Neue Preise bei der Bahn

Unzählige Briefe erreichten den VCD nach Erscheinen der letzten fairkehr-Ausgabe. Das Thema „Bahnpreise“ und die Position des VCD dazu hatte viele Leserinnen und Leser bewegt, ihre Meinung niederzuschreiben. Um der Vielzahl der Briefe gerecht zu werden und zu zeigen, dass uns eine Debatte über das Thema wichtig ist, hat sich die Redaktion entschieden, die Leserbriefseiten dieses Heftes allein dem Thema „Bahnpreise“ zu widmen.

 

 

Unter VCD-Mitgliedern und fairkehr-Lesern heiß diskutiert: Das für 2002 geplante neue Preissystem der Bahn. Kritik üben Leserinnen und Leser vor allem an der Abschaffung des 50 Prozent-Rabatts auf die BahnCard und an den nur langfristig nutzbaren, unflexiblen Sonderangeboten.

 


Es ist unglaublich, wie schlapp sich der VCD für den Erhalt der 50%-BahnCard einsetzt. Dabei ist deren Abschaffung die größte Dummheit des Bahnvorstandes seit Jahren. Zur Erläuterung stellen Sie sich bitte für einen Moment vor, ab Mitte 2002 würde auf allen deutschen Autobahnen und Straßen ein Road-Pricing eingeführt. Damit die Straßen gleichmäßiger ausgelastet werden, soll das Autofahren im Normalfall um 50% teurer werden, außer man fährt zu verkehrsarmen Zeiten und meldet die Fahrt mit genauer Uhrzeit mindestens 7 Tage vorher bei der Straßenverkehrsbehörde an. Und selbst das geht nur, solange noch Niedrigtarif-Kontingente frei sind. Der Aufstand der Autofahrer nähme in diesem Fall den Charakter eines Bürgerkrieges an. Eine Regierung, die zu einer solchen Politik stünde, wäre binnen kürzester Zeit gestürzt. Der Bahnvorstand scheint zu glauben, dass die Stammkunden der DB im Gegensatz zu Deutschlands Autofahrern alles mit sich machen lassen.

Dr. Detlef Hennings, Köln

 

Michael Adlers Artikel zum neuen Tarifsystem ist sehr gut, bekommt aber im Heft nicht die angemessene Gewichtung und behandelt das Thema BahnCard zu kurz.
Die Anhänger der alten BahnCard sind die Verlierer. Ist dieser Kreis klein, was hätte dann die DB bei einer Beibehaltung der alten BahnCard als zusätzlicher Variante zu befürchten? Ist er groß, warum will dann die DB so viele treue Kunden verprellen?
Vorschlag: Zusätzlich den 50%-Rabatt weiter anbieten, gegen eine entsprechende Grundgebühr, vielleicht unter dem Namen BahnCard 50 oder BCC = BahnCardClassic. So wäre für etwa 90 Euro Aufpreis das hohe Gut der Flexibilität weiterhin erhältlich.

Bernhard Holzschuh, Schwäb. Gmünd

 

Mir scheint, einer der nächstliegenden Stolpersteine des neuen Tarifsystems ist bisher noch gar nicht (öffentlich bemerkbar) aufgegriffen worden: Das ganze System der zugbezogenen Fahrkarte geht von 100% Pünktlichkeit aus. Dies wird – ohne dass dies der Bahn besonders anzulasten wäre – aber nie zu erreichen sein. Selbstmörder wird es selbst bei bester Technik und Wartung des rollenden und festen Materials immer wieder genauso geben wie medizinische Notfälle im Zug etc. Bisher ist die Bahn ja nicht einmal in der Lage, eine „Freigabe“ („Reisende können daher heute den IC ... bis Köln Hbf zuschlagfrei benutzen“) so zu schalten, dass es nicht nur der Kunde, der zufällig richtig zum Lautsprecher steht, erfährt, sondern vielleicht auch noch der Zugchef und die Zugbegleiter.

Dr. Christian E. Naundorf, Bonn

 

Ein wenig überrascht war ich schon, als ich die Aussage las: „… auch und gerade als klar wurde, dass der 50% Rabatt der BahnCard nicht zu halten war.“ (Petra Niß zur VCD-„Strategie“) Bei einer solchen Kapitulation vor den Interessen des Bahnvorstandes von Strategie zu sprechen, dürfte ein wenig gewagt sein. Was den VCD bewegt, sein eigenes Kind, die BahnCard praktisch aufzugeben – und um nichts anderes handelt es sich hier – ist schon ein dicker Hund.

Michael Aggelidis, per e-mail

 

Was mir fehlt, ist eine wirkliche Bahntarifreform. Speziell in den ländlichen Regionen bedeutet Nutzung der Bahn häufig nicht nur Nahverkehrszüge mit entsprechend geringen Grundgeschwindigkeiten, sondern auch das Inkaufnehmen oft sehr, sehr großer Umwege. Eine echte Verbesserung wäre die Abrechung auf Basis „Luftlinie“. Über geografische Informationssysteme (GIS) müßte eine Umsetzung machbar sein.

Armin Meyercordt, Dörentrup

 

Die positive Reaktion von fairkehr auf die neuen Bahntarife kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe mich unglaublich über die neuen Preise für BahnCard-Inhaber geärgert, weil die Bahn damit genau die Zielgruppe melkt, auf die sie sich am meisten verlassen kann: die beruflichen und privaten Vielfahrer. Ich fahre im Jahr zwischen 20000 und 40000 Kilometer mit der Bahn, und das sind keine Reisen, die ich wie eine Urlaubsreise Wochen im Voraus frühbuchen kann. Und deshalb fahre ich mit der Bahn: Weil sie jede Stunde vorbeikommt und mit der BahnCard auch einen anständigen Preis nimmt. Diese Rechnung wird mit den neuen Preisen ganz anders aussehen.

Dr. Thomas Mergel, Köln

 

Als langjähriger BahnCard-Bahnbenutzer sehe ich mehr Nachteile als eine gesteigerte Attraktivität der Bahn. Hauptproblem ist die Zeitplanung. Bei fixen Terminen, zum Beispiel Geburtstagen, mehrwöchige Ferien, die langfristig geplant sind, über längere Strecken bzw. Entfernungen, ist die Frühbuchung kein Problem. Aber bei den spontanen, zum Beispiel wetter- und stoßzeitabhängigen Fahrtentscheidungen und Zugbenutzungen, was eben die Bahn bisher auszeichnete, wird der Kunde bestraft.

Lothar Chutsch, Hannover

 

Mir graust vor den neuen Bahnpreisen! Und mich überrascht, dass der VCD wie auch andere Umweltverbände nicht stärker protestiert. Dass es insgesamt einfacher und billiger wird, glaube ich nicht. Gut, dass Familien preisgünstiger fahren werden, ist wichtig und war längst überfällig. Aber warum werden die vielen Einzelreisenden mit höheren Preisen bestraft? Allein die geplante Entwertung der BahnCard sollte einen Aufschrei der Entrüstung hervorrufen. Was mich besonders aufregt, ist das Reservierungssystem: Eine Zwangsjacke, die einen großen Vorteil der Bahn, eben die Möglichkeit spontan einen Zug zu wählen, zunichte macht, bzw. mit hohen Preisen bestraft und außerdem Zeit kostet.

Gisela Bruss, Hamburg

 

Als die Deutsche Bahn AG Anfang Juni ihr neues Preissystem vorstellte und verschwieg, dass es nur bei Wochenendbindung 40Prozent Ermäßigung bei Sonderpreis 3 gibt, da gab es am folgenden Tag Medienschelte. Da ist es schon ein Kunststück, dass der VCD verschweigt, dass es den Sonderpreis 2 mit der Ermäßigung von 25 Prozent nur bei gleichzeitiger Buchung von Hinfahrt und Rückfahrt gibt. Und der Artikel verschweigt auch, dass beim Sonderpreis 3 mit der Ermäßigung von 40 Prozent zwei wesentliche Bedingungen eingehalten werden müssen: gleichzeitige Buchung von Hin- und Rückfahrt und zwischen Hin- und Rückreise muss ein Wochenende liegen. Und wie Sie richtig ausführen: die Sonderangebote sind kontingentiert. Nach Aussage einer DB-Projektmanagerin sind die Sonderangebote je nach Fahrtzeit und Ziel auf 10 bis 100 Prozent begrenzt. Da bleiben zwischen Berlin und Hannover am Sonntagabend wohl nur 10 Prozent der Fahrkarten als Sonderangebote. Vorteile für Fernfahrer auf Hauptstrecken?

Norbert Wagner, Wesel

 

In der fairkehr 4/2001 weist Ihr im Artikel „Der bessere Bahntarif?“ darauf hin, dass die hauptsächlichen Verlierer des neuen Tarifsystems der Bahn die Teilzeit-Pendler im Nahverkehr sind. Bitte berücksichtigt doch bei Eurer weiteren Bewertung und Kritik des neuen Bahntarifkonzeptes, dass diese Pendler – wie vom VCD erst kürzlich kritisiert – „satte“ Entfernungspauschalen einstreichen, die die Preissteigerungen ausgleichen.

Doris Neuschaefer, Kiel

 

 
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