Lärm vom Gleis

Lärm macht krank. Mit seiner Kampagne gegen Verkehrslärm will der VCD diese Gesundheitsgefahr eindämmen. fairkehr wird im Jahr 2002 Lärm als Dauerthema bearbeiten. Möglichkeiten der „Verkehrsberuhigung“ auf der Schiene ist unser erstes Thema.

Foto: Michael Schwager

Selbst modernste Technik kann nicht verhindern, dass bei Geschwindigkeiten von über 200 km/h Züge Lärm machen.

 

Dreissig Jahre lang war die württembergische Schönbuchbahn im Personenverkehr stillgelegt, bis 1996 wieder die Züge rollten. Moderne Dieseltriebwagen vom Typ „Regio-Shuttle“ sorgen nun alle halbe Stunde für schnelle Verbindungen von Dettenhausen nach Böblingen und entlasten die parallele Bundesstraße vom Autoverkehr.

Doch wie überall in Deutschland, wenn der Bahnverkehr ausgebaut oder stillgelegte Strecken wiederbelebt werden, hatte auch die WEG mit erheblichen Widerständen zu kämpfen. Im Schönbuch traten sofort Anwohner auf den Plan, die sich um ihre Ruhe sorgten. Mehrere Gerichtstermine waren nötig, um Einwendungen gegen den Bahnausbau abzuweisen. Am Ende lagen alle gemessenen und hochgerechneten Lärmwerte im zulässigen Bereich.

Kaum Geld für Lärmsanierung

Bislang muss die Deutsche Bahn AG (DB) nur bei Neubaustrecken entsprechende Lärmschutzmaßnahmen finanzieren. Seit 1999 haben Bund und Bahn jedoch auch ein Lärmsanierungsprogramm für Altstrecken aufgelegt. Das Bahn-Umwelt-Zentrum in Berlin hat dabei die Aufgabe, hoch belastete Strecken aufzuspüren und Sanierungsabschnitte auszuweisen. Lärmbelastungen werden dabei nach einem speziellen Rechenverfahren ermittelt. Wo nachts die Höchstgrenze von 60 Dezibel (dB[A]) überschritten wird, werden Lärmschutzmaßnahmen geplant. Auch wenn schließlich das bürokratische Verfahren seinen Lauf nimmt, kann es doch dauern, bis am Gleis Lärmschutzwände stehen oder geplagte Anwohner neue Fenster erhalten. Unter anderem mangelt es der Bahn an Planungskapazitäten.

Straße hat 20 Jahre Vorsprung

„Für die Straße existiert ein solches Sanierungsprogramm bereits seit 20 Jahren“, erläutert Dr. Rolf Geßner vom Bahn-Umwelt-Zentrum. „Wir haben gerade erst angefangen.“ Zudem reichten die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel bei weitem nicht aus. Die Kosten für notwendige Lärmschutzmaßnahmen werden auf rund 2,3 Milliarden Euro geschätzt. Zur Verfügung stehen derzeit 51 Millionen Euro pro Jahr. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, bestätigt Geßner.

Die Experten beim Bahn-Umweltzentrum plädieren daher dafür, vor allem die Fahrzeuge leiser zu machen, um die Lärmproblematik in den Griff zu bekommen. Wie beim Automobil entsteht auch bei Schienenfahrzeugen Lärm hauptsächlich durch die Motoren sowie durch die Rollgeräusche zwischen Rad und Fahrweg. Das für Elektrolokomotiven so typische Rauschen kommt hauptsächlich von der notwendigen Motorenbelüftung.

Maßnahmen zur Schalldämmung von Motoren konzentrieren sich vor allem auf Dieselfahrzeuge, wie sie auf den Nebenstrecken des deutschen Gleisnetzes gebräuchlich sind. Bei den neuen Dieseltriebwagen für den Regionalverkehr gehört es zum Komfort, dass sowohl im Fahrgastraum als auch nach außen hin die Motorengeräusche durch entsprechende Schalldämmung möglichst wenig zu hören sind. Die verwendeten Dieselmotoren entsprechen generell den strengen Euro-Normen hinsichtlich Abgas- und Lärmentwicklung.

Lärm an der Quelle stoppen

Da auch im Schienenfahrzeugbau nahezu geräuschlose Scheibenbremsen heute Standard sind, konzentriert sich die Forschung im Bereich der Lärmminderung in den letzten Jahren vor allem auf die Rollgeräusche zwischen Rad und Schiene. „Die Hauptlärmquelle ist stets das rollende Rad“, erklärt VCD-Bahnexpertin Annette Volkens. Und es ergibt durchaus Sinn, den Krach an der Quelle zu bekämpfen. Durch sogenannte Unrundheiten oder Flachstellen im Rad entstehen laute Geräusche, Waggons fangen an zu vibrieren. Durch regelmäßiges Nachschleifen von Rädern und Schienen könne daher schon viel erreicht werden.

Sorgenkind der Experten ist vor allem der Güterverkehr, hier ist die Mehrzahl der Waggons immer noch mit altertümlichen Klotzbremsen ausgestattet. Zwar wird der traditionelle Bremsenbelag aus Grauguss inzwischen durch einen Kunststoff ersetzt, aber beim Bremsen quietscht es immer noch sehr laut.

Versuche mit einem sogenannten Low-Noise-Train lieferten vor einigen Jahren nützliche Erkenntnisse zur Lärmminderung. Durch eine schallschluckende Ummantelung der Drehgestelle gelang es etwa, die Geräuschentwicklung eines herkömmlichen Güterzuges von rund 70 dB(A) um rund 20 dB(A) zu senken. Allerdings haben sich, nach Aussagen des Experten vom Bahn-Umwelt-Zentrum Dr. Rolf Geßner, die umständlichen Verkleidungen im Bahnalltag als nicht praktikabel erwiesen.

„Dabei wäre eine Kombination aus Dämmmaßnahmen direkt am Rad mit niedrigen Lärmschutzwänden von rund 70 Zentimetern Höhe unmittelbar am Gleis der effizienteste Schalldämpfer“, ist Annette Volkens überzeugt. Von diesen Minischallschutzwänden, die zudem dem Fahrgast auch noch den Blick in die Landschaft erhalten würden, sei aber inzwischen auch keine Rede mehr. So seien derzeit die spärlichen Ressourcen auf die sukzessive Erneuerung des Wagenmaterials und auf kostspielige Lärmschutzmauern konzentriert.

Und das kann dauern. Bei einer Güterwagenflotte, die derzeit bei DB-Cargo und den privaten Bahnen zusammen rund 160000 Fahrzeuge umfasst, ist kaum Besserung in Sicht.

„Jährlich werden gerade mal 500 bis 700 neue Waggons beschafft“, beschreibt Geßner die Situation. Zudem kommen nach wie vor viele Güterwagen aus dem europäischen Ausland, wo oft weniger strenge Lärmvorschriften herrschen.

Weniger Gewicht, weniger Lärm

Vor allem im Personenverkehr hat inzwischen fast jeder Schienenfahrzeughersteller moderne Radsysteme entwickelt, damit Kurven sanft und leise durchfahren werden, ohne die Gleisabnutzung zu erhöhen. Am augenfälligsten ist der Unterschied im Vorortverkehr der Großstädte zu erleben, wo neue Doppelstockwagen die alten Bundesbahn-Silberlinge ersetzen.

Dank der neu entwickelten luftgefederten Drehgestelle rollen die komfortablen Nahverkehrswagen samtweich über die Gleise. Dem Fahrkomfort kommt auch die moderne Stahlleichtbauweise mit selbsttragenden Alukonstruktionen zugute. Nicht nur die neuesten Doppelstockwagen rollen dank der Gewichtseinsparung von rund fünf Tonnen im Vergleich zum Vorgängermodell leiser und verschleißärmer über die Bahngleise. Auch der neue ICE3 für die Neubaustrecke Köln–Frankfurt ist erheblich leichter als der bisherige ICE.

Je schneller, desto lauter

Dennoch werden an Schnellfahrstrecken auch künftig Lärmschutzwände unerläßlich sein, da bei Geschwindigkeiten von über 200 km/h allein durch den immensen Luftwiderstand laute Geräusche entstehen.

Anders im langsameren Nahverkehr. Bei den Regio-Shuttles der Schönbuchbahn wurden die Motoren nachträglich gedämmt, wodurch das Außengeräusch merklich abnahm.

Doch die neue Ruhe hielt nicht lange vor. „Bei Lärmproblemen haben objektive Messwerte wenig mit dem subjektiven Empfinden der Menschen gemein“, bedauert ein Sprecher der WEG. Da sich das menschliche Gehör an das neue Geräusch gewöhne, werde es bald als genauso störend empfunden. Auch bei deutlich leiserem Motor wird der alle halbe Stunde vorbeifahrende Dieseltriebwagen auf dem flachen Land stets deutlicher wahrgenommen werden als das permanente Dröhnen der parallelen Bundesstraße.

Michael Schwager

 

Information

In Kooperation mit anderen Verbänden hat der VCD die Broschüre „Hinweise zum Schutz gegen Schienenlärm“ herausgegeben. Sie richtet sich an ein Fachpublikum. Die Broschüre stellt den rechtlichen Rahmen von Planungsverfahren sowie Eingriffsmöglichkeiten und Rechte von Betroffenen dar. Zudem werden verschiedene Maßnahmen zur Verringerung des Schienenlärms und deren Wirkung vorgestellt.
Zu beziehen ist die Broschüre gegen 1,53 Euro in Briefmarken unter folgender Adresse: VCD, Stichwort „Schienenlärm“, Eifelstraße 2, Bonn.

 


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