fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Daten und Fakten

Das ABC des Fußverkehrs

Seit wann gibt es Zebrastreifen? Was ist ein Fußverkehrsbeauftragter? Und in welcher Stadt gibt es Ottifanten statt Ampelmännchen? Alles, was Sie über das Zufußgehen wissen müssen (und noch ein bisschen mehr)!

Illustration: shutterstock.com/ivector

A wie Ampeln, im Fachjargon Lichtsignalanlagen genannt, haben in Deutschland inzwischen viele Gesichter. Es gibt beispielsweise gleichgeschlechtliche Paare in Köln, Hannover, München und Co., die Bremer Stadtmusikanten in – Sie ahnen es schon – oder Otto Walkes Ottifanten in Emden. Nicht ganz so liebevoll wie die Ampelwesen sind die Grünphasen gestaltet. Oft müssen Fußgänger*innen lange warten, bis sie losrennen müssen, um über die Straße zu kommen, bevor die Autos wieder losbrausen.

B wie barrierefrei. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen wird ein Gang durch die Stadt schnell zum Hindernisparcours: Der Gehweg zu schmal, der Bordstein zu hoch, das ➔ Kopfsteinpflaster zu uneben.Offiziell sollten auf dem Bürgersteig 50 cm Abstand zur Fahrbahn und 20 cm zu einer Hauswand herrschen. Der Blick in die Wirklichkeit zeigt, wie weit wir davon entfernt sind.

C wie Caravans, liegen nicht erst seit Corona im Trend. Sie zählen als normales Fahrzeug, dürfen überall parken und nehmen so viel Platz weg wie zwei bis drei Autos. Sie sind aber noch breiter und höher – und stehen noch mehr im Weg. Für Fußgänger*innen und spielende Kinder sind sie ein Hindernis, über das niemand mehr schauen kann. Wegen veralteter Gesetzgebung können Kommunen kaum gegen die Caravan-Plage vorgehen.

D wie Digitalisierung. Jeder kennt Straßenkarten und U-Bahn-Pläne. Aber Fußwege, ➔ Zebrastreifen und Mittelinseln sind auf Karten so gut wie nie eingezeichnet. Das Tech-Unternehmen Google will das jetzt ändern: Seit Herbst letzten Jahres zeigt Google Maps auf den Stadtplänen von London, San Francisco und New York detaillierte Informationen zum Fußverkehr an. Weitere Städte sollen folgen.

E wie E-scooter sind für Fußgänger*innen meist ein Ärgernis. Oft werden sie von unachtsamen Zeitgenoss*innen mitten auf den zu schmalen Gehwegen abgestellt. Falls sie platzsparend an der Hauswand parken, fallen sie früher oder später um und liegen dann quer im Weg. Aber: Im Herbst 2019 gab es laut Statistikportal Statista rund 54 000 Sharing-E-Scooter in Deutschland. Das weitaus größere Problem sind die 48,25 Millionen Pkw, die unsere Straßen zuparken.

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F wie Fußverkehrsbeauftragte sind in Deutschland eine Rarität, ganz anders als ihre Kolleg*innen, die Fahrradbeauftragten. Als Angestellte von Städten und Gemeinden kümmern sie sich um die Anliegen des Fußverkehrs. Zu finden ist die seltene Spezies unter anderem in Hamburg, Leipzig und Heilbronn.

G wie Gesetze für Fußgänger*innen gibt es kaum. In der Straßenverkehrsordnung (StVO) widmen sich ganze zwei Paragrafen (von 53) dem Fußverkehr: § 25 den Fußgänger*innen und § 26 den Fußgängerüberwegen, besser bekannt als  ➔ Zebrastreifen.

H wie Holland hat nicht nur gute Radwege, die Nordsee und frittierte Leckereien zu bieten. In Amsterdam gibt es zum Beispiel durchgängige Fußwege an vielen Kreuzungen. Die kreuzende Straße wird von einer Fläche durchbrochen, die das gleiche Niveau hat und aus dem gleichen Material besteht wie der Gehweg. Das macht klar: Hier durchqueren Autofahrer*innen das Territorium der Fußgänger*innen und nicht umgekehrt.

I wie Innenstadt. Hier gibt es meistens Fußgängerzonen: zusammenhängende Verkehrsflächen, auf denen Fußgänger*innen wirklich Vorrang haben. Im optimalen Fall finden flanierende Menschen hier einen komfortabel zu gehenden Belag, ausreichend Bänke, Beleuchtung und schattenspendende Bäume. In der Regel dienen Fußgängerzonen dem Konsum: Neben Geschäften gibt es Restaurants und Cafés. Manchmal ist auch Radfahren erlaubt, dann Obacht vor Rädern, die ohne zu ➔ warnen um Fußgänger*innen herumkurven.

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J wie jeder Weg beginnt und endet mit einem Fußweg. Selbst wenn er nur einmal quer über den Bürgersteig zum parkenden Auto führt.

K wie Kopfsteinpflaster gibt es schon seit 4 000 Jahren. Trotzdem sind sie immer wieder Stein des Anstoßes: Denn mit Rollstuhl oder Rollator sind gepflasterte Straßen kaum passierbar. Aber es gibt auch Pro-Argumente: Das Laufen auf Kopfsteinpflaster trainiert Wahrnehmung, Gleichgewichtssinn und die körperliche Balance.

L wie Lieferroboter. Fußgänger*innen müssen sich die Bürger­steige mit herumstehenden ➔ E-Scootern und zuweilen mit rücksichtslosen Radfahrer*innen teilen. Schon bald könnten neue Konkurrenten um die begehrten Gehwege dazukommen: In den USA dürfen bereits in zehn Bundesstaaten Lieferroboter die Bürgersteige als Fahrbahn benutzen.

M wie Mensch vor Maschine. Ein Schweizer Gericht urteilte im Jahr 1922, „dass ein Fussgänger auf der Strasse vollständig frei ist, wo er gehen will, dass ferner nicht nur normalhörige, sondern auch schwerhörige Personen, ja sogar Taubstumme und Leute mit schweren Holzschuhen die Strasse betreten dürfen. Denn sie gefährden andere nicht; das Gefahrenmoment aber schafft das Automobil, da es sich mit bedeutend grösserer Schnelligkeit als der Fussgänger fortbewegt.“

N wie nüchtern. Für Rad und Auto gibt es Promillegrenzen. Auch beim Zufußgehen gibt es keinen totalen Freibrief, wenn man sich sturzbetrunken danebenbenimmt. Dafür kennt das Strafgesetzbuch den Tatbestand des „gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“: Wer Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet, kann mit Geld- oder gar Gefängnisstrafen belangt werden.

Ö wie Öffentlicher Personennahverkehr, auch bekannt als die Öffis. Sie sind eine perfekte Ergänzung zum Fußverkehr, denn letztendlich erreicht man sie immer nur zu Fuß. Saß man davor auf einem Rad oder in einem Auto, redet man von „Bike+Ride“ bzw. „Park+Ride“. Von „Walk+Ride“ hat komischerweise noch nie jemand etwas gehört.

P wie Platzverteilung, selten zugunsten des Fußverkehrs. Empfohlene Mindestbreite für Fußwege: 2,50 Meter. Gefühlte Realität: 80 Zentimeter zwischen Hauswand und parkenden Autos.

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Q wie Querungen Hinter dem Wort, das ausschließlich von Fachleuten verwendet wird, verbergen sich Überwege für Fußgänger- und Radfahrer*innen, also ➔ Zebrastreifen, ➔ Ampeln und Verkehrsinseln.
Im Idealfall zeigt eine schmalere Fahrbahn oder eine Teilaufpflasterung – Fachjargon für Steine statt Asphalt – den Autos  an: Hier bitte langsam fahren!

R wie räumen. Eigentlich sonderbar: Wenn es schneit, räumen Gemeinden Straßen, Autobahnen und Haltestellen. Aber für den Gehweg vor den Häusern sind die Hausbesitzer*innen verantwortlich. Sie müssen im Zweifelsfall sogar mehrmals täglich mit Schippe und Streusalz für freie und ungefährliche Fußwege sorgen. Die genauen Regeln legt jedoch jede Kommune individuell  fest.

S wie Stadtteilspaziergänge sind eine gute Möglichkeit, auf Gefahrenstellen und Hindernisse in der eigenen Nachbarschaft aufmerksam zu machen. Der VCD gibt dafür eine Schritt-für-Schritt-Anleitung:
www.strasse-zurueckerobern.de/anleitungen/stadtteilspaziergang

T wie Turnschuhe haben sich im Alltag durchgesetzt und nennen sich jetzt Sneaker. Sie sind bequem für weitere Fußwege, kommen mit fast jedem Untergrund klar und machen auch den Sprint zur U-Bahn mit. Weil lässige Sportschuhe zum Business Dress genauso wie zum Sommerkleid getragen werden, sind die meisten Menschen für Fußwege eigentlich recht gut gerüstet.

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Ü wie überholen. Sind Rad- und Fußweg getrennt, dürfen Radfahrer*innen nicht auf den Gehweg ausweichen, auch nicht zum Überholen. Ist ein gemeinsamer Weg ausgewiesen, müssen sich alle den Raum teilen. Radfahrer*innen dürfen klingeln, um zu ➔ warnen, haben aber keinen Vorrang; die Fußgänger*innen müssen sie durchfahren lassen, aber nicht gleich hektisch zur Seite springen.

V
wie Versiegelung. In Deutschland gibt es  51 315 Quadratkilo­meter Siedlungs- und Verkehrsflächen. 45 Prozent dieser Flächen sind versiegelt (6,5 Prozent der Gesamtfläche des Landes). Tendenz steigend. Gerade im Hinblick auf den Klimawandel ist das problematisch. Denn wenn das Regenwasser nicht versickern kann, sinkt der Grundwasserspiegel und die Gefahr von Überschwemmungen steigt.

W wie warnen oder ist es Verscheuchen? An der Kommunikation per Fahrradklingel scheiden sich die Geister. Eine Klingel signalisiert: Hinter mir kommt eine Radfahrer*in, die vorbeifahren möchte. Im Alltag auf engen, gemeinsamen Wegen fühlen sich Fußgänger*innen von Fahrrädern, die klingeln, oft belästigt. Aber lautloses Vorbeifahren ist gefährlich und auch keine Lösung. Laut Straßenverkehrsordnung ist die Fahrradklingel verbindlich vorgeschrieben.

X wie x-tra breite Autos nehmen Fußgänger*innen immer mehr Platz weg. Vielerorts ist das Parken auf dem Gehweg erlaubt, es gibt sogar ein Verkehrszeichen dafür. Nach gültigen Richtlinien muss der Gehweg mindestens 2,50 Meter breit sein. Trotzdem tolerieren die Ordnungsämter Restgehwegbreiten von 1,20 Meter und weniger. Zwischen bulligen Autos und Hauswand oder Zaun ist dann kaum noch Platz für Menschen mit Kinderwagen, Rollatoren oder Rollstuhl oder einfach zum nebeneinander Hergehen oder sich Begegnen – schon gar nicht mit Corona-Mindestabstand.

Z wie Zebrastreifen Früher gehörte die Stadt selbstverständlich den Fußgänger*innen. Erst mit dem Aufkommen der Massenmotorisierung befand man es für nötig, einen Zebrastreifen zu erfinden. In Deutschland pinselten Ende der 1930er Jahre die ersten Städte die weißen Balken auf ihre Straßen. Sonderbar nur: Die Querstreifen wirken eher wie eine Barriere für die Fußgänger*innen  als für die Autos. Initiativen, die Balken aus Fußgänger*innensicht längs zu malen, liefen aber mehrmals ins Leere.

Tim Albrecht, Katharina Baum, Benjamin Kühne, Uta Linnert 

fairkehr 2/2021