Sprechen auch Sie davon!

 

Chefredakteur Michael Adler

Michael Adler

 

WER IN DEUTSCHLAND Visionen hat gilt als Spinner oder Träumer. Der Duden erklärt Vision wie folgt: „in jemandes Vorstellung besonders in Bezug auf die Zukunft entworfenes Bild.”
Warum also macht ein solch harmloses Bild von der Zukunft derart Angst, dass Visionäre diffamiert werden? Vielleicht weil zum Erreichen dieses Wunschbildes konkrete Verhaltensänderungen im hier und jetzt notwendig wären.
Vision Zero - die Vision von Null Verkehrstoten und Verletzten - ist ein solches Wunschbild. Ein Wunschbild indes, das sich aus den Grundregeln unserer zivilisierten Welt speist. „Du sollst nicht töten”, lautet das 5. christliche Gebot. „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person”, so lautet Artikel 3 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Uno aus dem Jahre 1948.
Ein Spinner also, ein Phantast, der sich einer Vision Zero verschreibt? Mitnichten! Die schwedische Regierung folgt dieser Vision, die Schweiz noch diesen Sommer. Die Niederlande, Großbritannien, Finnland haben ähnliche Ziele. Der Weg dorthin ist sehr klar und pragmatisch formuliert.
Zunächst muss realisiert werden, dass der Mensch nicht verkehrsgerecht gemacht werden kann. Menschen machen Fehler. Also muss der Verkehr menschengerecht gemacht werden. Ein Wechsel der Denkrichtung, den der VCD für Kinder schon seit Jahren fordert. Dieser Paradigmenwechsel ist für jedes Alter notwendig.

 


Welche für sich und andere gefährlichen Fehler macht der Mensch im Verkehr? Oft fährt er zu schnell und manchmal sogar betrunken. Die entscheidende Stellschraube in Richtung Null Verkehrstote ist die Geschwindigkeit. Sie muss so festgelegt werden, dass auch im Falle eines Unfalles der Mensch nur wenig verletzt wird. Für bewohnte Gebiete heißt das Tempo 30, für Außerortsstraßen Tempo 80 bis maximal 120 km/h.
Die Tatsache, dass ein Mensch mit 0,5 Promille Blutalkohol immer noch doppelt so viele Unfälle auslöst wie ein nüchterner, macht eine 0,0 Promille-Grenze durchaus diskussionswürdig. In Schweden herrschen 0,2 Promille und es sterben proportional ein Drittel weniger Menschen auf den Straßen als in Deutschland.
Vision Zero geht außerdem davon aus, dass diejenigen Verkehrsteilnehmer, die wenig Gefahr für andere bedeuten, also Fußgänger und Radfahrer, unter besonderem Schutz stehen.
Hier sind unter anderem die Autohersteller gefordert. Das Risiko, dass ein Mensch stirbt, ist bei einem Zusammenprall mit einem hochgebauten und kantigen Pickup 35 mal so hoch wie bei einem normalen Pkw. Und auch die „normalen Pkw” zeigen nach europäischen Tests signifikante Unterschiede, was die Menschenfreundlichkeit ihrer Frontpartie angeht.
Tempolimits, Null Alkohol, Produzentenhaftung - einzeln betrachtet sind dies alles Tabuthemen. Der Duden übersetzt „Tabu” mit „das, wovon nicht gesprochen werden darf.”
Die fairkehr „spricht” in dieser Ausgabe von alledem und bricht das Tabu. Wir wollen damit eine Diskussion über Vision Zero in Deutschland in Gang bringen.
Sprechen auch Sie davon!

Ihr Michael Adler

 
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