fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

Obere Wilhelmstraße 32 | 53225 Bonn | Telefon (0228) 9 85 85-85 | www.fairkehr-magazin.de

Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 2/2023

Produkt-Test

Mit Kindern und Lasten unterwegs

Nur mit Rädern für Kinder- und Lastentransport ist die Verkehrswende denkbar. fairkehr-Autor Georg Bleicher zeigt, welche Modelle das Leben einfacher und nachhaltiger machen. Eins steht aber schon fest: Die Infrastruktur muss dringend mitwachsen.

Eine Frau fährt ein Longtail-Fahrrad, auf dem Gepäckträger sitzt ein jubelndes Mädchen.
TernImmer noch klein und ersetzt trotzdem ein Auto: Auf dem Gepäckträger des Tern GSD können zwei Kinder mitfahren.

Fahrräder helfen uns bei der Verkehrswende. Umso mehr, wenn sie nicht nur den klassischen Autoverkehr auf kurzen Wegen ersetzen, sondern auch Menschen und Waren transportieren können. Der aktuelle Lastenrad-Boom gibt dem recht. Hier hat die Verkehrswende bereits begonnen.

Die neue Fahrradkategorie ist bunt und breit angelegt – Lastenrad ist nicht gleich Lastenrad. Besonders auffällig: Cargobikes sind naturgemäß größer als normale Fahrräder. Sie brauchen mehr Platz – zum Parken und auf der Straße. In unserer Zusammenstellung zeigen wir drei Hauptvarianten von Lastenrädern und stellen außerdem ein neues Fahrzeug vor: das Pedelcar. Das autoähnliche E-Bike auf drei Rädern mit einer Karosserie, die vor Wind und Regen schützt, bietet zwei Erwachsenen Platz. Grundsätzlich zeigen wir Pedelecs mit Motor, der bis zu einer Geschwindigkeit von

25 Stundenkilometern unterstützt. Der Elektromotor machte den heutigen Mega-Trend der Lastenräder überhaupt erst möglich: Die Velos sind agiler und lassen sich deutlich komfortabler fahren. Rechtlich sind alle vorgestellten Fahrzeuge Fahrräder.

Schon ein moderner Klassiker: Longtail

Ein gelbes Lastenrad mit verlängertem Gepäckträger
Tern

Seinen Gattungsnamen sieht man den Rädern sofort an: Sie sind hinter dem Sattel verlängert. Der Gepäckträger ist verstärkt und im Vergleich zum normalen Fahrrad größer. Er bietet Platz für mindestens zwei Kinder oder einen Erwachsenen. Spezielles Zubehör wie ein Sitzkissen und eine Sicherheits-Reling für ein oder zwei Kinder, Fußrasten oder spezielle Adapter für den Gepäcktransport sind im Angebot der Hersteller enthalten. Im Allgemeinen sind Longtails etwa einen halben Meter länger als normale E-Bikes oder Velos – das gilt aber wegen der kleinen Räder nicht für unser Beispiel Tern GSD. Dabei ist das Fahrverhalten der Velos unkompliziert. Durch den längeren Radstand haben Longtails einen größeren Wendekreis und damit eine etwas geringere Wendigkeit. Doch einmal daran gewöhnt, hat das kaum Auswirkungen auf das Handling des Rads. Das Tern GSD kann sich sogar noch kleiner machen als andere Räder: Mit der faltbaren Lenksäule wird das Rad deutlich weniger sperrig, wenn es ums Abstellen geht. Ist der Sattel ganz eingeschoben, kann ein sehr niedriges Paket entstehen. Durch den speziell geformten Gepäckträger kann das Tern hochkant auf dem Hinterrad abgestellt werden. So zurechtgemacht, braucht es im Fahrradkeller oder Schuppen sehr wenig Platz.

Longtail, Modell Tern GSD

  • für Körpergrößen von 1,50 bis 1,95 Meter einstellbar
  • speziell für Cargobikes geeigneter Bosch-Motor
  • Akku mit 500 WH
  • 10-fach Kettenschaltung
  • Federgabel
  • starke Scheibenbremsen
  • Bremslicht
  • Hinterradabdeckung
  • integriertes Schloss
  • zulässiges Gesamtgewicht:
  • 200 Kilogramm  
  • Preis je nach weiterer Ausstattung und Kinder- oder Fracht-Zubehör ab ca. 6 200 Euro.
  • Platzbedarf: beim Tern GSD kaum größer als ein normales Rad. Andere Longtails sind etwa 50 Zentimeter länger (2,30 m). Klassische Fahrradabstellplätze sind dann zu kurz, Rangieren ist aufwendiger.

Alter Hase im Lastengeschäft: Long John

Ein Lastenrad mit überdachter Ladefläche vorne.
Riese & Müller

Das Konzept ist fast so alt wie das Fahrrad selbst, angestaubt ist der Lastenrad-Typ Long John deshalb aber nicht. Bei Fahrradkurieren wie Eltern ist er wegen der langen Ladefront und dem tiefen Schwerpunkt beliebt: Er bietet für Geübte viel Zulademöglichkeit bei sicherem und wendigem, flottem Fahrverhalten und ist dabei je nach Ausführung und Transport-Ausstattung eher schmal. Im Riese und Müller Load 75 finden bis zu drei Kleinkinder Platz. Vorteil: einfache Kommunikation zwischen Elternteil und Kind durch die räumliche Nähe und gegebenenfalls Blickkontakt. Es gibt aber auch eine Unzahl von Lastenaufbauten für ihn und viele andere Long Johns, mit denen ein Lasten-Volumen von bis zu 500 Liter erreicht wird. Riese und Müller bietet ein ähnliches Modell mit längerer Ladefläche auch für den Lasten-Fuhrpark von Business-Kunden an.

Long John, Modell Riese und Müller Load 75

  • Einheitsgröße, breit einstellbar
  • kräftiger Bosch-Cargo-Line-Motor, Akku mit 500 WH (zweiter Akku möglich)
  • stufenlose Nabenschaltung, Riemenantrieb (verschleißärmer als Kette)
  • Federgabel
  • Scheibenbremsen
  • zulässiges Gesamtgewicht 200 Kilogramm bei 38 Kilo Eigengewicht.
  • Preis je nach weiterer Ausstattung und Kinder- oder Fracht-Zubehör ab ca. 7 250 Euro. 
  • Der Platzbedarf ist beim Longtail bis zu einem Meter höher als beim normalen Rad (Load 75: 2,65 m). Klassische Fahrradabstellplätze sind also deutlich zu kurz! Außerdem sind manche Umlaufgitter und ähnliche Hindernisse für Radfahrer*innen damit sehr schlecht passierbar.
Eine Frau fährt ein Lastenrad, in dem vorne zwei Kinder sitzen und Spaß haben
BabboeMit sicherem Schwung in die Kurve: Das Babboe Lasten-Dreirad ist konzipiert für die Bedürfnisse junger Eltern.

Drei Räder für ein Halleluja: Trike

Ein Lastenrad zum Kindertransport mit Sitzfläche vorne.
Babboe

Mehr Zuladung, mehr Standsicherheit, günstige Lastenverteilung: Das Lastendreirad gibt es heute in vielen Variationen und von technisch rustikal bis Highend. Allen gemein ist die Kiste über oder zwischen den beiden Vorderrädern. Durch die Gewichtsverteilung steht das Rad sehr sicher, was vor allem beim Einsteigen der Kinder oder beim Be- und Entladen wichtig ist. Doch das dritte Rad macht es eher träge: Die Wendigkeit des klassischen Dreirads ist geringer als beim Zweirad, der Wendekreis deutlich größer, und da das Rad auch in der Kurve aufrecht bleibt, muss automatisch langsamer gefahren werden.
Trotzdem ist das klassische Trike für viele Einsätze, wo zügiges Vorankommen unwichtig ist, prädestiniert; wie zum Beispiel zum Kindertransport für Kitas. Außerdem ist es bei gleichem oder höherem Ladevolumen kürzer als die Long-John-Variante. 

Die Entwicklung ist nicht stehen geblieben: Es gibt immer mehr Lastendreiräder mit Neigetechnik. Das Fahrwerk hier so aufgebaut, dass man sich wie auf dem Zweirad in die Kurve legt. Diese E-Bikes sind fast so wendig und flüssig zu fahren wie Zweiräder.  

Lasten-Dreirad, Modell Babboe Carve

Das Rad ist für die meisten Körpergrößen einstellbar. Tretunterstützung bietet ein kräftiger Yamaha-Motor, eine stufenlose Nabenschaltung sorgt für Schaltkomfort, hydraulische Scheibenbremsen sind bei diesem Gewicht unerlässlich. Die Transportbox kann mit bis zu 80 Kilogramm beladen werden, das Gesamtgewicht darf 250 Kilo betragen. Der Preis liegt je nach weiterem Zubehör bei ca. 5 750 Euro. Das Rad ist etwa 88 Zentimeter breit. Mit der Länge von 2,16 Metern ist es deutlich länger als ein normales Velo, aber kürzer als die klassischen Long Johns. Lastendreiräder brauchen wegen ihrer Breite und des damit verbundenen aufwendigeren Rangierens eine deutlich größere Abstellfläche als Zweiräder. Außerdem sind Umlaufgitter oder enge Kurvenradien des Radwegs eine meist nicht zu bestehende Herausforderung. 

Fahren wie im Auto, nur kleiner und feiner: Pedelcar

Ein überdachtes Fahrrad fährt auf einem Fahrradstreifen auf einer Straße neben einem Auto.
Hopper

Noch ganz neu und keine reinen Lastenräder sind Pedelcars: E-Bikes, die wie kleine Autos anmuten, rechtlich aber zur Gattung Fahrrad mit E-Unterstützung gehören – und damit auf den Radweg. Beim Hopper  läuft die Serienproduktion in diesen Wochen an. Wichtig war den Herstellern, dass der gedankliche Weg vom Auto zu ihrem Gefährt kurz ist, um möglichst viele Autofahrer zum Umsteigen zu veranlassen. So hat dieses Leichtfahrzeug ein Lenkrad statt des Fahrradlenkers, einen komfortablen Sitz wie im Auto und eine Frontscheibe mit Scheibenwischern und sogar Blinker. Wegen der auf Radwegen wichtigen Wendigkeit lenkt beim Hopper das Hinterrad. So soll die Fahrerin oder der Fahrer auch in engste Parklücken kommen. Noch eine Spezialität: das rein elektrische Antriebssystem. Die Trittkraft wird mittels eines Generators in den Akku eingespeist, dieser gibt die Energie an den Heckmotor weiter. So spart man Verschleißteile wie Kette und die üblichen Antriebsteile wie Zahnräder und Getriebe. Abgeschaltet wird der Motor wie bei allen Pedelecs beim Erreichen von 25 Stundenkilometern. Der Hopper soll 2,05 Meter lang und 88 Zentimeter sein, also nur etwas größer als ein Fahrrad sein.

Pedelcar, Modell Hopper Mobility, Hopper

Ein überdachtes Fahrrad parkt zwischen anderen Fahrrädern an Fahrradständern.
HopperAuch an normalen Radabstllanlagen findet der Hopper Platz
  • Einheitsgröße, breit einstellbar
  • ein elektronisches Antriebssystem (kein Antriebsstrang wie Kette oder Ähnliches)
  • Akku mit 1 440 W
  • Federung
  • Scheibenbremsen
  • Gewicht: 120 Kilogramm
  • zulässiges Gesamtgewicht: 370 Kilo.
  • der Preis wird je nach Ausstattung und Zubehör in einem hohen vier- bis niedrigen fünfstelligen Bereich liegen  
  • Der Platzbedarf ist beim Hopper mit 2,05 Metern Länge und gut 84 Zentimetern Breite (ohne Spiegel) etwas größer als beim normalen Rad. Klassische Fahrradabstellplätze sind etwas zu kurz. Durch die Karosserie eignen sich Form und Abstände von klassischen Ansperrbügeln nicht für Pedelcars. Auf Radwegen dürfte gelten, was auch für normale Räder gilt: Zum Überholen und an mehrspurigen Aufstellfeldern an Kreuzungen ist zu wenig Platz.

Sicher unterwegs

Wer zum ersten Mal auf einem Lastenrad sitzt, sollte abseits des Verkehrs üben: anfahren, Kurven fahren, Bordsteinkanten hochfahren und bremsen – auch mal auf abschüssigem Gelände. Denn mit schwerer Fracht oder Kindern an Bord verändern die Lastenräder das Fahrverhalten. Kinder müssen angeschnallt und die Fahrer*innen mindestens 16 Jahre alt sein. Wichtig außerdem: Das Rad nicht überladen!

Mehr Fahrrad-Platz für Menschen mit Einschränkungen

Auch Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen können oft selbstständig mobil sein, denn auch für sie gibt es viele Fahrrad-Möglichkeiten. Meist sind das Räder mit E-Unterstützung, die mit Spezialteilen sehr gut an die Bedürfnisse der jeweiligen Person angepasst werden können. Nahezu allen gemeinsam ist: Diese Velos haben drei Räder. Sie stehen daher selbst, ohne umzufallen. Der Fahrer oder die Fahrerin muss also nicht die Balance halten und kann auch bei Stopps bequem sitzen bleiben.
Auch diese Dreiräder brauchen mehr Platz als Zweiräder. Der Parkraum dafür ist etwa doppelt so breit wie beim einspurigen Rad. In Bezug auf Wendigkeit muss man damit zwar im Straßenverkehr wenig Abstriche machen, doch ein typischer Radweg von 1,40 Metern lässt bei einem solchen Rad kaum Platz für Überholmanöver. Auch deshalb muss unsere Infrastruktur dringend nachgebessert werden!

Zur VCD-Datenbank für E-Dreiräder