Und kommen wir zu einem offenbar oft unterschätzten Gradmesser
der Kultur auf Reisen: Wie werden Fahrgäste abgespeist? Hier
ist ein rapider Kulturverfall zu diagnostizieren. Im Eurostar
musste ich 1997 erstmals Menschen erleben, die in kleinen Papiertäschchen,
denen einer amerikanischen Hamburgerbräterei sehr ähnlich,
schnelles Essen an ihren Platz trugen. Das Verzehren
des Essens wird zur Nahrungsaufnahme degradiert. Es ist eng, einsam
und danach der Platz voll Müll. Schneller Zug schnelles
Essen, das hielt ich schon damals für eine Gleichung, die
nicht aufgeht.
Dennoch, eine Entwicklung, die bedenklich um sich greift. Im IC
gibt es tatsächlich nur noch Bistrowagen, jene lauten, verrauchten
Stehimbisse, wo sich Kegelclubs mit Bier und Schnaps schon mal
warmtrinken.
Ein Affront gegen die guten Tischsitten auch die Papiersets der
Mitropa, die neuerdings die Tische im letzten Speisewagenreservat
ICE bedecken. Die seit Monaten unveränderte Speisekarte legt
spätestens nach der fünften Zugfahrt den Verdacht nahe,
dass hier durch Vergraulen der letzten Unverbesserlichen der Abgesang
auf eine völlig unzeitgemäße Form des Speisens
auf Reisen angestimmt werden soll.
Dass es anders geht, erlebe ich regelmäßig in Eurocitys
aus Österreich und der Schweiz: Der Blattsalat mit Kernöl
und Backhendl oder die gemischte Vorspeisenplatte ein Gedicht.
Serviert wurde das Ganze von freundlichen, kompetenten Kellnern,
die den Beruf noch mit Würde ausüben, auf Stofftischdecken
mit Stoffservietten. Schnelle Bewegung mit der Reisekultur im
Einklang. Slow food im fast train.
Eine glückliche Hand bei Ihrer Urlaubsplanung wünscht
Ihnen
Ihr Michael Adler
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