Jung, engagiert und im VCD

Was interessiert junge Menschen am Thema Verkehr? Was bewegt sie, einem verkehrspolitischen Verein wie dem VCD beizutreten? Was sind ihre Gründe, sich persönlich zu engagieren? Stefanie Schneider hat für fairkehr mit vielen jungen VCD-Mitgliedern gesprochen und sie nach ihrer Meinung gefragt.


 

Ich fühle mich im VCD wohl, auch wenn ich das Gefühl habe, dass ich als aktiver Oldtimer-Fan nicht ganz dem entspreche, was man sich unter einem typischen VCD-Mitglied vorstellt. Ich finde, dass dieser Verein sehr schön zeigt, dass eine politisch grüne Orientierung und realistisches Denken in Sachen Verkehr nicht unvereinbar sind.

Axel Beckert, 26 Jahre, Saarbrücken

 

 

 

 

 

„Öffentlicher Verkehr hat mich früher nicht interessiert“, sagt der 22-jährige Dominik. „Ich komme aus einem kleinen Dorf am Niederrhein. Da gab es einen Schulbus, mit dem bin ich morgens in die Schule gefahren und nachmittags wieder nach Hause.“ Mit dem Auto der Familie fuhr die Mutter zum Einkaufen, der Vater fuhr mit dem Rad zur Arbeit. Später wurde ein zweites Auto angeschafft, mit dem der ältere Bruder dann Dominik mit zur Schule nahm.

Dominik Vinbruck, 22 Jahre, Dortmund

Mit Beginn seines Studiums in Dortmund und dem ersten Semesterticket begann sich Dominik für den ÖPNV zu interessieren. „Das erste Jahr habe ich in Mühlheim gewohnt und bin täglich mit der Bahn zur Uni gefahren. Manchmal habe ich mich auch einfach so in die Bahn gesetzt und bin einen Nachmittag lang durch die Gegend gefahren, weil ich mich besonders für den schienengebundenen Verkehr interessiere“, erzählt Dominik von seiner neuentdeckten Leidenschaft. „Mit meinem Semesterticket habe ich ganz neue Erfahrungen gemacht. Vorher wusste ich gar nicht, dass es so was wie ein Netz öffentlicher Verkehrsmittel gibt und wieviel Freiheit einem das Fahren mit Bus und Bahn geben kann.“


Seit seinem Studium der Raumplanung empfindet Dominik den Autoverkehr als störend. In seiner Kindheit hielt er Autofahren für völlig normal, heute fühlt er sich vom Autoverkehr behindert. „In Dortmund macht Radfahren keinen Spaß“, klagt Dominik, „hier ist alles viel zu autofreundlich, überall fehlen Radwege. Wir haben einen Anteil von 6 Prozent Radverkehr am Modalsplit, das ist unter dem bundesdeutschen Durchschnitt.“ Die Fachsprache der Raumplaner hat Dominik sich ganz zu eigen gemacht.

Am liebsten fährt der 22-Jährige mit der Straßenbahn, die für ihn das komfortabelste Verkehrsmittel der Stadt ist: „Es geht schnell, ich komme überall hin und kann während der Fahrt aus dem Fenster schauen. Schrecklich finde ich die Dortmunder Pläne, eine Straßenbahnlinie ausgerechnet in dem schönen Gründerzeitviertel unter die Erde zu legen“, meint Dominik kopfschüttelnd. „Das kostet nur Geld und macht das Straßenbahnfahren viel unattraktiver.“

Seit einem halben Jahr ist Dominik Mitglied im VCD. „Es ist mir wichtig, mich für alle Bereiche der umweltgerechten Mobilität einzusetzen“, sagt der Student überzeugt. Den Führerschein hat Dominik zwar gleich mit 18 gemacht –selbst Auto gefahren ist er aber seit zwei Jahren nicht mehr. „Ich komme sehr gut ohne Auto zurecht. Ich möchte auch nicht, dass meine Eltern extra zum Bahnhof fahren, um mich abzuholen, wenn ich sie auf dem Land besuche.“ Inzwischen kommen Dominiks Eltern auch mit der Bahn, wenn sie ihren Sohn in seiner Wohnung in der Dortmunder Innenstadt besuchen. „Die ewige Parkplatzsuche war ein gutes Argument, auch meine Eltern mal in den Zug zu bekommen“, sagt er verschmitzt.

 

 

Das Thema Verkehr berührt mich insoweit, wie es alle anderen Menschen auch betrifft: Ein wichtiges Alltagproblem mit starken globalen Konsequenzen. Es ist mir wichtig, wenigstens durch meine Mitgliedschaft den VCD zu unterstützen. Eine zielgerechte Kombination aller Verkehrsmittel mit einem Schwerpunkt bei den öffentlichen Verkehrsmitteln ist dringender denn je. Allerdings kann auch ich nicht völlig auf das Auto verzichten.

Falk Lass, 25 Jahre,Dresden

 

 

 

 

 

 

„Verkehr ist das Thema meines Lebens“, sagt Christiane und meint es ernst. Seit sie zehn ist, interessiert sie sich für das Thema Umweltschutz. Mit vierzehn beginnt sie sich mit vollem Engagement für mehr Lebensqualität durch weniger Verkehr einzusetzen. „Eigentlich wünsche ich mir, dass alles wieder so wird wie in meiner praktisch autofreien Kindheit. Unser Haus stand am Ende einer kleinen ruhigen Straße. Da fuhren morgens drei Väter zur Arbeit. Und abends kamen drei Väter wieder zurück. Selbst Kleinkinder konnten da unbeaufsichtigt auf der Straße spielen“, erzählt Christiane.

Christiane Lucas, 26 Jahre, Braunschweig

Nach einem Umzug änderte sich das – und Autos wurden zu der Bedrohung, die sie auch heute noch für Christiane sind: „Autos machen Lärm, stinken, sind gesundheitsschädlich und nehmen Platz weg. Die Straßen zerschneiden meinen Lebensraum so, dass ich mich nicht mehr frei bewegen kann.“ Selbst Auto zu fahren, stand für Christiane nie zur Diskussion: „Als alle in meiner Klasse den Führerschein machten, habe ich mich bewusst dagegen entschieden“, erzählt sie. „Das war nicht einfach. Ein Jahr lang kreisten doch wirklich alle Gespräche darum, wie die Theorie läuft, wieviele Fahrstunden man braucht und wann man das erste Mal fahren kann. Und ich war immer ausgeschlossen.“

Heute studiert die 26-Jährige in einem Doppelstudiengang an der Technischen Universität Wirtschaftsingenieurwesen, mit den Schwerpunkten Marketing, Controlling sowie Verkehrs- und Stadtplanung – und das ausgerechnet in Braunschweig, wo die automobile Übermacht des nahen Wolfsburg nicht zu übersehen ist. „Eigentlich ist jeder Tag in meinem Leben ein Kampf – und für Braunschweig scheint er verloren“, seufzt sie, aber ihr Lächeln entschärft die starken Worte. Mit einer Handbewegung holt sie kleine Zettel aus ihrer Tasche. Parke nicht auf unseren Gehwegen, steht darauf. „Ohne die gehe ich nicht aus dem Haus. Hier kann man sich als Fußgänger oder Radfahrer nicht ungehindert bewegen.“ Wenn Christiane über Verkehr spricht, blitzen ihre Augen im energischen Gesicht.

„Für manche meiner Freunde bin ich eine lebende Provokation. Andere belächeln mich und ziehen mich auf. Aber es gibt auch einige wenige, die bewundern meine Konsequenz“, berichtet Christiane von ihren Erfahrungen. Bei ihren Eltern stößt sie auf Unverständnis: „Jedes Mal, wenn wir uns sehen, versuchen sie mich davon zu überzeugen, dass ich mir meine Zukunft verbaue ohne Führerschein.“

Nach ihrem Studienabschluss im nächsten März will sie weg aus Braunschweig. Zwei große Wünsche hat sie für die Zukunft. Der private: Selbst in einer autofreien Siedlung zu leben, ihr Leben ohne die Belästigung durch Autos führen zu können. Der berufliche: Im Marketing eines ÖPNV-Unternehmens für die Verbesserung der Kundenfreundlichkeit zu arbeiten. Ihr Traumarbeitgeber wäre die Deutsche Bahn AG, für die Christiane beim Bahnfahren schon viele gute Ideen gesammelt hat.

 

Mein Steckenpferd ist der Bahn- und Busverkehr. Dafür hat mehr oder weniger ein (un-)glücklicher Zufall gesorgt: Auf einer Urlaubsfahrt gab die Familienkutsche mit dem Stern ihren Geist auf, so dass wir auf Kosten der Versicherung im Familienabteil mit der Bahn nach Hause fuhren. Endgültig mit dem Bahnvirus infiziert wurde ich auf einer späteren Klassenfahrt.

Christian Hüsing, 24 Jahre, Wallenhorst

 

 

 

 

 

Bisher hat sich mein Engagement für den VCD lediglich auf das Überweisen des Mitgliedsbeitrages und das zugegebenermaßen recht oberflächliche Lesen der fairkehr beschränkt. Vielleicht ist es ein Trost für die Redaktion, dass mein Vater mir jede Ausgabe aus den Händen reißt und sehr interessiert jedes Heft liest. Manchmal habe ich sowieso das Gefühl, dass sich die Frage rund um Mobilität, Umweltschutz und die damit verbundenen Probleme nur älteren Mitmenschen stellt. Die Jüngeren unter uns wissen, dass Mobilität verlangt wird – koste es, was es wolle und sei es noch so umweltschädlich! Ehrlich gesagt, kenne ich auch niemanden in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, der Mitglied in einem „alternativen“ Verkehrsclub wie dem VCD ist.

Nicolas Zoll, 24 Jahre, Frankfurt

Den VCD kennen die meisten in meinem Alter überhaupt nicht oder wissen gar nicht, dass es ihn gibt. Vielleicht ist es ein Widerspruch, wenn ich mich als jemand oute, der neben dem VCD auch noch Mitglied im größten Deutschen Automobilclub ist. Da ich aus einer ländlichen Gegend komme, besitze ich seit drei Jahren ein Auto. Jetzt kann ja jeder sagen, der spinnt doch, wohnt in einer Stadt, in der man Busse und Straßenbahnen relativ günstig nutzen kann, und dann gibt er auch noch Geld für ein Auto aus. Das ist richtig – die Ausgaben sind enorm!

Fazit: Mobilität bedeutet in unserer Gesellschaft alles. Leider sieht die Realität so aus, dass als Alternative zum Auto meist nur die Bahn in Frage kommt und die beschränkt sich immer mehr auf lukrative Hauptverkehrsstrecken. Muss man ein Ziel in ländlichen Gegenden zu erreichen, sollte man sehr viel Zeit (und Proviant) einplanen, damit man nicht in größere Schwierigkeiten kommt. Denke ich an meine Großeltern, die nie im Besitz eines Autos waren, so muss ich feststellen, dass unsere Welt recht kompliziert geworden ist und grenzenlose Mobilität heute einen ganz anderen Stellenwert hat.

Meine Schwester, die nicht das Glück hat in einer Metropole zu wohnen, wo man alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, hat schon sehr schlechte Karten, wenn sie am Abend Freunde besuchen oder in die Disko gehen möchte. Es ist schlicht unmöglich ohne ein Auto irgendwo hinzukommen! Da ich im nächsten Semester ein Praktikum in Frankfurt am Main absolviere, habe ich mich entschlossen, mein Auto abzugeben – an meine Schwester. Sie wird 18 Jahre alt und hat sich schon in einer Fahrschule angemeldet, um den Führerschein auch rechtzeitig am Tage ihres Geburtstages in Händen halten zu können.

 

Natürlich können wir nicht alle wieder auf Pferdekutschen umsteigen – auch wenn das recht romantisch wäre. Ich denke, dass starke Veränderungen nötig sind, um die Menschen vom Auto weg zu bewegen. Denn Auto fahren ist leider auch ein Aspekt der Individualität, und die lässt sich niemand gern nehmen.

Daniela Müller, 23 Jahre, Bärenstein

 

 

 

 

 

Zugfahren hat in meiner Kindheit eine große Rolle gespielt, da wir damals – also meine Eltern und ich – kein Auto hatten. Kaum jemand in der DDR hatte ja ein Auto. Alle Wege wurden selbstverständlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder eben zu Fuß absolviert.

Steffen Eichler, 26 Jahre, Gera

Das erste, was ich mir nach der Währungsunion 1990 mit dem neuen Geld kaufte war ein Fahrrad. Damit ging es bis zum Abitur täglich zur Schule und in den Ferien auf große Fahrt, beispielsweise nach Frankreich. Es ist einfach faszinierend mit eigener Muskelkraft große Distanzen zurücklegen zu können, ohne die Umwelt in irgendeiner Form zu belasten. Für mich war es Freiheit: Mit dem Rad kann ich mich freier und entspannter bewegen als mit jedem anderen Verkehrsmittel. Und trotz – oder gerade wegen – der körperlichen Aktivität kann ich mich dabei erholen.

Nach der Wende wurde ich zunehmend sensibler für die Umweltproblematik, weshalb ich Landespflege studiert habe. Neben Landschaftsarchitektur und Landschaftsbau sind für mich vor allem der Naturschutz und die Landschaftsplanung wichtig. In diesem Studium geht es also um allerhand „Grünes“. Die Problematik Verkehr wird in der Stadtplanung, im Städtebau und in der Verkehrsplanung abgehandelt. Bei allem habe ich immer von meinem Traum einer vernünftigeren Gesellschaft leiten lassen.

Ich bin im VCD und treffe mich regelmäßig mit der Geraer Ortsgruppe. Dabei geht es in erster Linie um Gedanken- und Informationsaustausch. Für konkrete Aktivitäten fehlt uns noch personelle Verstärkung. Im Moment arbeite ich hinter den Kulissen und bin seit Mitte diesen Jahres Autor des Internet-Auftrittes des Landesverbandes Elbe-Saale. Ich bemühe mich also, den VCD nach außen hin ansprechend zu päsentieren und Interessierte über unseren Verband zu informieren. Ähnliches tue ich mit meinem sportlichen Aktivitäten: Seit einem Jahr starte ich für das „VCD running-team“ bei verschiedenen Laufveranstaltungen.

Es ist für mich unverständlich, warum Menschen in A. wohnen und in B. arbeiten, während andere Menschen in B. wohnen und in A. arbeiten. Oder warum selbst innerhalb eines Ortes viele im Süden arbeiten und sich täglich durch die Stadt drängeln, um im Norden der Stadt zu arbeiten …
Doch mittlerweile habe ich ein ähnliches Problem: Ich wohne mit Familie weit weg vom Arbeitsplatz. Als ich in Gera meine Tätigkeit in einem Büro für Freiraum- und Stadtplanung aufnahm, wohnte ich etwa zehn Gehminuten vom Büro entfernt. Nun ist das Büro in einen Vorort gezogen und für mich nicht mehr zu Fuß erreichbar. Da wäre ja noch das Fahrrad! Ja, aber die Strecke ist so lang und vom Gelände her so, dass ich statt 15 mit dem Auto über 45 Minuten mit dem Rad unterwegs bin. Der Bus fährt nur jede Stunde und zudem müsste ich erst mit der Straßenbahn fahren, was am Ende noch länger dauern kann, wenn der Anschluss nicht klappt. Mit einem kleinen Kind, das am Morgen in den Kindergarten möchte, kann man aber nicht minutiös planen.

Trotzdem wir jetzt ein – vernünftiges – 5-Liter-Auto ohne Klimanalage besitzen, habe ich meine Ideale noch nicht begraben. Leider habe ich mich bisher vergesslich bemüht, die Idee des Auto-Teilens in Gera aufleben zu lassen. Auf der Suche nach Kooperationspartnern mussten wir als VCD-Ortsgruppe feststellen, dass wir so ziemlich die Einzigen sind, die so etwas überhaupt wollen.

 

Ich sehe im VCD eine ökologische Alternative zum ADAC und will mit meiner Mitgliedschaft seine Lobbyarbeit unterstützen. Dabei gefällt mir am VCD besonders, dass der Club relativ pragmatisch an das Thema Verkehr herangeht: Das Auto wird nicht verteufelt, sondern gleichberechtigt zu den anderen Verkehrsmitteln gesehen. Ich bin selber begeisterter Mountain-Biker aber könnte auf mein Auto wohl nur schwer verzichten.

Claudius Rafflenbeul-Schaub, 24 Jahre,
Rottach-Egern

 

 

 

 

 

 

 

 

 
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