fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Porträt: Vater und Baby

Am besten in der Trage

Die Straßen und Bahnhöfe in Köln sind nicht für Eltern gemacht, die sich mit Baby im Kinderwagen durch die Stadt bewegen wollen.

Vater mit Sohn in der Babytrage.
Judith KühneLevi, 6 Monate, geht gerne mit Papa spazieren.

Vor sechs Monaten bin ich Vater geworden. Als ich die ersten Male mit Söhnchen Levi im Kinderwagen in Köln unterwegs war, bemerkte ich viele kleine Hindernisse, die mir vorher nie aufgefallen waren. Die Straßen sind oft komplett zugeparkt. Wenn man die Straßenseite mit dem Kinderwagen wechseln möchte, kommt man kaum zwischen den abgestellten Autos hindurch. Als ich einmal den Kinderwagen in eine enge Lücke zwischen zwei großen Pkw hineingeschoben hatte, musste ich feststellen, dass ich den Verkehr – hinter dem Kinderwagen stehend – gar nicht sehen konnte. Es war unmöglich abzuschätzen, wann ich die Fahrbahn sicher überqueren kann. Da half nur ein Umweg zur nächsten Fußgängerampel, den ich ohne Kinderwagen nicht gemacht hätte.

Die Bürgersteige sind nur an wenigen Stellen abgesenkt. Das lässt mir beim Überqueren der Straßen zwei Optionen: Entweder nehme ich während meiner Ausflüge viele kleine Umwege in Kauf oder ich muss den Kinderwagen häufig erst vorn und dann hinten anheben, um ihn über die Bordsteinkanten zu hieven. Wenn Levi schläft, muss ich dabei vorsichtig sein, um ihn nicht aufzuwecken.

Barrierebahnhof Köln Messe/Deutz

Die meisten Haltestellen der Straßenbahnen an meinen Wegen durch die Stadt sind kinderwagentauglich. Das gilt für die DB-Bahnhöfe allerdings nicht. Auf dem Rückweg von der Arbeit steige ich am Bahnhof Köln Messe/Deutz um. Will man dort von einem der überirdischen Bahnsteige zur unterirdischen Straßenbahnstation gelangen, muss man zwei steile Treppen überwinden. Oben am Bahnsteig sprach mich neulich ein Vater mit einem Kleinkind im Kinderwagen an. Er bat mich anzupacken und ich half ihm, den Buggy hinunterzutragen. Allein die erste Treppe hat satte 60 Stufen. Als wir unten ankamen, schob der Mann sein Kind eine lange Rampe hinunter. Dann folgte eine weitere Treppe mit über 30 Stufen, bevor wir an der Straßenbahnhaltestelle ankamen. Selbst für uns sportliche Männer war der Weg nach unten mit Kind und Kinderwagen anstrengend.

Aufzüge zwischen den überirdischen Bahnsteigen und der Straßenbahnhaltestelle oder dem Bahnhofsgebäude, von dem die Fernzüge abfahren? Fehlanzeige! Wer hier mit Kinderwagen keine Hilfe bekommt, ist gezwungen, mit dem Zug zum Hauptbahnhof auf der anderen Rheinseite zu fahren, um von dort aus an sein Ziel zu gelangen. Überall dort, wo Bahnhöfe wie Köln Messe/Deutz aussehen, ist die Bahn für Eltern mit Kinderwagen oder Menschen mit einer Behinderung keine Alternative zum Auto.

Wenn ich mit Levi unterwegs bin, überlege ich mir genau, welche Wege ich mit Kinderwagen und öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen kann und wann ich es lieber bleiben lasse. Der kleine Mann ist erst sechs Monate alt und daher zum Glück noch nicht sonderlich groß und schwer. Für mich ist es daher das Einfachste, ihn in die Babytrage zu stecken und mir vor den Bauch zu schnallen. Er mag die Nähe und schläft meistens ein. Mit Levi in der Trage kann ich Hindernisse leichter überwinden.

Meine Lösung ist aber kein Patentrezept für andere Eltern. Manche Kinder mögen die Enge der Babytrage nicht, und gerade vielen Müttern werden ihre Kinder relativ schnell zu schwer zum Tragen. Und auch ich kann nicht sagen, wie viele Monate die Trage für uns noch funktioniert. Ich wünsche mir barrierefreie Infrastruktur: abgesenkte Bürgersteige, Straßen, die nicht so zugeparkt sind, und vor allem Bahnhöfe mit funktionierenden Aufzügen. Dann würden meine Frau und ich die Bahn auch für Ausflüge mit Kind nutzen.

Benjamin Kühne 

fairkehr 4/2023