Nur nicht die Wut verlieren

Chefredakteur Michael Adler Michael Adler

Explodieren Sie auch manchmal? Vor Wut, meine ich? Es gibt Menschen, die sehen Wut nur als emotionalen Affekt, der rationales Handeln ausschaltet. Das muss nicht so sein. Ich mag meine Wut! Wut stößt an, Wut aktiviert, reisst aus der Lethargie des Alltags. Wut ist, so gesehen, ein sehr kreativer Zustand. Sie packt mich immer dann besonders, wenn ich mit nachweislich falschen Thesen des "Stammtisches" konfrontiert werde.

"Tempo 30 ist doch wie Stehen" ist so eine These. "Wer den Stau beseitigen will, muss mehr Straßen bauen", ist eine andere. Es mag Zufall sein, vielleicht hat es auch Methode: Ein ganz bestimmter Automobilclub mit Sitz in München schafft es häufig, mich zu echauffieren. Letzter Höhepunkt dieser emotionalen Beziehung zum ADAC war dessen Pamphlet "Jetzt reicht's". In zweistelliger Millionenauflage verbreitet der "Freie Fahrt für freie Bürger"-Club gleich dutzendweise wutmachende Parolen.

"Nirgends werden Autofahrer so geschröpft wie in Deutschland" titelt der ADAC in Bild-Manier. Zum Beleg wird hemmungslos mit Zahlen jongliert, werden Bezüge verschleiert, durch Weglassen von Informationen Tatsachen verfälscht. Ein Vergleich allein der aktuellen Spritpreise in Europa belegt die Unhaltbarkeit der These.

"Wer Wachstum will, muss Straßen bauen", lautet eine weitere Parole aus dem Kanon unumstößlicher Weisheiten der Betonlobby.

Argumentiert wird mit dem Kölner Professor Baum: "Für jede Mark, die in den dritten Fahrstreifen (...) investiert wird, entsteht der Volkswirtschaft vier- bis fünffacher Nutzen". Von den volkswirtschaftlichen Kosten, die der Autoverkehr durch Umweltschäden, Lärm und Unfälle verursacht - kein Wort.

Da der ADAC offenbar seine Zuständigkeit auf alles bezieht, was sich motorisiert auf der Straße bewegt, ergreift er auch die Partei des Lkw-Verkehrs. "Die Schiene kann die Straße nicht ersetzen" und "Lkws halten unser tägliches Leben in Schwung", behauptet der Autoclub und schürt weiter die Illusion, der Staat könne der wachsenden Lkw-Flut vorausbetonieren.

"Schließt die Bahn, verschenkt den Sprit und teert die Republik", so das politische Programm des ADAC in Kurzform. Verkehrspolitik nach diesem simplen Strickmuster endet unweigerlich in der Sackgasse.

Der VCD plädiert für verbrauchs- und lärmarme Autos, für eine Lkw-Gebühr, die schrittweise die Kosten des Schwerverkehrs widerspiegelt, für einen fairen Wettbewerb zwischen Schiene und Straße. Kurz: Der VCD steht für eine intelligente, neue Verkehrspolitik, bei der Fußgänger, Radfahrer, ÖV-Nutzer und Autofahrer zu ihrem Recht kommen.

Wie steht's um ihre Wut? Lassen Sie die Parolen des ADAC kalt? Schade, dann gehen Sie meinetwegen zur Tagesordnung über. Nein, Sie schäumen noch? Gut so, dann übersetzen Sie ihre emotionale Befindlichkeit in rationales Handeln. Werben Sie ein neues VCD-Mitglied!

Sonnige Ostern und hin und wieder einen kleinen Wutanfall wünscht Ihnen Ihr

Michael Adler

 
 
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