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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Kolumne 4/2023

Sommer, Salto, Seilbahn

Kolumnist Martin Unfried schreibt über schlechte Laune, die in diesem Sommer allerorts reichlich vorhanden war.

Wattewolken am Himmel über dem Meer. Am Strand fahren einige Radfahrer
Christian OeserDas Glück liegt auf dem Radweg, probieren Sie es aus!

Viel schlechte Laune. Das fiel mir auf im Sommer in Deutschland. Viele Leute sind anscheinend ganz schön schlecht drauf, irgendwie angefressen, nervös, und einige sagten zu mir, alles gehe den Bach runter. Das Land am Ende. Die Regierung unfähig. Die Wirtschaft vor dem Abgrund. Alle wollen AfD wählen. Die Zeitungen alarmiert. Das ist im europäischen Vergleich ganz besonders interessant, da nicht mal das Wetter in diesem Sommer besonders katastrophal war. Es gab keine großen Überschwemmungen und auch keine tödliche Hitze. Und die Leute bekommen immer noch von der „unfähigen“ Regierung Strom und Gas subventioniert. Das Kindergeld ist doppelt so hoch wie in den Niederlanden. Und für 49 Euro kann man einen Monat rumfahren. Auch das gibt es bei uns in den Niederlanden nicht. Da ist das Bahnfahren sackteuer.

Ein besonders interessantes Leitmotiv, das ich mehrmals hörte: „Nur die Deutschen sind so blöd!“ Das hat mich dann doch irritiert. Erklärung: Mit den Heizungen, der Zerstörung der Autoindustrie, der Inflation, dem Gendern und den Kosten, die uns über den Kopf wachsen. Nur die Deutschen: so blöd. Mir scheint, ein paar Jahre im Ausland würde manchen Deutschen ganz guttun. Tatsächlich gibt es in Deutschland Leute, die zu wenig verdienen und kaum über die Runden kommen. Aber die Klagenden, die ich sprach, nagten gar nicht am Hungertuch. Dieses Phänomen wurde von Bekannten bestätigt. Nachbarn mit schicken Autos und reichlich Wohn­eigentum seien plötzlich sowas von anti, irgendwie aggressiv. Jeder bedrohte Parkplatz sei Anlass zur Massenhysterie.

In der Zeitung las ich, dass Psychologen von einer Art posttraumatischer Belastungsstörung sprechen. Wegen Corona, Krieg, Strompreisen, des frühen Ausscheidens bei verschiedenen Fußball-Weltmeisterschaften und der Ankündigung des Baus einer Fahrradstraße. Ich glaube, an diesem Posttrauma ist was dran. Ich habe die Verzweiflung in den Augen gesehen: „Das Ende des Verbrenners? Wie soll das gehen!“ Oder das Fahren auf einer niederländischen Autobahn mit Tempo 100 km/h: Allein schon der Gedanke, so was könnten die grünen Ideologen auch in Deutschland diktieren. Dann erleben viele Menschen Gefühle wie Angst und Schutzlosigkeit und subjektiv den Mangel an Bewältigungsmöglichkeiten.

Dagegen hilft nur eine andere Erzählung. „Always look on the bright side of life“, um mit Monty Python zu sprechen. Deshalb hier die Geschichte vom Glück im Unglück. Ich fuhr in Bezau bei Bizau mit einer österreichischen Kabinenbahn auf den Berg. Ein Gutschein, den ich vor acht Jahren von der Voralberger Regierung für eine fairkehr-Kolumne bekommen hatte, wurde völlig unerwartet noch akzeptiert! Wahnsinn: Ich verspeiste gratis einen Apfelstrudel. Dann fuhr ich auf der anderen Bergseite mit einem Sessellift hinunter. Kurz nachdem ich wieder Boden unter den Füßen hatte, trat ein technischer Defekt auf und ein Mann stürzte zu Tode. Ich glücklicherweise unversehrt. Ein paar Tage später radelte ich mit meiner Geliebten durch die Berge. Sie bremste auf nasser Fahrbahn panisch wegen eines Traktors und überschlug sich mit einer Art Salto mortale. Doch Wunder: keine Knochenbrüche oder andere schlimme Verletzungen. In Maastricht regnete es im August heftig. Wasser im Keller der Nachbarn, aber nicht bei uns! Und dann durfte ich noch mit NRWs Verkehrsminister Krischer sprechen. Vielleicht erfüllt er meinen Wunsch? Mit dem Speed Pedelec von Maastricht nach Aachen, ohne im Aachener Verkehr massakriert zu werden? Merke: Das Glück liegt auf dem Radweg und du brauchst es nur aufzuheben!

Martin Unfried

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fairkehr 4/2023