Clement rapide im Abseits

Verkehrsminister Bodewig hat 2,3 Milliarden Euro an Zuschüssen für den Metrorapid versprochen, davon 1,75 Milliarden für die Strecke von Dortmund nach Düsseldorf. Heiner Monheim, Professor für Geografie an der Universität Trier und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des VCD, erläutert, warum das Projekt aufs Abstellgleis gehört.

 

Foto: 2001 Transrapid International

 

fairkehr: Der Metrorapid wird als Mittel gegen den Verkehrsinfarkt verkauft. Ist er das?
Monheim: Mit Sicherheit nicht. Er bedient nur einen schmalen Korridor auf einer Ost-West-Achse, auf der ohnehin ein gutes Bahnangebot besteht. Die für viele Staus verantwortlichen Nord-Süd-Verflechtungen im Ruhrgebiet profitieren nicht vom Metrorapid. Er „kannibalisiert“ andere Bahnangebote und holt Fahrgäste aus den Zügen, nicht von der Straße. Er ist ein Kuckucksei und macht sich „breit“ zu Lasten des übrigen Schienenverkehrs.

fairkehr: Welche Auswirkungen hat das?
Monheim: Der dringend notwendigen Modernisierung des sonstigen Schienenverkehrs wird die politische Aufmerksamkeit fehlen und am Ende auch das Geld. Der Metrorapid passt einfach nicht in den Verkehrsmarkt und das Verkehrssystem des Ruhr­gebiets. Er ist reine Industrieförderung, also eine Art teures „Spielzeug“ mit zweifelhaftem Systemnutzen.

fairkehr: Wie könnte das Land den öffentlichen Verkehr besser fördern?
Monheim: Zunächst einmal müsste sich der Ministerpräsident so vehement für den ganzen öffentlichen Verkehr einsetzen, wie er das für den Metrorapid im Moment tut. Wir brauchen Streckenreaktivierungen, ein umfassendes Modernisierungs-
programm und etwa fünfzig neue Netzknoten, wo sich heute S-Bahn, Stadtbahn, Regionalbahn und Fernbahn ohne Systemwirkung kreuzen.

Heiner Monheim hat von 1985 bis 1995 im Verkehrsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gearbeitet­ und eine Studie zu einer NRW-Trasse des Transrapid betreut. Außerdem war er am Gesamtverkehrsplan NRW und an vielen regionalen ÖPNV-Konzepten beteiligt.

 

fairkehr: Wie würden die aussehen?
Monheim: Man kennt das von vielen Brücken, wo man oben über eine Schienenstrecke fährt. Man würde gerne umsteigen, aber da fehlt ein Bahnhof, eben ein Kreuzungsbahnhof. Das gäbe ein viel besseres Netz mit wichtigen Abkürzungseffekten. Wir brauchen neue S-Bahnen in Nord-Süd-Richtung. Und wir brauchen ein eigenes IC-System-Ruhr – nach dem Vorbild des holländischen IC-Systems. Da ist jede Stadt mit jeder anderen durch schnelle Fernzüge verbunden und nicht nur durch S- und Regionalbahnen.

fairkehr: Wird der Metrorapid angenommen werden?
Monheim: Er wird seine Nachfrage finden. Allein schon aus Neugier will jeder mal damit fahren. Natürlich finden ein noch dichterer Takt und schöne neue Fahrzeuge ihren Markt. Nur werden die Straßen davon nicht leerer. Den anderen Bahnen wird er Publikum abjagen, da wird die Bahn dann das Angebot ausdünnen.

fairkehr: Wird der Metrorapid so schnell fertig wie geplant?
Monheim: Das glaube ich kaum, das wäre reine Hexerei. Solche Projekte brauchen sehr viel länger in der Realisierung. Zur Fußball-WM 2006 wird kein Metrorapid fahren, und das ist dann eine Riesenblamage für den Ministerpräsidenten und die Bahn, die vorher riesige Erwartungen geschürt haben.

fairkehr: Ist der Metrorapid noch zu stoppen?
Monheim: Natürlich. Der Ministerpräsident muss nur einmal „Nein“ sagen. Der Münchener Stadtrat hat auch mehrheitlich beschlossen, dass er keinen Transrapid in der Stadt will. Es besteht kein breiter politischer Konsens über den Metrorapid. Wenn sich also an den Mehrheiten im Landtag etwas ändert, bevor die Baustelle eröffnet ist, kann eine neue Mehrheit das Projekt kippen. Und wenn Herrn Eichel das Geld noch knapper als bisher wird, wird er hoffentlich kalte Füße kriegen, weil seine Fachleute ohnehin am Sinn und der Durchhaltbarkeit der Finanzzusage zweifeln.

fairkehr: Wie stehen Fachleute und Öffentlichkeit zu dem Projekt?
Monheim: Die Mehrheit der deutschen Verkehrsfachleute zweifelt heftig am verkehrlichen Sinn des Metrorapid. Ein Bürger­entscheid wäre in einer solchen Situation die sauberste politische Lösung. In der Schweiz müßte ein solches Projekt vors Volk. Und würde total abgeschmettert. Darum haben die ja auch so eine gute Bahn, weil sie das Geld dafür nicht aus dem Fenster schmeißen, sondern mit Sinn und Verstand investieren.

Interview: Jens Tellmann

 


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