Was sich jedes bayerische Milchmädchen, dessen Liebster
aus beruflichen Gründen nach Hamburg muss, an einer Hand
ausrechnen kann, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (BMFSFJ) jetzt wissenschaftlich bestätigen
lassen: Was im Job Vorteile bringt, stört das Familien- und
Liebesleben.
Und diesen Störungen setzen sich in Deutschland viele aus.
Mindestens jeder sechste Erwerbstätige, der in einer Partnerschaft
oder Familie lebt, das hat die Studie ergeben, ist heute bereits
beruflich mobil Tendenz steigend. Das heißt: Er oder
sie führt eine Wochenendbeziehung, pendelt täglich mehr
als eine Stunde vom Wohnort zum Arbeitsplatz, wohnt regelmäßig
längere Zeit an einem anderen Ort oder ganz vom Partner getrennt.
Um zu erfahren, wie Menschen mit dieser Situation umgehen, hat
Ministerin Christine Bergmann (SPD) die Studie über Berufsmobilität
und Lebensform als Gemeinschaftsarbeit der Universitäten
Mainz und Bamberg in Auftrag gegeben und den Wissenschaftlern
die Frage gestellt: Sind berufliche Mobilitätserfordernisse
in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie vereinbar?
Die Ergebnisse der tausend Interviews überraschen nicht.
Oftmals lassen sich die beruflichen Erfordernisse des Pendelns,
Reisens und Umziehens nur schwer mit Familie und Partnerschaft
vereinbaren, berichtet die Ministerin aus den Ergebnissen
der Untersuchung. 67 Prozent aller mobilen Personen klagen über
Belastungen und nennen besonders häufig Zeitmangel, soziale
Kontaktverluste und Entfremdung von Partner und Kindern.
Männer mobiler als Frauen
Dabei haben die wenigsten Berufstätigen das rastlose Leben
freiwillig gewählt. Der berufliche Mobiltätsdruck habe
in den letzten Jahren stark zugenommen, und Mobiltät sei
inzwischen zu einem Wert an sich geworden, der kaum noch hinterfragt
werde, sagen die Autoren der Studie.
Gerade Frauen leiden unter dem Mobilitätsspagat. 42 Prozent
der befragten Männer, aber 69 Prozent der befragten Frauen,
geben an, dass Mobilität die Gründung einer Familie
hemme und der Kinderwunsch deshalb nicht realisiert werde. Sind
berufstätige Frauen selbst mobil, bleiben sie fast immer
kinderlos. Sind Männer mobil, übernehmen deren Partnerinnen
zumeist die Hausarbeit und schlüpfen in die Rolle der alleinerziehenden
Mutter, auch wenn sie selbst noch erwerbstätig sind.
Ein weiteres Ergebnis: Unter Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen
hierunter besonders die Männer nimmt die Zahl
der Fern- und Wochenendpendler signifikant zu. Es sind also in
der Regel nicht die Milchmädchen, die ihr Fortpflanzungsverhalten
den beruflichen Mobilitätserfordernissen unterordnen, sondern
die sogenannten gesellschaftlichen Eliten, die sich nicht mehr
fortpflanzen: Ärzte, Ingenieure oder Manager. Erstaunlich
hingegen, dass die gefahrenen Kilometer der Karriere dienen, nicht
aber zu besseren finanziellen Verhältnissen führen,
denn nur neun Prozent der Befragten nennen diesen Vorteil.
Beruf und Kinder
Es muss möglich sein, beides zu leben, Beruf und Kinder,
erklärt die Bundesministerin für Familie, denn gerade
unter jungen Leuten werde sowohl einem sicheren Arbeitsplatz als
auch der Familie ein hoher Stellenwert eingeräumt. Bergmann
fordert daher von den Unternehmen flexiblere Arbeitszeiten und
-orte sowie Hilfestellung bei der Kinderbetreuung oder der Arbeitsplatzsuche
für den nicht mobilen Partner. Denn ein nicht zu unterschätzendes
Motiv stellt die Studie auch heraus: Die meisten der mobilen Lebensformen
existiert nur, um eine andere Form der Mobilität nämlich
einen Umzug zu vermeiden.
Uta Linnert
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