Porträt: Teenager unterwegs in Köln
Den Netzplan im Kopf
Tiziano ist in Köln viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs – nicht selten kommen am Tag zwei Stunden im Bus, in der U- oder Straßenbahn zusammen.
Die Türen geben den Ausstieg Frei. Eine Ebene über uns hört man auf dem Anschlussgleis eine U-Bahn einfahren. Tiziano sprintet die Treppe rauf, denn die Zeit zum Umsteigen ist immer knapp. Oben angekommen, bleibt er abrupt stehen: Es ist nicht die Linie 5. Die komme sehr unzuverlässig, sagt Tiziano. Oft warte er 15 Minuten und länger.
Wir begleiten heute den 16-Jährigen durch seine Heimatstadt Köln. Tiziano ist auf dem Weg zum Basketballtraining. Das findet drei- bis viermal wöchentlich statt, in diversen Sporthallen und unterschiedlichen Stadtteilen Kölns. Fahrtzeiten von 30 bis 40 Minuten sind keine Seltenheit, obwohl der Schüler im Zentrum der Domstadt wohnt.
Tizianos Tag hat bereits früh begonnen. Seit diesem Schuljahr besucht er die Oberstufe eines Gymnasiums am westlichen Stadtrand. Für den Weg mit S-Bahn und Bus benötigt er zwischen 20 und 40 Minuten, je nachdem, ob die Anschlüsse klappen – oder eben nicht.
Die alte Schule lag fußläufig im Veedel, wie man in Köln die Stadtviertel nennt. Aber seine Klassenkameraden kamen aus allen Einzugsgebieten der Stadt und sogar von auswärts. Manche Schüler*innen nehmen einen Weg von einer Stunde auf sich – einfache Fahrt.
Um Freunde in der Freizeit zu treffen, hat sich Tiziano früh daran gewöhnt, allein mit der Bahn unterwegs zu sein. Inzwischen hat er die Streckenpläne im Kopf und findet schnell Alternativen, wenn eine Verbindung ausfällt. Oft helfen Echtzeitangaben bei Google Maps oder die App der DB. Manchmal nutzt Tiziano dann auch einen der Elektroroller. Das sei praktisch, aber auch nicht günstig. Allzu oft könne man das nicht machen.
Fast alle seine Freund*innen verfügen über einen guten Orientierungssinn. Auf der Klassenfahrt nach Berlin hatten die Schüler*innen viele Freiheiten und durften sich ohne Aufsicht in der Hauptstadt bewegen, erzählt Tiziano. „Unsere Lehrer wussten, dass wir im Stadtverkehr und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut klarkommen.“
Verspätungen nerven
Inzwischen ist die Linie 5 eingefahren. In der Bahn trifft Tiziano auf Teamkollegen Tobias. Sie sitzen sich gegenüber, tief in die Sitze gesunken, jeder mit einem In-Ear im Ohr. Nur einen, damit sie sich noch unterhalten können. Mit eingestiegen ist ein Obdachloser, der durch die Bahn geht und um Geld bittet. Den Jugendlichen schräg gegenüber sitzt ein Mann, der vor sich hin murmelt und den Oberkörper schaukelt. Früher hätten ihn solche Begegnungen verunsichert, erzählt Tiziano später. Mittlerweile kann er solche Situationen besser einschätzen. Heute nerven ihn mehr die Verspätungen und der Schmutz in den Bahnen.
Kann er sich vorstellen, wie es wäre, auf dem Land zu leben? „Dann hätten wir wahrscheinlich ein Auto“, meint Tiziano. Wenige Schritte von seinem Zuhause befinden sich S- und U-Bahn-Stationen sowie ein DB-Bahnhof. Was es dagegen kaum gibt, sind Parkplätze. Auch deswegen verzichtet Tizianos Familie auf ein eigenes Auto.
Ab diesem Herbst gibt es in NRW das Deutschland-Ticket auch als Schülerticket zu einem vergünstigten Preis. Tiziano hofft, dass seine Schule sich für dieses Vertragsmodell entscheidet, denn sein Bewegungsradius wächst und das Deutschland-Ticket würde er gerne für weitere Fahrten, zum Beispiel ins Ruhrgebiet, nutzen.
Gegen 22 Uhr, nach dem Basketballtraining, tritt Tiziano den Heimweg an. Am Ende wird er gut zweieinhalb Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen sein. Ein ganz normaler Tag.
Kristina Kühne