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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 4/2021

Gent

(K)ein Geheimtipp?

(K)ein Geheimtipp? Gent wird in der Reiseliteratur, in Blogs und vom regionalen Tourismusmarketing oft als Geheimtipp bezeichnet. Wird die Hauptstadt Ostflanderns diesem Ruf gerecht?

Foto: MarioGuti /iStockphoto (re.)Die Graslei, der Kai des historischen Hafens, ist der touristische Hotspot von Gent.

Gent ziert das Cover des Reisebuchs „Secret Citys Europa“ und wurde von der regionalen Tourismusbehörde als „Europas bestgehütetes Geheimnis“ vermarktet. Wir waren vor der Corona-Krise in der Stadt, um selbst zu erleben, was der Underdog zu bieten hat.

An sonnigen Tagen herrscht hektisches Treiben auf der Graslei, dem Kai des historischen Hafens von Gent. Vor den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gildenhäusern mit den typischen treppenförmigen Staffelgiebeln sitzen Touristen und Einheimische am Ufer des Flüsschens Leie und genießen Eis, belgische Waffeln oder Pommes Frites. Die Cafés sind gut besucht. Kleine Ausflugsboote, in denen man Fahrten auf dem Fluss und den abzweigenden Kanälen unternehmen kann, legen an der Kaimauer an und ab.

Wir erkunden die Genter Altstadt zu Fuß, denn die Distanzen zwischen den Sehenswürdigkeiten sind kurz. Die Burg Gravensteen, die mit ihren grauen, zinnenbewehrten Mauern und Türmen über der Leie wacht, ist nur zehn Gehminuten von der gotischen St.-Bavo-Kathedrale entfernt. Der Belfried, so etwas wie der Big Ben von Gent, steht 100 Meter von der Kathedrale entfernt.

Flämisches Nachtleben

Abseits der touristischen Hotspots stimmt das Verhältnis von Touristen zu Einheimischen in Gent noch. Sowohl beim Inder, bei dem wir zu Abend essen, als auch in der Bar, in der wir anschließend zu den Gitarrenklängen einer Bluesrockband noch ein paar regionale Biere trinken, hören wir vor allem Flämisch – das belgische Niederländisch. In den zahlreichen Restaurants, Kneipen und Bars ist vor allem sichtbar, dass in Gent 74 000 Student*innen leben.

Die Stadt beherbergte vor der Corona-Krise knapp 1,2 Millionen Übernachtungsgäste pro Jahr bei 260 000 Einwohner*innen. Im deutlich kleineren Brügge, das in der Hauptsaison wie ein überfülltes Freilichtmuseum wirkt, waren es fast doppelt so viele.

Die Autos ausgesperrt

Seit einigen Jahren ist die Genter Innenstadt weitgehend autofrei. Wo früher noch die Fahrzeuge in den engen Straßen im Stau feststeckten, kann man heute beruhigt stehen bleiben, um ein Selfie vor historischer Kulisse zu knipsen.

Im April 2017 trat der „circulatieplan“ in Kraft, zu Deutsch etwa Umfahrungsplan. An neuralgischen Punkten wurden Durchgangsstraßen, die von einer Ringstraße aus durch die Innenstadt verlaufen, für den Autoverkehr gesperrt. Ausnahmen gelten für Lieferverkehre, Krankenwagen, Busse und Taxis. Die Stadt hat insgesamt fünf autofreie Gebiete eingerichtet, in denen man nur mit Sondergenehmigung fahren darf.

Gent punktet bei mir mit historischer Kulisse, autofreier Innenstadt, vielen Möglichkeiten zum Ausgehen und muss sich trotz allem nicht dem Massentourismus ergeben. All das macht die Stadt zu mehr als einem Geheimtipp. Und zwar zu einem Tipp mit Ausrufezeichen.

Benjamin Kühne

Gent & andere Geheimtipps

Die Genter Tourismus-Website bietet viele nützliche Infos für Urlauber*innen auf Deutsch.

Buchtipp: Henning Aubel: Secret Citys Europa – 70 charmante Städte abseits des Trubels, Bruckmann, 320 Seiten, 29,99 Euro.

fairkehr 4/2021