauf. In der ersten Oktoberdekade werden wir die Preise haben. Sie werden dann im Internet jeden neuen Preis errechnen können. Preisbeispiele werden wir auch liefern. Auch der Dialog am Automaten wird viel schöner und einfacher.

Interview: Michael Adler


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