Lärm - (k)ein Thema in Nairobi?

Geographie-Studenten der Universität Trier haben in einem Gemeinschaftsprojekt mit Studenten der Kenyatta University im September 2001 Lärmmessungen im Stadtzentrum von Nairobi durchgeführt. Die Messgeräte dazu hat der VCD zur Verfügung gestellt.

Fotos:(3): Inga Dirks

 

Warum ist Lärm ein Thema in Nairobi? Unsere zweiwöchige Studie sollte diese Frage beantworten. Der tagsüber gemessene Lärmpegel des Autoverkehrs in der Hauptstadt Kenias erreicht mit seinen durchschnittlichen Werten von 80 dB(A) nahezu das Doppelte des Schwellenwertes von rund 70 dB(A), der in Deutschland zwingend lärmmindernde Maßnahmen zur Folge hat. Eine Verdoppelung der empfundenen Lautstärke entspricht einer Erhöhung von 10 dB(A). Hinzu kommt, dass dieser Lärmpegel nicht nur zu Stoßzeiten, wie sie bei uns existieren, auftritt, sondern kontinuierlich anhält.

Zur Gewinnung der Daten haben wir in den ersten Tagen unserer Studie flächendeckende Lärmmessungen in Nairobi durchgeführt. Anschließend wählten wir insgesamt neun repräsentative Messpunkte an den Hauptverkehrsstraßen des Stadtzentrums, der Tom Mboya Street, der Haile Selassi Avenue und Kenyatta Avenue aus. Die Messungen wurden zu festen Zeiten (9–11, 11–13, 14–16 und 16–18 Uhr) durchgeführt. Messungen nach 18 Uhr waren wegen der einbrechenden Dunkelheit aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich. Neben diesen Werten wurden die verschiedenen Lärmquellen notiert, die in der Tabelle aufgeführt sind.

 

 
Lebendiges, aber nicht zu überhörendes Straßenleben in Nairobi: Musik, Matatus und hupende Autos machen Lärm rund um die Uhr.

 

Woher kommt der Lärm?

Den mit Abstand größten Beitrag zum hohen Lärmpegel Nairobis liefert der Autoverkehr, der vor allem aus Privatwagen sowie größeren und kleineren, meist überfüllten Bussen, den sogenannten Matatus, besteht. Eine mangelnde Verkehrsregelung, die zu überhöhten Geschwindigkeiten führt, hebt das Lärmniveau erheblich an. Busse, Matatus und Taxis versuchen zusätzlich, durch lautes, nahezu ständiges Hupen und durch Rufe der Fahrer auf sich aufmerksam zu machen. Einige Matatus sind, um Fahrgäste zu gewinnen, mit dröhnenden Stereoanlagen ausgerüstet. Nicht selten erreicht der Lärmpegel in den Fahrzeugen 100 dB(A) und mehr. Der große Anteil, den der Verkehr zum Lärm der Stadt liefert, wird zusätzlich von zahlreichen Bettlern, Straßenverkäufern oder Musikläden, die ihre Waren anpreisen, unterstützt. Darüberhinaus trägt auch das Predigen verschiedener religiöser Gruppierungen auf vielen Straßen und in den Stadtparks nicht unerheblich zum Lärm bei.

Ein kontinuierlich hoher Lärmpegel sollte nicht nur als allgemeine Störung empfunden werden: Lärm hat gravierende Auswirkungen auf das körperliche, soziale und seelische Wohlbefinden. Die durch Lärm hervorgerufenen Wirkungen reichen von der Beeinträchtigung des Schlafes und Störung der Kommunikation, die bereits bei Werten von <40 dB(A) beginnt, über ein erhöhtes Risiko an Herz- und Kreislauferkrankungen (ab 65 dB[A]), bis zur Schmerzgrenze, die bei 130 dB(A) erreicht ist. Werte von 180 dB(A) können unmittelbar zum Tode führen.

Was ist zu tun?

Das Thema Lärm wird in Nairobi nach wie vor unzureichend diskutiert. Ein entsprechendes Problembewusstsein in Politik und Verwaltung ist nicht vorhanden. Die Medien beginnen sich jedoch für dieses Thema zu interessieren. Während der Zeit unserer Lärmmessungen sendete das kenianische Fernsehen einen kurzen Problembericht über den von den Matatus ausgehenden Lärm, wie überlaute Musik und ständiges Hupen, und forderte ein Verbot. Dies ist ein ermutigendes Zeichen, die Lärmproblematik zu erkennen und Politik und Verwaltung zu veranlassen, hiergegen einzuschreiten.

Auch wenn die Ergebnisse dieser ersten in Nairobi vorgenommenen Lärmmessungen mit dem VCD-Lärmkoffer nicht den Anspruch einer repräsentativen Untersuchung erheben, so zeigen sie dennoch: Es ist höchste Zeit, dem Lärm und den davon ausgehenden gesundheitlichen Schäden in Zukunft eine stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. Hier kommt vor allem den Medien eine herausragende Bedeutung zu. „Public Awareness“-Kampagnen können Politik und Verwaltung dazu veranlassen, für eine drastische Reduzierung des Lärms zu sorgen.

Zur Lärmproblematik kommen noch weitere schwerwiegende vom Autoverkehr ausgehende Faktoren hinzu, die die Lebensqualität in Nairobi erheblich einschränken: Die Luftverunreinigung, die generell unzureichende Verkehrsinfrastruktur – schlechter Zustand der Straßen, kaum gesicherte Überwege für Fußgänger, fehlende oder nicht intakte Ampelschaltungen –, die Missachtung jeglicher Verkehrsregeln sowie die durch eine hohe Korruption gekennzeichnete Verkehrsüberwachung sind maßgeblich hierfür verantwortlich. Die wichtigste Erfahrung und Erkenntnis, die wir durch die Beschäftigung mit dem Thema Lärm in Nairobi gemacht haben, kann in einem knappen Satz ausgedrückt werden: Lärm ist nicht zuletzt ein Indikator für Armut, wie selbstverständlich die übrigen oben angesprochenen Faktoren auch. Vieles bleibt zu tun, damit eine spürbare Verbesserung der Umweltsituation und damit der Lebensqualität der Menschen eintreten kann.


Die Studentinnen und Studenten Inga Dirks, Manuela Henkel, Carsten Jeblick, Kosgey Maswai Kipyego, Paul Kerario Nyamokanga und Edwin Kipgosgey Sang wurden betreut von Dr.Johannes Michael Nebe, Universität Trier, und von Dr. Meleckidzedeck Khayesi und Isaiah Gibson Aduwo, MSc, der Kenyatta University, Nairobi.

 
Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, trägt der in Nairobi stets vorherrschende hohe Lärmpegel nicht nur zur Reduktion der Kommunikation und des allgemeinen Wohlbefindens bei, sondern darüber hinaus zu einem erhöhten Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen sowie irreversiblen Gehörschäden.

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