Dreissig Jahre lang war die württembergische
Schönbuchbahn im Personenverkehr stillgelegt, bis 1996 wieder
die Züge rollten. Moderne Dieseltriebwagen vom Typ Regio-Shuttle
sorgen nun alle halbe Stunde für schnelle Verbindungen von
Dettenhausen nach Böblingen und entlasten die parallele Bundesstraße
vom Autoverkehr.
Doch wie überall in Deutschland, wenn der Bahnverkehr ausgebaut
oder stillgelegte Strecken wiederbelebt werden, hatte auch die
WEG mit erheblichen Widerständen zu kämpfen. Im Schönbuch
traten sofort Anwohner auf den Plan, die sich um ihre Ruhe sorgten.
Mehrere Gerichtstermine waren nötig, um Einwendungen gegen
den Bahnausbau abzuweisen. Am Ende lagen alle gemessenen und hochgerechneten
Lärmwerte im zulässigen Bereich.
Kaum Geld für Lärmsanierung
Bislang muss die Deutsche Bahn AG (DB) nur bei Neubaustrecken
entsprechende Lärmschutzmaßnahmen finanzieren. Seit
1999 haben Bund und Bahn jedoch auch ein Lärmsanierungsprogramm
für Altstrecken aufgelegt. Das Bahn-Umwelt-Zentrum in Berlin
hat dabei die Aufgabe, hoch belastete Strecken aufzuspüren
und Sanierungsabschnitte auszuweisen. Lärmbelastungen werden
dabei nach einem speziellen Rechenverfahren ermittelt. Wo nachts
die Höchstgrenze von 60 Dezibel (dB[A]) überschritten
wird, werden Lärmschutzmaßnahmen geplant. Auch wenn
schließlich das bürokratische Verfahren seinen Lauf
nimmt, kann es doch dauern, bis am Gleis Lärmschutzwände
stehen oder geplagte Anwohner neue Fenster erhalten. Unter anderem
mangelt es der Bahn an Planungskapazitäten.
Straße hat 20 Jahre Vorsprung
Für die Straße existiert ein solches Sanierungsprogramm
bereits seit 20 Jahren, erläutert Dr. Rolf Geßner
vom Bahn-Umwelt-Zentrum. Wir haben gerade erst angefangen.
Zudem reichten die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel
bei weitem nicht aus. Die Kosten für notwendige Lärmschutzmaßnahmen
werden auf rund 2,3 Milliarden Euro geschätzt. Zur Verfügung
stehen derzeit 51 Millionen Euro pro Jahr. Ein Tropfen auf
den heißen Stein, bestätigt Geßner.
Die Experten beim Bahn-Umweltzentrum plädieren daher dafür,
vor allem die Fahrzeuge leiser zu machen, um die Lärmproblematik
in den Griff zu bekommen. Wie beim Automobil entsteht auch bei
Schienenfahrzeugen Lärm hauptsächlich durch die Motoren
sowie durch die Rollgeräusche zwischen Rad und Fahrweg. Das
für Elektrolokomotiven so typische Rauschen kommt hauptsächlich
von der notwendigen Motorenbelüftung.
Maßnahmen zur Schalldämmung von Motoren konzentrieren
sich vor allem auf Dieselfahrzeuge, wie sie auf den Nebenstrecken
des deutschen Gleisnetzes gebräuchlich sind. Bei den neuen
Dieseltriebwagen für den Regionalverkehr gehört es zum
Komfort, dass sowohl im Fahrgastraum als auch nach außen
hin die Motorengeräusche durch entsprechende Schalldämmung
möglichst wenig zu hören sind. Die verwendeten Dieselmotoren
entsprechen generell den strengen Euro-Normen hinsichtlich Abgas-
und Lärmentwicklung.
Lärm an der Quelle stoppen
Da auch im Schienenfahrzeugbau nahezu geräuschlose Scheibenbremsen
heute Standard sind, konzentriert sich die Forschung im Bereich
der Lärmminderung in den letzten Jahren vor allem auf die
Rollgeräusche zwischen Rad und Schiene. Die Hauptlärmquelle
ist stets das rollende Rad, erklärt VCD-Bahnexpertin
Annette Volkens. Und es ergibt durchaus Sinn, den Krach an der
Quelle zu bekämpfen. Durch sogenannte Unrundheiten oder Flachstellen
im Rad entstehen laute Geräusche, Waggons fangen an zu vibrieren.
Durch regelmäßiges Nachschleifen von Rädern und
Schienen könne daher schon viel erreicht werden.
Sorgenkind der Experten ist vor allem der Güterverkehr,
hier ist die Mehrzahl der Waggons immer noch mit altertümlichen
Klotzbremsen ausgestattet. Zwar wird der traditionelle Bremsenbelag
aus Grauguss inzwischen durch einen Kunststoff ersetzt, aber beim
Bremsen quietscht es immer noch sehr laut.
Versuche mit einem sogenannten Low-Noise-Train lieferten vor
einigen Jahren nützliche Erkenntnisse zur Lärmminderung.
Durch eine schallschluckende Ummantelung der Drehgestelle gelang
es etwa, die Geräuschentwicklung eines herkömmlichen
Güterzuges von rund 70 dB(A) um rund 20 dB(A) zu senken.
Allerdings haben sich, nach Aussagen des Experten vom Bahn-Umwelt-Zentrum
Dr. Rolf Geßner, die umständlichen Verkleidungen im
Bahnalltag als nicht praktikabel erwiesen.
Dabei wäre eine Kombination aus Dämmmaßnahmen
direkt am Rad mit niedrigen Lärmschutzwänden von rund
70 Zentimetern Höhe unmittelbar am Gleis der effizienteste
Schalldämpfer, ist Annette Volkens überzeugt.
Von diesen Minischallschutzwänden, die zudem dem Fahrgast
auch noch den Blick in die Landschaft erhalten würden, sei
aber inzwischen auch keine Rede mehr. So seien derzeit die spärlichen
Ressourcen auf die sukzessive Erneuerung des Wagenmaterials und
auf kostspielige Lärmschutzmauern konzentriert.
Und das kann dauern. Bei einer Güterwagenflotte, die derzeit
bei DB-Cargo und den privaten Bahnen zusammen rund 160000 Fahrzeuge
umfasst, ist kaum Besserung in Sicht.
Jährlich werden gerade mal 500 bis 700 neue Waggons
beschafft, beschreibt Geßner die Situation. Zudem
kommen nach wie vor viele Güterwagen aus dem europäischen
Ausland, wo oft weniger strenge Lärmvorschriften herrschen.
Weniger Gewicht, weniger Lärm
Vor allem im Personenverkehr hat inzwischen fast jeder Schienenfahrzeughersteller
moderne Radsysteme entwickelt, damit Kurven sanft und leise durchfahren
werden, ohne die Gleisabnutzung zu erhöhen. Am augenfälligsten
ist der Unterschied im Vorortverkehr der Großstädte
zu erleben, wo neue Doppelstockwagen die alten Bundesbahn-Silberlinge
ersetzen.
Dank der neu entwickelten luftgefederten Drehgestelle rollen
die komfortablen Nahverkehrswagen samtweich über die Gleise.
Dem Fahrkomfort kommt auch die moderne Stahlleichtbauweise mit
selbsttragenden Alukonstruktionen zugute. Nicht nur die neuesten
Doppelstockwagen rollen dank der Gewichtseinsparung von rund fünf
Tonnen im Vergleich zum Vorgängermodell leiser und verschleißärmer
über die Bahngleise. Auch der neue ICE3 für die Neubaustrecke
KölnFrankfurt ist erheblich leichter als der bisherige
ICE.
Je schneller, desto lauter
Dennoch werden an Schnellfahrstrecken auch künftig Lärmschutzwände
unerläßlich sein, da bei Geschwindigkeiten von über
200 km/h allein durch den immensen Luftwiderstand laute Geräusche
entstehen.
Anders im langsameren Nahverkehr. Bei den Regio-Shuttles der
Schönbuchbahn wurden die Motoren nachträglich gedämmt,
wodurch das Außengeräusch merklich abnahm.
Doch die neue Ruhe hielt nicht lange vor. Bei Lärmproblemen
haben objektive Messwerte wenig mit dem subjektiven Empfinden
der Menschen gemein, bedauert ein Sprecher der WEG. Da sich
das menschliche Gehör an das neue Geräusch gewöhne,
werde es bald als genauso störend empfunden. Auch bei deutlich
leiserem Motor wird der alle halbe Stunde vorbeifahrende Dieseltriebwagen
auf dem flachen Land stets deutlicher wahrgenommen werden als
das permanente Dröhnen der parallelen Bundesstraße.
Michael Schwager
|