fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

VCD aktiv 1/2023

VCD-Aktion

Mit Gehzeugen durch Wolfenbüttel

Eine Mitmach-Aktion für Kinder hat gezeigt, wie viel Platz Autos wegnehmen. Der VCD hat die kreative Parade gefördert.

Ein Mann und mehrere Kinder mit Warnwesten tragen ein Holzgestell über einen Marktplatz
VCD WolfenbüttelMit dem Bürgermeister in der Mitte läuft die Gehzeug-Parade durch Wolfenbüttel.

17 Kinder tragen vier selbst gebaute bunte Gestelle aus Holz durch die Innenstadt von Wolfenbüttel. Jedes Gestell ist so groß wie ein Mittelklasse-Auto. Menschen bleiben stehen und lächeln, auch der Bürgermeister kommt vorbei und läuft ein Stück mit.

Die Gestelle sind sogenannte Gehzeuge. Die Kinder zeigen damit: So viel Platz nimmt ein Fahrzeug weg im Vergleich zu Menschen, die zu Fuß gehen. Die Gehzeug-Parade in den Herbstferien 2022 hat die 26-jährige Jasmin Junghans im Rahmen ihres berufsbegleitenden Masterstudiums organisiert. Junghans ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Stiftungsprofessur Radverkehrsmanagement an der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften, Standort Salzgitter. Außerdem engagiert sie sich im VCD in Wolfenbüttel.  „Mir war es wichtig, ein Projekt in der Stadt zu starten, in der ich wohne. Ich möchte hier vor Ort etwas bewegen“, sagt Junghans.

Die Nähe zum niedersächsischen VW-Standort Wolfsburg prägt auch Wolfenbüttel: Viele Menschen dächten bei Mobilität noch vor allem ans Auto, sagt Jasmin Junghans. Doch in den vergangenen Jahren ändere sich das Bewusstsein allmählich. „Deshalb habe ich überlegt, mit welcher Aktion ich Aufmerksamkeit erreichen und auf das Thema Flächenverbrauch durch Autos und eine schönere Stadt für alle Menschen aufmerksam machen kann.“ Wichtig war Junghans bei der Aktion auch, mit Kindern ins Gespräch zu kommen, zu hören, was sie in ihrer Umgebung stört und was sie wollen.

Die Idee für die Gehzeuge stammt vom österreichischen Mobilitätsaktivisten Hermann Knoflacher. Er hat mit seinem Gehzeug bereits in den 1970er- Jahren gezeigt, wie viel Platz Autos einnehmen, beim Fahren und vor allem auch beim Parken: Ein Auto steht am Tag durchschnittlich 23 Stunden und 45 Minuten. Es ist also eigentlich ein Stehzeug – diesen Begriff prägte der Aktivist.

Wünsche an den Bürgermeister

Eine junge Frau sitzt zwischen Kindern an einem Tisch.
VCD WolfenbüttelJasmin Junghans vom VCD Wolfenbüttel hat das Projekt mit den Kindern organisiert.

Gefördert wurde die Aktion in Wolfenbüttel durch die VCD-Initiative „DIY: Verkehrswen­de selber machen“. Mit DIY unterstützt der VCD junge Menschen, die an Hochschulen oder Berufsschulen klimafreundliche Mobilitätsprojekte   ent­­wickeln und umsetzen.

Jasmin Junghans gewann für ihre Aktion den VCD Wolfenbüttel und das Aha-Erlebnismuseum für Kinder und Jugendliche als Kooperationspartner. Auch mit der Stadtverwaltung sprach sie sich ab. Das Museum bot den Workshop „Bau dir dein eigenes Gehzeug“ als Ferienaktion an. Innerhalb einer Woche waren 17 Kinder zwischen 7 und 14 Jahren angemeldet.

An drei Tagen sägten, bohrten und schraubten die Kinder im Museum. Sie bemalten die Gestelle und beklebten sie mit großen Zetteln, auf die sie ihre Wünsche für eine schönere Stadt geschrieben hatten. Zum Abschluss trugen sie ihre Gehzeuge durch Innenstadt und Fußgängerzone bis zum Stadtmarkt, begleitet unter anderem von VCD-Aktiven, Museumsmitarbeiter*innen sowie der Radverkehrsbeauftragten und der Klimaschutzmanagerin von Wolfenbüttel. Auf dem Stadtmarkt sprachen die Kinder mit Passant*innen und verteilten Infomaterial vom VCD.

Jasmin Junghans freut sich besonders darüber, dass Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic die Parade besuchte, mit den Kindern sprach und sich selbst ein Gehzeug schnappte. „Die Kinder sagten dem Bürgermeister unter anderem, dass sie gern mehr Platz zum Spielen und mehr Fahrradwege hätten“, erzählt Junghans. Lukanic berichtete den Kindern, dass er selbst sehr viel Fahrrad fahre und deshalb seinen Dienstwagen abgeschafft habe. Außerdem plane die Stadt neue Fahrradstraßen.
Jasmin Junghans kann sich gut vorstellen, ein weiteres Mobilitäts-Mitmachprojekt mit Kindern zu starten, beispielsweise in der Europäischen Mobilitätswoche im September. „Im eigenen Wohnort wissen wir am besten, was nicht so gut läuft und was wir uns wünschen“, sagt sie. „Diese Wünsche müssen wir aussprechen.“

Kirsten Lange

VCD DIY fördert Digital-Projekt für sicheres Radfahren

Die Straßenverkehrsordnung schreibt vor, dass Autos Radfahrende mit einem Abstand von mindestens 1,50 Metern überholen müssen. Die Realität sieht meistens anders aus und Überholabstände werden selten überprüft. Radverkehrsaktive aus Stuttgart haben deshalb den OpenBikeSensor entwickelt, der von Initiativen in ganz Deutschland nachgebaut und eingesetzt wird. Der Eigenbausensor am Lenker misst, mit wieviel Abstand Autos oder Busse Fahrräder überholen.

Die Messergebnisse werden zusammen mit dem Standort als offene Daten in einer frei zugänglichen Datenbank gespeichert. Sie belegen, auf welchen Strecken und zu welcher Uhrzeit Radfahren sicher oder unsicher ist. Um statistisch verlässliche Daten zu erhalten, ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen mitmachen. Das VCD-Projekt DIY fördert deshalb Initiativen, die OpenBikeSensoren bauen und einsetzen. Eine Gruppe aus Braunschweig unterstützt der VCD bereits. Weitere Bewerber*innen sind willkommen.

fairkehr 1/2023