Verkehr verhindert Verkehr

Familienministerin Christine Bergmann (SPD) hat die Auswirkungen beruflicher Mobilität auf Partnerschaft und Familie untersuchen lassen. Ein wichtiges Ergebnis: Berufspendler bekommen weniger Kinder.

 

Wie leben mobile Menschen? Auf jeden Fall haben sie keine Zeit für solche süßen Babys. Sie bleiben häufig kinderlos oder bekommen erst spät Nachwuchs.
Foto: Joker

 

Was sich jedes bayerische Milchmädchen, dessen Liebster aus beruflichen Gründen nach Hamburg muss, an einer Hand ausrechnen kann, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) jetzt wissenschaftlich bestätigen lassen: Was im Job Vorteile bringt, stört das Familien- und Liebesleben.

Und diesen Störungen setzen sich in Deutschland viele aus. Mindestens jeder sechste Erwerbstätige, der in einer Partnerschaft oder Familie lebt, das hat die Studie ergeben, ist heute bereits beruflich mobil – Tendenz steigend. Das heißt: Er oder sie führt eine Wochenendbeziehung, pendelt täglich mehr als eine Stunde vom Wohnort zum Arbeitsplatz, wohnt regelmäßig längere Zeit an einem anderen Ort oder ganz vom Partner getrennt.

Um zu erfahren, wie Menschen mit dieser Situation umgehen, hat Ministerin Christine Bergmann (SPD) die Studie über „Berufsmobilität und Lebensform“ als Gemeinschaftsarbeit der Universitäten Mainz und Bamberg in Auftrag gegeben und den Wissenschaftlern die Frage gestellt: „Sind berufliche Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie vereinbar?“ Die Ergebnisse der tausend Interviews überraschen nicht. „Oftmals lassen sich die beruflichen Erfordernisse des Pendelns, Reisens und Umziehens nur schwer mit Familie und Partnerschaft vereinbaren“, berichtet die Ministerin aus den Ergebnissen der Untersuchung. 67 Prozent aller mobilen Personen klagen über Belastungen und nennen besonders häufig Zeitmangel, soziale Kontaktverluste und Entfremdung von Partner und Kindern.

 

Männer mobiler als Frauen

Dabei haben die wenigsten Berufstätigen das rastlose Leben freiwillig gewählt. Der berufliche Mobiltätsdruck habe in den letzten Jahren stark zugenommen, und Mobiltät sei inzwischen zu einem Wert an sich geworden, der kaum noch hinterfragt werde, sagen die Autoren der Studie.

Gerade Frauen leiden unter dem Mobilitätsspagat. 42 Prozent der befragten Männer, aber 69 Prozent der befragten Frauen, geben an, dass Mobilität die Gründung einer Familie hemme und der Kinderwunsch deshalb nicht realisiert werde. Sind berufstätige Frauen selbst mobil, bleiben sie fast immer kinderlos. Sind Männer mobil, übernehmen deren Partnerinnen zumeist die Hausarbeit und schlüpfen in die Rolle der alleinerziehenden Mutter, auch wenn sie selbst noch erwerbstätig sind.

Ein weiteres Ergebnis: Unter Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen – hierunter besonders die Männer – nimmt die Zahl der Fern- und Wochenendpendler signifikant zu. Es sind also in der Regel nicht die Milchmädchen, die ihr Fortpflanzungsverhalten den beruflichen Mobilitätserfordernissen unterordnen, sondern die sogenannten gesellschaftlichen Eliten, die sich nicht mehr fortpflanzen: Ärzte, Ingenieure oder Manager. Erstaunlich hingegen, dass die gefahrenen Kilometer der Karriere dienen, nicht aber zu besseren finanziellen Verhältnissen führen, denn nur neun Prozent der Befragten nennen diesen Vorteil.

 

Beruf und Kinder

„Es muss möglich sein, beides zu leben, Beruf und Kinder“, erklärt die Bundesministerin für Familie, denn gerade unter jungen Leuten werde sowohl einem sicheren Arbeitsplatz als auch der Familie ein hoher Stellenwert eingeräumt. Bergmann fordert daher von den Unternehmen flexiblere Arbeitszeiten und -orte sowie Hilfestellung bei der Kinderbetreuung oder der Arbeitsplatzsuche für den nicht mobilen Partner. Denn ein nicht zu unterschätzendes Motiv stellt die Studie auch heraus: Die meisten der mobilen Lebensformen existiert nur, um eine andere Form der Mobilität – nämlich einen Umzug – zu vermeiden.

Uta Linnert

 


„Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie vereinbar?“ Die Studie wird 2002 in der Schriftenreihe des BMFSFJ veröffentlicht.

Kurzfassung im Internet: www.bmfsfj.de

 

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