Kunstwort Telematik
Seit gut zehn Jahren macht ein neues Kunstwort die Runde unter
Verkehrsexperten und -politikern: Telematik. Die Verbindung
von Telekommunikation und Informatik gilt als Hoffnungsträger
zur Lösung einer Reihe von Verkehrsproblemen. Derzeit laufen
in diesem Bereich zahlreiche Forschungsprojekte und Modellversuche
des Bundes und der EU. Elektronische Parkleitsysteme in Städten,
Verkehrsmanagementzentralen, Wechselschilder an Autobahnen, Satellitennavigation
und individuelle Verkehrshinweise sind Elemente dieses neuen Systems,
das mit Hilfe technischer Mittel den Verkehr intelligenter lenken
und verteilen soll.
Mit der Einführung des Mobilfunks der dritten Generation
bis 2005, bekannt geworden durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen,
soll ein ganz neuer Markt für Mehrwertdienste geschaffen
werden. Durch verbesserte Möglichkeiten der Positionsbestimmung
bis hin zur metergenauen Satellitenortung sind auch im Verkehrsbereich
zahlreiche Anwendungen vorstellbar, unter anderem die Navigation
als Fußgänger, Radfahrer oder Kunde von Bus und Bahn
in fremden Städten per Kleincomputer.
Gastronomie, Handel und andere Dienstleister sollen durch sogenannte
Ortsbezogene Dienstleistungen (Location based
services) gezielt interessierte Kunden umwerben können,
denen sie gleich noch eine Wegbeschreibung mit aufs Handy oder
den Organizer schicken können, sei es als Text, Bild oder
Video. Die Suche und Reservierung eines passenden Hotels oder
Spezialitätenrestaurants könnte dann zum Kinderspiel
werden, auch wenn man sich in der Stadt nicht auskennt.
In Autos und Zügen wird ein mobiler Internetzugang in Zukunft
zum Standard gehören. Ob der Straßenverkehr durch Telematik
unterm Strich sicherer und flüssiger wird, bleibt jedoch
sehr fraglich. Wie bei der Handy-Nutzung ist davon auszugehen,
dass sich viele Autofahrer nicht regelkonform verhalten und Zusatzgeräte
auch während der Fahrt bedienen und sich ablenken lassen.
Eine Studie der Prognos AG zu den Umweltwirkungen von Verkehrsinformations-
und -leitsystemen im Straßenverkehr für das Umweltbundesamt
brachte eher ernüchternde Ergebnisse. Die mit Abstand deutlichsten
Umweltentlastungen gehen demnach von Telematiksystemen zur Erhebung
von Straßenbenutzungsgebühren aus, die einen vergleichsweise
starken Eingriff in das Verkehrsgeschehen bedeuten und politisch
in absehbarer Zeit für den Pkw-Verkehr kaum durchsetzbar
sein dürften.
Digitale Tempolimits
Das Gleiche betrifft die automatische Einhaltung von Tempolimits.
Technisch könnten alle Fahrzeuge mit einem Gerät ausgestattet
werden, das von einem Sender die jeweils erlaubte Höchstgeschwindigkeit
mitgeteilt bekommt und das Tempo entsprechend anpasst. Ein gewaltiger
Aufschrei der Autolobby wäre vorprogrammiert. Durch dynamische
Verkehrs- und Reiseinformationen ließen sich nach den Berechnungen
von Prognos immerhin fast vier Prozent der Pkw-Fahrten auf den
öffentlichen Verkehr verlagern, wenn sie rechtzeitig bei
der Reiseplanung zur Verfügung stehen.
Auch automatische Zufahrtsbeschränkungen in Abhängigkeit
von der Straßenbelastung schnitten noch relativ gut ab.
Für dynamische Zielführungssysteme zur Stauumfahrung
konnten keine positiven Umweltwirkungen ermittelt werden. Im besten
Fall erzielten einzelne Autofahrer einen Fahrzeitgewinn. Fazit:
Maßnahmen, die etwas bringen, tun weh, weil sie die automobile
Freiheit einschränken oder an den Geldbeutel gehen. Alles
andere führt vielleicht punktuell zu kleinen Entlastungen,
bringt aber letztlich keinen nennenswerten Nutzen für die
Allgemeinheit.
Deutlich positivere Effekte kann die Telematik bei Bussen und
Bahnen erzielen. Mit Hilfe rechnergestützter Betriebsleitsysteme
sowie einer genauen Ortung von Fahrzeugen und Haltestellen können
Verkehrsunternehmen ihren Kunden zuverlässige Echtzeit-Informationen
zum Fahrplan zur Verfügung stellen. Bei Störungen kann
die Leitstelle so viel schneller und besser disponieren. Anschlüsse
beim Umsteigen auf Bus oder Bahn können bedarfsgerecht hergestellt
und gesichert werden.
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