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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Familie 2/2020

Familienmobilität

Radfahren mit Kind

Kinder können von klein auf selbstständig mobil sein. Nur so lernen sie, sich im Verkehr zurechtzufinden. Die fairkehr gibt Tipps für Eltern, die ihren Kindern das Radfahren beibringen wollen.

Bevor es auf Bürgersteig oder Radweg geht, sollten Eltern mit ihren Kindern die Grundlagen des Radfahrens, wie das
Pedalieren und das Balancehalten, an Orten ohne oder mit wenig Verkehr üben. Etwa im Grünen, in Parks, auf leeren Parkplätzen oder in Spielstraßen.

Der VCD rät vom Elterntaxi ab – die Gründe sind vielfältig: Eltern, die ihre Kinder direkt vor das Schultor fahren, gefährden beim Rangieren andere Kinder. Schüler*innen, die im Auto zum Unterricht gebracht werden, lernen nicht, sich eigenständig und sicher im Verkehr zu bewegen. Umweltschädlicher als der Schulweg zu Fuß, per Fahrrad, Bus oder Bahn ist die Autofahrt ebenfalls. Dennoch bringen viele Familien – egal ob in der Stadt oder auf dem Land – ihre Kinder im Auto zur Schule und in den Kindergarten. Das Elterntaxi ist ein Resultat autozentrierter Verkehrsplanung, die die Bedürfnisse von Menschen, egal welchen Alters, nicht berücksichtigt.

„Kinder sollten ihre Wege von klein auf selbstständig zurücklegen. Erst zu Fuß, dann folgen Dreirad, Laufrad, Roller und Fahrrad. Zur Vorbereitung auf den Weg zur Schule oder zum Kindergarten sollten Eltern die Strecke von der Haustür zu Institution mit ihren Kindern üben“, sagt Anika Meenken, VCD-Sprecherin für Radverkehr und Mobilitätsbildung.

Schauen wir uns dazu Caroline aus Berlin an. Ihr ist es wichtig, dass ihr Sohn (4 Jahre) sich selbstständige entwickeln kann. Sie setzt dabei ganz klar aufs Fahrrad. „Das Fahrrad ist eine großartige Möglichkeit für ihn, sich wie die Großen fortzubewegen“, sagt sie.

Mit anderthalb Jahren schnappte er sich direkt das Laufrad. Heute legen die beiden eine tägliche Fahrradstrecke von rund acht Kilometern zurück – und das in Berlin. „Wir sind trotz der nicht optimalen Bedingungen zu 95 Prozent mit dem Fahrrad unterwegs, schlängeln uns durch kleine Straßen oder Parks an den großen Straßen vorbei.“ Allerdings fügt Caroline hinzu: „Es ist in der Stadt eine große Herausforderung, dem Kind diese Selbstständigkeit zu ermöglichen!“

Worauf sollen Eltern achten?

Hier kommen 13 Berlin-erprobte Tipps für fahrradmotivierte Eltern und Kinder, die auch in anderen Städten und auf dem Land funktionieren.

→ 1. Vertrauen

Fahrradfahren bedeutet Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Dafür müssen Mütter, Väter und Kinder bereit sein. Es braucht Vertrauen und Sicherheit der Eltern, dann kann es losgehen!

→ 2. Vorbilder

Fahren Eltern und Geschwister Rad, so will das auch das jüngste Familienmitglied. Die Vorbildwirkung ist enorm. Also sollten Familien das Fahrrad in den Alltag integrieren und in der Freizeit Radausflüge machen.

→ 3. Fahrradliebe

Radfahren soll Spaß machen und frei sein von Erwartungen, Zeitdruck und Erfolgswünschen. Es ist okay, wenn man mal nicht ans Ziel kommt. Auch dass Kinder beim Üben mal hinfallen ist normal. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen. Der Weg ist das Ziel!

→ 4. Kinder geben das Tempo vor

Von klein auf ist die Erkenntnis wichtig, dass das Fahrrad der komfortablen, eigenständigen Mobilität dient. Es ist ein Mittel zum Zweck, das glücklicherweise auch als Hobby- und Sportgerät richtig Spaß macht. Es gilt: Bei jeder Ausfahrt ein konkretes Fahrziel zu haben motiviert, abstrakte Begriffe stören den Spaß. Das Kind gibt das Tempo vor.

→ 5. Das Fahrrad

Kinder brauchen ein gut passendes, solides, leichtes Fahrrad. Ein zu großes Gefährt oder Stützräder sind in der Lernphase kontraproduktiv.

→ 6. Die Ausstattung

Für die Sichtbarkeit sind Fahrradlampen, Reflektoren, Fähnchen oder Wimpel sowie reflektierende und gut sitzende Kleidung wichtig. Für die subjektive Sicherheit darf ein Helm nicht fehlen, auch wenn es weder für Kinder noch für Erwachsene eine Helmpflicht gibt. Eine Klingel ist hilfreich, damit Kinder auf sich aufmerksam machen können. Dinge, die die Nachwuchsradler ungelenk oder schwer machen, sollte man am Anfang lieber weglassen. Tasche, oder Gepäckträger kommen später.

→ 7. Zeit für Erfahrungen

Enorm wichtig sind Muße und Gelassenheit der Eltern. Fehlende Zeit fürs Fahrtraining kann nicht durch Produkte kompensiert werden. Eine gute Ausstattung ist unerlässlich. Aber um sich sicher im Verkehr zu bewegen, müssen Kinder eigene Erfahrungen machen – und dafür brauchen sie Zeit.

→ 8. altes Rad in Zahlung geben

Damit Wachstumsschübe keine tiefen Löcher ins Portemonnaie reißen, kann man bei vielen Radläden zu kleine Kinderräder in Zahlung geben. Beim Kauf eines neuen Rades bekommt man dafür oft einen guten Preis. Das alte wird überholt und weiterverkauft. Daher kann man auch selbst nach einem günstigen gebrauchten Rädchen Ausschau halten.

→ 9. Generation Laufrad

Der Nachwuchs kann von etwa anderthalb bis zu drei Jahren aufs Laufrad und ist damit eigenständig mobil. Beim Radfahren ab etwa drei Jahren müssen nur noch die Kniffe fürs Pedalieren und Bremsen gelernt werden, denn die optimalen Voraussetzungen wie Gleichgewicht, Balance, Dynamik und Lenkverhalten sind seit frühen Tagen verinnerlicht. Wer ein Laufrad kauft, sollte darauf achten, dass es im Lenk- und Fahrverhalten einem großen Fahrrad ähnelt und es nicht in der Kurve vorn angehoben werden muss.

→ 10. Generalproben und Wege

Optimal für die ersten Fahrten sind bekannte Orte wie Nachbarschaften, Fußgängerzonen, Parks und Wohnanlagen. Dort proben Eltern mit ihren Kinder am besten unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten, kleine Hindernisse, Steigung und Gefälle, bevor es auf den Bürgersteig oder den Radweg geht.

→ 11. Verkehrstraining

Verkehrsregeln, Rücksichtnahme und Umsicht werden erst verinnerlicht, wenn die Generalprobe sicher absolviert wurde. Kinder, die von klein auf mit dem Rad unterwegs sind, bringen automatisch eine Sensibilität für das Verkehrsgeschehen und andere Verkehrsteilnehmer mit. Radübungsplätze sind nett, aber unrealistische Verkehrsbiotope. Sie spiegeln das Verkehrsgeschehen nicht wider. Immer daran denken: Es sind Kinder. Sie sind wild, sie rennen, träumen, spielen. Auch die beste Verkehrserziehung macht sie nicht so vorausschauend wie Erwachsene. „Üben, üben, üben im Alltag und im Reallabor Verkehr ist das Einzige, was beim Erwerb der nötigen Verkehrskompetenzen hilft“, sagt VCD-Frau Meenken.

→ 12. Radfahrprüfung

Je nach Übung und psychomotorischen Fähigkeiten bringt ein Kind mit acht bis zehn Jahren alle körperlichen und geistigen Fähigkeiten mit, die es für das Unterwegssein allein im Straßenverkehr braucht.
Was viele Eltern nicht wissen: Eine absolvierte Radfahrprüfung in der Schule ist keine Voraussetzung für eine selbstständige Radfahrt des Kindes zum Unterricht. Ausschlaggebend sind die Art des Weges und die Reife des Kindes. Eltern dürfen selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder allein mit Rad, Roller, Skateboard, Skiern oder Boot zur Schule fahren lassen. Der Nachwuchs ist dabei unfallversichert.

→ 13. Hinfallen und aufstehen

Dass Kinder auch mal hinfallen, ist unvermeidbar und für sie eine wichtige Lernerfahrung. Daher gilt: Pflaster einpacken, Trost spenden und immer wieder aufsteigen.

Karen Rike Greiderer
Benjamin Kühne


fairkehr 2/2020