Die „Sowohl-als-auch”-Jugend

Chefredakteur Michael Adler Michael Adler

Mit 14 Jahren haben Jugendliche heute ein stabiles Maß an politischem Interesse und annähernd die Urteilsfähigkeit von Erwachsenen. Das ist deutlich früher als noch vor 30 Jahren. Wissenschaftler sehen darin einen wesentlichen Grund dafür, dass vor allem Schülerinnen und Schüler die politischen Demonstrationen der letzten Jahre dominierten.

Schon gegen den Golfkrieg 1991 gingen viele auffallend junge Menschen auf die Straße, bei Lichterketten gegen rechte Gewalt konnte man erneut in Fast-Kinder-Gesichter blicken und auch aktuell bei der Trauer um die Opfer des Terroranschlages auf New York dominiert die junge Jugend.

Blickte die von 68er-Kämpfen geprägte Elterngeneration noch mit wohlwollendem Stolz auf ihre Sprösslinge, als es gegen den Aggressor USA und die Rechten ging, geraten jetzt die Maßstäbe ins Rutschen. Ist die Jugend also doch die kritiklose Konsumgeneration, die dem „American way of life” huldigt? Wohl kaum! Was die jugendliche Empörung in öffentliche Aktivität münden lässt, ist heute wie damals der Angriff auf unschuldige und verletzliche Menschen. Das war beim Vietnamkrieg nicht anders. Die neue Qualität des

Terroranschlages liegt darin, dass die. Zivilbevölkerung diesmal nicht als „Kollateralschaden” in einem militärischen Konflikt getroffen wurde, sondern mit voller Absicht. Das macht die eigene Gefährdung deutlich. Davor will sich jeder Mensch schützen, zumal dann, wenn er sein Leben noch vor sich hat. Wer gestern noch gegen die Ausbeutung von Kindern in der so genannten „Dritten Welt” auf die Straße ging, hat kein Problem damit, heute um die unschuldigen Opfer von New York zu trauern.

Die neue Qualität der Jugend liegt überhaupt darin, dass sie sich nicht mehr in Schubladen packen lässt. `68 war man links oder rechts, 78 war man Punk, Öko oder Popper. Heute „lebt die Jugend”, so das Ergebnis der Shell Jugendstudie 2000, „ein Sowohl-als-auch und nicht, wie es frühere Werterziehungskonzepte implizierten, ein Entweder-oder.”

Dabei endet die Jugend keineswegs im beliebig egoistischen „Hauptsache ich bin reich und gesund”. Vielmehr zeigen alle Studien: Jugendliche engagieren sich für eine saubere Umwelt, für Frieden, für persönliche Freiheit und Gerechtigkeit. Und, auch das zeigen alle Studien: Jugendliche lassen sich von Großorganisationen kaum vereinnahmen und schon gar nicht auf Lebenszeit.

Die gezielte Suche nach Jugendlichen im VCD für unsere Titelgeschichte (ab Seite 14) endete schließlich . doch bei den 22 bis 26Jährigen. Die jungen Jugendlichen fehlen. Offenbar mangelt es an zugkräftigen Angeboten für Schülerinnen und Schüler. Die hier porträtierten Jugendlichen zeigen sich trotz fortgeschrittenen Alters dennoch von ihrer sympathischen „Sowohl-als-auch”-Seite. Von dieser Sorte junger Mitglieder braucht der VCD eindeutig noch jede Menge mehr.


Helfen Sie bei der Suche!

Ihr Michael Adler

 
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