Politik 2/2023
Rad und Bahn
Beste Kombination
Das Fahrrad und die Bahnen können im guten Zusammenspiel die Klima- und Verkehrswende voranbringen.
Neulich der Schock bei der Einfahrt in den kleinen Bahnhof der Schulzeit: Dort im Abseits steht er tatsächlich noch, der verrostete Fahrradständer mit dem Wellblechdach. Zwei Handvoll Räder haben dort mühsam Platz. Bei Dieben war das Klappergerüst beliebt, was dazu führte, dass uns Kindern verboten wurde, mit den Rädern zum Bahnhof zu fahren. So geht Rolle rückwärts bei der Verkehrswende.
Jetzt soll es vorangehen. „Viele Menschen würden Rad und Bahn häufiger nutzen, wenn sie ihr Fahrrad oder E-Bike am Bahnhof sicher abstellen könnten“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Sein Ministerium hat herausgefunden, dass 1,5 Millionen Radstellplätze an deutschen Bahnhöfen fehlen und dafür eine Summe von drei Milliarden Euro veranschlagt. Das Anfang März 2023 verkündete Förderprogramm bleibt aber sehr weit hinter den Berechnungen zurück: Nur 110 Millionen Euro will Wissing für den Bau von Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen in den kommenden vier Jahren bereitstellen. „Es zeigt sich, dass der Minister die Dimension des Themas nicht ernst nimmt“, sagt VCD-Bundesvorsitzender Michael Kurzeck, „er muss nachlegen.“
Zum Glück hat sich die Deutsche Bahn selbst der wichtigen Kundschaft angenommen: Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat sie eine Bike+Ride-Offensive an den Start gebracht. Die Initiative unterstützt Kommunen dabei, zeitgemäße Fahrradabstellplätze an ihrem Bahnhof zu errichten. Dafür hat sie ein standardisiertes Verfahren entwickelt.
Ludger Palz leitet die Offensive bei der DB Station & Service, einer Tochterfirma der Deutschen Bahn, und hat das Angebot mit aufgebaut. „Die Kommunen können sich ganz einfach bei uns melden, wir suchen gemeinsam nach passenden Flächen, helfen bei der Antragstellung der Fördergelder bis hin zur Bestellung und Montage der Anlagen“, sagt Palz. Zusammen mit zehn Mitarbeiter*innen hat sein Team schon mehr als 700 Kommunen beraten, 13 000 Fahrradstellplätze geschaffen; weitere 52 000 sind in konkreter Planung.
Bei den Fahrradständern hat die DB eine Vorauswahl getroffen: Unter fünf verschiedenen Modellen können die Kommunen auswählen. Der Bund übernimmt bis zu 70 Prozent der Investitionen. Diese Gelder kommen aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative (NIK), die das Habeck-Ministerium vergibt. Die Beratungsleistung übernimmt die Deutsche Bahn.
„Das ist eine Wette auf die Zukunft der DB“, sagt Palz. Komfortable, geordnete Parkangebote machten den Bahnhof und die Kommune für Radfahrer*innen attraktiver und schafften Anreize für den Umstieg vom privaten Auto auf den Zug. Bislang hatten sich Bahn und Kommunen gegenseitig die Zuständigkeiten für Abstellanlagen hin und her geschoben. „Dieses Mikado haben wir endlich beendet“, freut sich Palz.
An der Rolle vorwärts bei der Verkehrswende arbeiten auch Expert*innen der Rad-, Fahrgast- und bahnpolitischen Verbände und Unternehmen. Sie haben sich zur „Brancheninitiative Fahrrad und Bahnen“ zusammengeschlossen, der auch der VCD angehört. Ende 2022 haben die Initiatoren ihr Positionspapier vorgestellt. Neben einer Million Radstellplätzen an Bahnhöfen fordern sie die Förderung von Bike-Sharing und Fahrradverleih in den Kommunen, digitale Lösungen zur Planung und Buchung einer Bahnreise über Mobilitäts-Apps sowie mehr Platz für Fahrradmitnahme in Zügen. Für die Umsetzung aller vorgeschlagenen Maßnahmen hat die Brancheninitiative detaillierte Empfehlungen mit einem Finanzierungsbedarf von 7,45 Milliarden Euro bis 2030 vorgelegt.
Übernehmen Sie, Herr Bundesverkehrsminister!
Uta Linnert
Weitere Infos zum Thema Bike+Ride:
fairkehr.de
