fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

Obere Wilhelmstraße 32 | 53225 Bonn | Telefon (0228) 9 85 85-85 | www.fairkehr-magazin.de

Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

VCD aktiv 4/2020

VCD-Aktivenportrait

Politik ist sein Hobby

Fritz Viertel, Vorsitzender des VCD Brandenburg, engagiert sich für sozial gerechte Mobilität – und für mehr Straßenbahn.

Fritz Viertel, Vorsitzender des VCD Brandenburg, engagiert sich für sozial gerechte Mobilität – und für mehr Straßenbahn.

Vom Praktikanten zum Vorstandsvorsitzenden in weniger als einem Jahr: Das ist die schnelle VCD-Karriere des 28-jährigen Fritz Viertel. 2018 macht der damalige Student für Geschichte und Sozialwissenschaften ein Praktikum in der Geschäftsstelle des VCD Brandenburg. Nach den drei Monaten fragen ihn die VCD-Kolleginnen und -Kollegen, ob er nicht für den Vorstand kandidieren wolle. Viertel hat zu der Zeit bereits zehn Jahre Erfahrung mit politischer Arbeit: Ab der 10. Klasse setzt er sich in der Schülervertretung und als Schülersprecher dafür ein, dass Schülerinnen und Schüler mehr mitbestimmen dürfen. Er engagiert sich als Sprecher im Jugendbeirat seiner Heimatgemeinde Schöneiche bei Berlin und im Vorstand des Ortsverbands der Linken. 2012, mit 21 Jahren, wird Fritz Viertel deren Vorsitzender. Auf Bundesebene arbeitet er in der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der Linkspartei mit.

Was hat den jungen Mann dazu bewegt, auch für den VCD ein Amt mit viel Verantwortung zu übernehmen? Er habe eine Weile überlegt, erzählt Viertel. Was ihn reizte: „Ich schaue als VCD-Aktiver aus einer anderen Perspektive auf Politik. Hier bin ich derjenige, der Politikerinnen und Politiker berät, Lobbyarbeit betreibt, auch mal Druck macht“, sagt er. Er könne sich auf die fachliche Arbeit konzentrieren, ohne dass er Wählerinnen und Wähler überzeugen müsse: „Das ist ein angenehmer Kontrast.“

Weshalb Viertel sich außerdem beim VCD engagiert: wegen seiner Liebe zur Straßenbahn. Viertel, der kein eigenes Auto hat, ist nicht nur Fan und Fahrgast: Seit sieben Jahren steuert er als Gastfahrer die Linie 88 der Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn. Sie verbindet die Gemeinde mit der Berliner S-Bahn. So lernte Viertel den ÖPNV aus der Mitarbeiter-Perspektive kennen. Und begann, sich für Verkehrspolitik zu interessieren.

Als VCD-Landesvorsitzender setzt er sich für eine Renaissance der Straßenbahn ein. Sie sei das beste Verkehrsmittel in Städten und auch für ländliche Regionen: etablierte E-Mobilität, ökologisch, schnell, sicher, zuverlässig. Viertel stellt fest, dass sich die Meinung vieler Politiker pro Tram entwickelt habe: „Vor einigen Jahren zeigte man uns Linken noch den Vogel, als wir forderten, die Linie in Schöneiche auszubauen. Heute stellt das niemand mehr grundsätzlich in Frage.“

Wege müssen kürzer werden

Gemeinsam mit vielen anderen Verbänden, Gewerkschaften und Bürger­initiativen hat der VCD Brandenburg im vergangenen August die Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“ gestartet. Das Bündnis fordert das Land unter anderem auf, den Anteil von Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr im Vergleich zu heute bis 2035 zu verdoppeln. Für Viertel ist das auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit: Die Ärm­sten der Gesellschaft sind Lärm und Abgasen am meisten ausgesetzt, weil sie öfter an stark befahrenen Straßen wohnen. Sie brauchen Busse und Bahnen. Dass Tickets bezahlbar sind und der ÖPNV funktioniert, ist für sie eine Existenzfrage.“ Viertel fordert: Die Wege in den Städten und Gemeinden müssen wieder kürzer werden, damit die Menschen mehr zu Fuß gehen oder Rad fahren. Supermärkte, Kitas, Schulen, Arztpraxen – die soziale Infrastruktur in den Kommunen müsse wieder gestärkt werden. Hier müssten Land und Bund investieren.

Seit April arbeitet Fritz Viertel für die Landtagsfraktion der Linken als Referent für Mobilität und Infrastruktur. Damit, sagt er, habe er sein Hobby zum Beruf gemacht: „Gerade in den ersten Monaten des neuen Jobs, als ich wegen des Lockdowns im Homeoffice war, habe ich mich abends oft gefragt: Was habe ich eigentlich für die Arbeit getan? Das hat sich wie Freizeit angefühlt.“

Kirsten Lange

fairkehr 4/2020