Kant und Kampfhunde

Chefredakteur Michael Adler Michael Adler

Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne." Das "Grundgesetz der praktischen Vernunft" von Immanuel Kant will keine höhere Moral beschreiben, sondern das Prinzip erläutern, nach dem der handelnde Mensch sich vernünftigerweise verhält. So ist der Mensch aber meistens nicht.

Nehmen wir das Halten von aggressiven Kampfhunden. Als allgemeingültige Verhaltensweise wird es kaum Anerkennung finden. Die große Mehrheit der Bevölkerung empfindet die Nähe eines derart kiefergeprägten Tieres als Bedrohung. Neuerdings, nach furchtbaren Zwischenfällen erst, mündet dieses vernünftige Interesse der Mehrheit auch in politisches Handeln.

Ähnlich verhält es sich mit den Rasern auf Deutschlands Straßen. Hier stößt das individuelle "Schnellfahren-Wollen" an praktische Grenzen. Man stelle sich vor, alle wollten rasen. Tempolimits sind das Mittel der Wahl, um ein allgemeinverträgliches Miteinander auf den Straßen zu organisieren.

Dennoch folgt in dieser Frage die Politik nicht der praktischen Vernunft, trotz Zigtausender furchtbarer Unfälle.

Ein Beispiel: Die Verkehrsminister der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz, beide FDP, nehmen Tempolimits auf Autobahnen zurück. Nur wenn die Unfallzahlen dadurch "erheblich" zunähmen, will Hessens Verkehrsminister Dieter Posch, diese Befreiung der Raser wieder rückgängig machen.

In beiden Fällen schützt der Staat das unvernünftige Wollen der Minderheit vor der berechtigten Besorgnis der Mehrheit. Zur Begründung zitierte Posch ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes, wonach Tempobeschränkungen aus Lärmschutzgründen nur dann zulässig seien, wenn der Lärm um mindestens drei Dezibel reduziert wird. Geschieht dies nicht, möglicherweise durch Nichteinhalten der Tempobeschränkung, darf's auch wieder lauter werden. War ja nur ein Versuch.

Auch für Tempolimits aus Sicherheitsgründen baute das Gericht ein hohes Hindernis. Der betroffene Streckenabschnitt müsse eine signifikant höhere Unfallrate aufweisen als vergleichbare Strecken.

Vorbeugung Fehlanzeige! Reichen die fast 27000 Toten und Verletzten auf Deutschlands Autobahnen im Jahr 1999 noch nicht aus, um Gegenmaßnahmen zu begründen?

Ja, ich rufe nach dem Staat. Wo ist dieser Staat, wenn mir ein aufgebrachter BMW-Fahrer mit Lichthupe bei Tempolimit 120 in die Stoßstange beißt? Wo ist dieser Staat, wenn ein Bürger in einem Jeep mit Rinderbügel die Tempo 30 Zone zu seinem Nahkampfgebiet erklärt? Hier ist mir das Hoffen auf die Vernunft des Individuums schlicht zu riskant. Der Mehrheit der deutschen Bevölkerung geht es genauso. Jeweils rund 60 Prozent der Deutschen befürworten nach der neuesten Umfrage des Bundesumweltministeriums Tempolimits auf Autobahnen und die flächendeckende Einführung von Tempo 30.

Und den hessischen Richtern sei es doch mit Kant gesagt: "Das Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit vereinigt werden kann."

Michael Adler

 
 
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