fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 2/2020

#WirBleibenZuhause

Freizeit währen der Corona-Krise

Die Reisebeschränkungen haben so manchen schönen Urlaubsplänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch wenn die Regeln der Bundesländer sich unterscheiden: Radfahren und Laufen in der Frühlingsluft ist überall erlaubt.

Der Frühling erwacht – unser Drang, sich zu bewegen, ebenfalls. Eine Joggingrunde am Rhein unter blühenden Magnolien mit Blick auf den Drachenfels weckt die Lebensgeister. Erkunden Sie Ihr Wohnumfeld: Wer sich zu Fuß oder mit dem Rad auf den Weg macht, entdeckt mehr Frühlingsgrün als gedacht. Aber: Abstand halten!

Liebe Leserinnen, LIebe Leser! Die weltweite Corona-Pandemie hat unsere Reisepläne auf den Kopf gestellt. Während wir dieses Heft produzieren, stehen Ausgangsbeschränkungen, geschlossene europäische Grenzen und die beispiellose Rückholaktion weltweit gestrandeter Tourist*innen auf der Tages­ordnung. Statt zu verreisen lautet das Gebot der Stunde: #WirBleibenZuhause, mindestens bis zum Erscheinungstermin dieser fairkehr-Ausgabe.

Sicher hat jeder und jede von Ihnen schon Strategien entwickelt, mit der Krise umzugehen. Viele von uns arbeiten mobil von zuhause ­­— mit und ohne Kinder. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, täglich die Wohnung zu verlassen und sich an der frischen Luft zu bewegen. Denn das Draußensein in der Natur tut Körper und Seele gut, stärkt unsere Immunabwehr, baut Stress ab, lindert Ängste  und macht uns stark und glücklich. Lesen Sie, wie die fairkehr-Redaktion in diesen Zeiten heiter und beweglich bleibt. Außerdem zeigen wir Ihnen auf den folgenden Seiten Bilder vom Frühling am Rheinufer aus der fairkehr-Heimatstadt Bonn, aufgenommen vom Fotografen Christian Oeser.

Lauf dich glücklich

Benjamin Kühne, Redaktion

Der Stimmung hilft vor allem eins: Sport an der frischen Luft.

Laufen macht glücklich. „Die Stimmung hebt sich, und ein Gefühl kommt auf, in Harmonie mit der Umgebung zu sein“, beschrieb der amerikanische Psychiater und passionierte Jogger Herbert Wagemaker 1980 einen Effekt, den er „Runners High“, zu Deutsch etwa „Läuferhoch“, nannte. Und ja, man kann gegen den Corona-Blues anlaufen. Ich hab´s selbst ausprobiert. Dabei kommt es weniger auf die Geschwindigkeit beim Joggen an als auf die Dauer: Wenn man den Körper lange genug fordert, schüttet er Glückshormone aus.

Normalerweise neige ich dazu, es schnell anzugehen. Dann geht mir nach guten fünf Kilometern und 25 Minuten die Puste aus. Ein Läuferhoch stellt sich nicht ein. Damit mir das nicht wieder passiert, laufe ich heute in Begleitung. In Bonn ist das trotz Coronakrise derzeit noch erlaubt – gemeinsam mit einer Freundin und 1,5 Meter Abstand. Meine Laufpartnerin gibt das Tempo vor. Mit entspannten 10 km/h geht es auf der mit Kopflinden gesäumten Uferpromenade am Rhein entlang Richtung Süden auf das Siebengebirge zu. Rechter Hand joggen wir an der Skyline mit Posttower und dem früheren Abgeordnetenhochhaus „Langer Eugen“ vorbei, in dem heute diverse UN-Organisationen sitzen. Über die Südbrücke laufen wir auf die linksrheinische Seite, dann in nördliche Richtung gen Innenstadt und über die Kennedybrücke zurück nach Hause auf die Schäl Sick – die von den Rheinländern so verhöhnte „falsche“ Rheinseite.

Als ich nach knapp 70 Minuten und einer absolvierten Strecke von 12 Kilometern wieder vor der Haustür stehe, fühle ich mich bärenstark und selbstbewusst, als ob ich auch noch den Rest eines Halbmarathons hätte laufen können. Die Euphorie hält  noch einen Tag lang an. Keine Spur mehr vom Corona-Blues!

Musiker geben Freiluftkonzerte und erfreuen damit Menschen, die nicht rausgehen dürfen oder auf Krankenstationen um ihr eigenes Leben
oder das der Patienten kämpfen. Viele Künstler streamen Hauskonzerte, große Kunsttempel laden uns zu Aufführungen und in Ausstellungen ein.

Kreativ-Parcours

Maxi und Tim, Redaktion

Mit Besen in der Hand über den Gartenschlauch

Wie viele andere Eltern suche ich mit meinem Sohn
Maxi (8) nach kreativen Wegen, die Langeweile zu vertreiben. Neben den Schulaufgaben spielen wir Papa-Sohn-Baseball im Park oder begeben uns mit Jim Hawkins und dem charismatischen Piraten Long John Silver auf die auch für mich wieder atemberaubende Reise auf die Schatzinsel.

Aber am meisten Spaß hat uns bisher unser selbstgebauter Indoor-Parcours gemacht. Inspiriert hat uns der Schweizer Freestyle-Skifahrer Andri Ragettli. In einem auf Twitter geteilten Video zeigt er, wie man den Outdoor-Sport-Parcours in die eigene Wohnung verlegen kann: Er  springt im Wohnzimmer von Fitnessball zu Fitnessball, balanciert auf einer Faszienrolle über die Küchenanrichte oder nutzt ein kleines Trampolin für einen Seitwärtssalto auf ein Bücherregal.

Das können wir auch! Den Parcours hecken Maxi und ich gemeinsam aus. Als kleiner Seiltänzer läuft er mit einem Besen in der Hand über einen Gartenschlauch, steigt rückwärts die Treppe hoch und tanzt nach einem Purzelbaum auf der Yogamatte Limbo unter einer Stange durch. Den Schlusspunkt setzt ein Dunk in den Mini-Basketballkorb im Kinderzimmer. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und beim nächsten Parcours lachen wir bestimmt wieder genauso viel!

Elfmeterschießen im Parkhaus

Denise, Art Direction

Kleine Kinder wollen toben

Meine Tochter Marie weckt mich regelmäßig um 6:15 Uhr mit den Worten: „Mama, steh auf, es ist hell, wir basteln!“ Da Basteln allein jedoch nicht den Bewegungsdrang einer quirligen Vierjährigen stillt, legen wir nach dem Basteln eine Sportstunde mit dem Kids-Sportprogramm von Alba-Berlin ein. Ist ein bisschen Zeit vergangen und das Mittagessen verdaut, heißt es oft: „Mama, komm, wir rennen.“ Das ist einfacher gesagt als getan, denn wir wohnen mitten in der Innenstadt auf einem Parkhaus. Also warum nicht aus der Not eine Tugend machen und das verwaiste Parkhaus zum Spiel- und Sportplatz umfunktionieren? So sind mittlerweile die oberen beiden Parkdecks vollständig in Kinderhand. Da wird gerannt, Tretroller und Fahrrad gefahren oder auch einfach mal Elfmeterschießen geübt.

Den Blick in die Zukunft des Reisens wagen wir noch nicht; wir genießen den Augenblick und schmieden Pläne für die Zeit danach.

Blauer Himmel, Sonnenschein

Uta, Chefredaktion

Zu Hause kann ich glücklich sein.

Manchmal vergesse ich, dass da draußen das Virus umgeht. Ich schaue in meinem kleinen Garten in blauen Himmel ohne Kondensstreifen und freue mich, wie die Bienen summen im blühenden Birnbaum. Gestern habe ich Rhabarber­kuchen gebacken und ihn über die Gartenmauer mit den Nachbarn geteilt. Die Arbeit an den fairkehr-Seiten von zu Hause aus klappt gut – schon früher habe ich mich in hektischen Zeiten aus der Redaktion ins ruhige Home-Office geflüchtet.

In der Videokonferenz klagten die Kolleg*innen über die Ausgangsbeschränkung. Ihnen fehlen die Fußballabende mit Freunden, das Basketballtraining, der Ruderverein. Sie sehen den Lagerkoller auf sich zukommen. Ich stelle fest, dass ich sehr gut darin bin, die Entschleunigung, die sich eingestellt hat, auszuhalten. Das liegt vielleicht daran, dass ich vor ein paar Jahren lange krank war und etliche Monate weder ins Büro noch zum Sport gehen konnte. Ich war auf mich zurückgeworfen und musste lernen, mich in meinem Leben mit mir einzurichten. Da wird man demütig.

Viele machen sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Familien, um ihren Job, ihre Existenz. Für Eltern sind geschlossene Kitas und Schulen eine große Belastungsprobe.

Ich empfinde meine persönliche Lage als sehr privilegiert. Isolation im Haus mit Garten fühlt sich anders an als in kleinen Wohnungen mit zwei Kindern ohne Balkon.

Mit Bewunderung lese ich, wie Menschen sich bis zur Erschöpfung um Kranke kümmern. Die Zahlen der weltweit Neuinfizierten – gerade in Ländern, wo es wenig medizinische Hilfe gibt, sind furchtbar. Menschen in Kriegs- und Krisengebieten sind dem Virus hilflos ausgeliefert.  Deswegen kann ich über Nachmittage mit Vogelgezwitscher im Garten nicht klagen. Singen die Meisen und Amseln nicht viel lauter und fröhlicher, seit in der Stadt weniger Autos fahren? Auch die Kinder, die auf der Fahrbahn unserer Wohnstraße Kreidebilder malen, sind ein Lichtblick. Und dass ich gesund bin auch.

Spargelzeit!

Katharina, Volontariat

Ernte ohne Arbeitskräfte?

Corona beeinflusst auch die Landwirtschaft. Erntehelfer fehlen. Ich frage mich: Kann und soll ich helfen?

Ich besuche Hajo Kaemena auf seinem Spargelhof in Bremen-Oberneuland. Auf dem Feld ernten drei polnische Arbeiter gerade den ersten Spargel der Saison. „Diese drei Männer sind schon seit über einer Woche hier. Sie hatten keine Probleme bei der Einreise“, erklärt Kaemena. Ob die übrigen Erntehelfer kommen werden, weiß er noch nicht. „Einige wollen nicht kommen, aus Angst, nicht mehr zurück nach Hause zu können.“ Außerdem änderten sich die Reisebestimmungen für Erntehelfer fast täglich.

Für seinen eigenen Betrieb ist Kaemena einigermaßen zuversichtlich: Für die 4,5 Hektar Spargelfelder, die er bewirtschaftet, braucht er circa 15 Erntehelfer. „Für größere Betriebe, die Hunderte Helfer brauchen, wird es schwierig.“ Aus der Bevölkerung erfährt er große Hilfsbereitschaft: Über

300 Menschen haben ihm innerhalb von zwei Tagen ihre Mitarbeit angeboten. Das hilft aber nur bedingt: „Den meisten ist nicht klar, dass Spargelstechen harte körperliche Arbeit ist. Man verbringt viel Zeit in ge­bückter Haltung. Ungeübte Erntehelfer können außerdem die Spargelpflanze nachhaltig beschädigen“, erklärt mir Kaemena.

Spargel zum Selberernten ist also keine Option. Hajo Kaemena will seine Ernte wie gewohnt an seinen Spargelbuden verkaufen, mit verstärkten Hygie­neauflagen. Auch einen Lieferdienst per Fahrradkurier erwägt er. Der erste Spargel zu Ostern ist gesichert. Wie es danach weitergeht, bleibt abzuwarten.

#stayathome – Wir bleiben zu Hause!

Sie haben schon alle Bücher im Bücherregal zweimal gelesen? Den Keller ausgemistet, die Küchenschränke abgestaubt und fünf Staffeln Ihrer Lieblingsserie geguckt? Dann haben wir noch ein paar Tipps für Sie, was Sie mit Ihrer freien Zeit auf dem Sofa und rund ums Haus anfangen können.

Natur und Umwelt

Sowohl der NABU als auch der BUND haben auf ihren Websites umfangreiches Material zusammengestellt, wie man den Frühlingsanfang auch im Kleinen genießen kann. Dort finden sich Anleitungen zum Bau eines Bienenhotels oder Fledermauskastens und zum Gärtnern auf dem Balkon. Mit Lehrfilmen und -materialien oder dem NABU-Vogeltrainer können Kinder spielerisch mehr über die heimische Flora und Fauna sowie Umwelt- und Naturschutz lernen.

Kultur

Über 2 000 Museen weltweit haben der Plattform Google Arts and Culture virtuelle Rundgänge durch ihre beeindruckenden Sammlungen zur Verfügung gestellt, teils mit weiteren Informationen zu Exponaten oder Audio-Guides. Besucher können so von der Couch aus zum Beispiel das Rijksmuseum in Amsterdam, das Musee d´Orsay in Paris oder das Pergamonmuseum in Berlin erkunden. Besonders spannend: Das Projekt „Museum of the world“ des British Museum in London.

Viele Konzert- und Opernhäuser bieten Live-streams von Wohnzimmerkonzerten oder On-Demand-Videos von Aufführungen, teilweise aus dem Archiv. Dazu gehören zum Beispiel sowohl die Berliner, die Bayerische und die Wiener Staatsoper als auch die Metropolitan Opera New York. Die Berliner Philharmoniker finden Sie in ihrer Digital Concert Hall.

Auch die Hamburger Elbphilharmonie zeigt unter #elphiathome ein Online-Konzertprogramm.

Vor Ort unterstützen

Die Corona-Krise trifft kleine und mittelständische Unternehmen oft besonders hart. Weil staatliche Hilfen nicht ausreichen oder nicht schnell genug greifen, sind in den letzten Wochen weltweit viele Non-Profit-Initiativen entstanden – Stichwort: Support Your Local! So kann man beispielsweise unter supportyourlocalbar.com an seine Lieblingsbar oder sein Lieblingsrestaurant per PayPal ein Trinkgeld schicken. Unter lokal.help können Gutscheine für Geschäfte gekauft werden, die wegen der Corona-Regulierungen vorübergehend schließen mussten. So kann für diese Geschäfte auch während der Schließung etwas Einkommen generiert werden. Auch wer seine Online-Einkäufe bei lokalen Händlern anstelle von Amazon erledigt, leistet einen Beitrag.

fairkehr 2/2020