Ducktrain
Lieferverkehr neu denken
Das Aachener Start-up DroidDrive will mit dem Ducktrain, einem völlig neuen elektrischen Kleinfahrzeug, den Warentransport der mittleren und letzten Meile verbessern.
Wie an einer Perlenschnur aufgereiht fahren die vier weißen, mit Paketen beladenen „Ducks“ im Video hintereinander her. Sie folgen einem Fahrradfahrer geschickt um die Kurve und zwischen Pollern hindurch und bleiben schließlich unabhängig voneinander an der Bordsteinkante stehen. Der „Ducktrain“, wie seine drei Erfinder die Fahrzeug-Kolonne nennen, ist bisher noch eine Simulation am Bildschirm, doch er könnte schon bald Realität werden.
Hinter dem Ducktrain steckt das Aachener Start-up DroidDrive, das sich vorgenommen hat, den Lieferverkehr in unseren Städten zu revolutionieren. Dass der bisherige Lieferverkehr mit Transportern und Lkws – ob benzinbetrieben oder elektrisch – das Verkehrschaos auf unseren Straßen verstärkt, sehen wir überall. Aber die zunehmend populäre Lieferung mit Lastenrädern, die viele Probleme des klassischen Lieferverkehrs löst, lässt sich aufgrund des hohen Personalbedarfs nur schwer in großem Stil wirtschaftlich umsetzen. Hier setzt der Ducktrain an. „Wir bieten das beste aus beiden Welten: Die Vorteile eines Cargobikes mit der Ladefähigkeit eines Vans“, erklärt Dr. Kai Kreisköther, Mitgründer und CEO von DroidDrive.
Wie Entenküken
Ein einzelnes Fahrzeug des Ducktrains ist einen Meter breit und etwas über zwei Meter lang. Die Ladefläche ist um eine Europalette herum gebaut, was die Beladung vereinfacht. Bis zu 350 Kilogramm Zuladung können die Ducks transportieren, und das ganz ohne Muskelkraft, denn sie fahren vollelektrisch und autonom. Der Strom kommt aus Wechselakkus von GreenPack, die mit wenigen Handgriffen ausgetauscht werden können. Bis zu fünf der Ducks können mithilfe der Sensorik hintereinander gekoppelt werden und bilden dann zusammen einen Ducktrain. Der Name und auch das Logo erinnern an Entenküken, die hinter ihrer Mutter herwatscheln.
Das Bild passt, denn auch die Ducks fahren nicht völlig frei in der Gegend herum, sondern folgen immer einem Führungsobjekt. Das kann ein anderer Duck sein, aber auch ein Mensch auf einem Fahrrad oder zu Fuß. So wird eine Ducktrain-Kolonne immer von einem Menschen gesteuert. „Wir erreichen damit, dass ein einzelner Paketbote über 1,5 Tonnen Ladung transportieren kann, so viel wie ein Transporter, und das emissionsfrei und platzsparend“, so Kreisköther.
Kleine Schritte
Kreisköther, der am Lehrstuhl für Elektromobilität der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen tätig war und dort unter anderem an der Entwicklung des DHL-Elektrofahrzeugs StreetScooter mitwirkte, gründete zusammen mit zwei Kollegen 2018 das Start-up DroidDrive. Seitdem arbeiten sie an ihrem Produkt, dem Ducktrain, sprechen mit Vertreter*innen von Zulassungsbehörden, Städten und Paketdienstleistern, werben Forschungs- und Investorengelder ein und optimieren ihren Prototypen, den allerersten Duck. „Wir haben uns vorgenommen, dass wir jetzt etwas ändern wollen, in Deutschland, in Europa, auf den Straßen, in den Städten. Wir wollen kein Raumfahrtkommando sein, dass erstmal zehn Jahre lang Investorengelder verbrennt, ohne ein Ergebnis zu produzieren.“
Der erste Prototyp des Ducks fährt deshalb noch nicht autonom, sondern verfügt über eine spezielle Deichsel. Diese ermöglicht es dem Fahrzeug, den Bewegungen des ziehenden Radfahrers oder Fußgängers exakt zu folgen und trotzdem aus eigenem Antrieb zu fahren. Der Prototyp wird immer wieder von verschiedenen kleinen und großen Logistikunternehmen getestet. Ihr Feedback fließt in die Optimierung ein. Im nächsten Jahr will DroidDrive zehn weitere Ducks produzieren, ab 2023 sollen es dann deutlich mehr werden.
Doch bis dahin gibt es noch einige Hindernisse zu bewältigen, vor allem, was die Zulassung angeht. „Die Ducks sind eine völlig neue Fahrzeugkategorie. Wir arbeiten eng mit dem TÜV zusammen und mit den Zulassungsbehörden auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene, um alle Fragen rechtzeitig zu klären.“ Dazu zählt auch die Frage, wo die Ducktrains in Zukunft fahren dürfen.
Die Ducks sind darauf ausgelegt, ebenso wie E-Bikes maximal 25 Stundenkilometer schnell zu fahren. Aufgrund ihrer geringen Breite von nur einem Meter könnten sie theoretisch den Fuß- oder Fahrradweg nutzen. „Das ist aber nicht unser Ziel. Wir sehen die Ducks ganz klar auf der Straße“, erklärt Kreisköther. „Ich denke aber auch schon einen Schritt weiter, denn wenn wir in Zukunft vor allem viele kleine, schmale Logistikfahrzeuge haben, dann können wir auch über einen kompletten Neuzuschnitt unseres heutigen Straßenquerschnitts nachdenken. Und dann wird es sicher auch sinnvoll sein, an einigen Stellen zwischen Güter- und Personenverkehr räumlich zu trennen.“
Ziel: Verkehrssicherheit
Bis es so weit ist, müssen sich die Ducks wie alle anderen Lieferfahrzeuge auch den Platz mit den übrigen Verkehrsteilnehmer*innen teilen. Gefährlich ist das laut Kreisköther nicht. „Die Ducks nutzen zwar Elemente der künstlichen Intelligenz, sie können aber keinerlei
eigenständige Entscheidungen über ihren Fahrweg treffen, sondern folgen immer einem Menschen. Und sie sind mit einer sehr guten Sensorik ausgestattet, die die Umgebung viel besser wahrnimmt als beispielsweise jeder Abbiegeassistent in einem Lkw, in Kombination mit einem starken Bremssystem. Wir leisten mit den Ducks so auch einen Beitrag zur Vision Zero, also zur Vision von null Verkehrstoten.“
Bei der Entwicklung, Produktion und Zulassung des Ducktrains mussten und müssen Kai Kreisköther und seine Kolleg*innen viele Hindernisse überwinden. „Wer Innovationen macht, muss manchmal steinige Wege gehen. Aber am Ende steht dann eine Technologie, die so attraktiv ist, dass die Logistikunternehmen gar nicht darum herumkommen, sie zu nutzen“, ist Kreisköther überzeugt. Und so könnte die Vision aus der Computersimulation schon bald Realität werden.
Katharina Baum