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Titel 5/2022

Oberleitungs-Lkw

Lkw – elektrisch in die Zukunft?

Batterieelektrische Fahrzeuge haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Funktioniert der elektrische Antrieb auch für schwere Lkw auf langen Strecken?

Mehrerer Oberleitungs-Lkw fahren auf einer Teststrecke auf einer Autobahn in Hessen.
Foto: Hessen MobilDer eHighway Hessen auf der Autobahn A 5 zwischen den Anschlussstellen Langen/Mörfelden und Weiterstadt ist eine von drei Oberleitungs-Teststrecken in Deutschland. Mehrere Testfahrzeuge nutzen die Infrastruktur.

Mit einem eindeutigen Ja beantwortet diese Frage eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Institute Agora Verkehrswende und Transport & Environment (T&E). Die Expert*innen haben berechnet, dass schon 2030, also in acht Jahren, batterieelektrische Lkw grundsätzlich konkurrenzfähig zu Diesel-Lkw sein werden. Konkret heißt das, dass E-Lkw eine genauso große Kilometer-Reichweite haben und genauso schwer beladen werden können wie ihre Diesel-Verwandten. Außerdem haben die Berechnungen des Forscherteams ergeben, dass auch die Gesamtkosten der Batterie-Lkw – also der Kaufpreis und die Kosten für Unterhalt und Strom – konkurrenzfähig beziehungsweise niedriger sein werden als die Gesamtkosten von Diesel-Lkws.

Für den Erfolg batterieelektrischer Lkw ist der Aufbau einer geeigneten Ladeinfrastruktur essenziell: Logistik-Unternehmen müssen eigene Ladesäulen aufstellen, um die Lkw über Nacht zu laden. Und entlang der Strecken brauchen sie Schnelllademöglichkeiten, an denen die Trucks während der vorgeschriebenen Fahrpausen nachgeladen werden können. Eine weitere Lademöglichkeit wird in Deutschland gerade in drei Feldversuchen getestet: die Oberleitung.

Wer schon mal auf der A1 zwischen Reinfeld und Lübeck, der A 5 zwischen Darmstadt und Frankfurt oder der B 462 zwischen Kuppenheim und Gernsbach-Obertsrot (Baden-Württemberg) gefahren ist, hat sie vielleicht bemerkt: die Teststrecken für Oberleitungs-Lkw. Die Technik funktioniert ähnlich wie bei Zügen und Straßenbahnen. Der große Vorteil: Lkw können während der Fahrt geladen werden und sind somit unabhängiger von stationären Lademöglichkeiten. Das bedeutet auch, dass sie eine kleinere Batterie benötigen als herkömmliche E-Lkw, was sie etwas leichter macht.

Aktuell sind auf jeder der drei Teststrecken fünf Kilometer je Richtung mit Oberleitungen ausgestattet. Nur eine Handvoll Test-Lkw lokaler Logistik­unternehmen nutzt diese Infrastruktur. Es handelt sich bei ihnen um Prototypen, denn Oberleitungs-Lkw werden bisher noch nicht serienmäßig hergestellt.

„Wir müssen die Oberleitungs-­Infrastruktur jetzt in großem Maßstab mit etwa 100 Kilometer Streckenlänge testen, um dann eine informierte Richtungsentscheidung treffen zu können, wie es weitergehen soll. Der Hauptvorteil dieser Technologie ist, dass sie besser skalierbar ist als stationäre Ladestationen. Viele Lkw-­Rastplätze sind jetzt schon am Überlaufen, auch ohne dass die Lkw in den Pausen Strom laden ­müssen“, erklärt Julius Jöhrens vom ifeu-institut, der an der Begleitforschung zu den Oberleitungs-Teststrecken beteiligt ist.

Die Klimaziele der EU sehen vor, dass der CO2-Ausstoß von Lkw bis 2030 um 30 Prozent sinkt, was viele Institutionen und Verbände als zu lasch kritisieren. „Sicher ist: Wir brauchen in Zukunft deutlich mehr elektrische Lkw, in welcher Form auch immer. Die Klimabilanz von Oberleitungs- und stationär geladenen Batterie-Lkw ist aus heutiger Sicht ähnlich, der Ressourcenbedarf aber sehr unterschiedlich. Wir müssen anfangen, die Stromaufnahme über Oberleitung und stationäre Ladestationen stärker zusammenzudenken. Je nach Einsatzprofil könnten Lkw zukünftig auch beides nutzen.“ Für Jöhrens ist dabei auch klar: „Sauberere, effizientere Elektro-Lkw dürfen nicht dazu zu führen, dass noch mehr Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlagert wird.“

Katharina Baum 

fairkehr 5/2022