Service 2/2019
Postfossil mobil
Velowerft Bonn: Lastenräder aus Holz
Einfach anfangen mit der Verkehrswende: In Bonn hat die Initiative Velowerft acht Lastenräder für den kostenlosen Verleih gebaut.
Wann bist du zuletzt mit dem Lastenrad gefahren? Die Akteure der Bonner Velowerft starten ihren Workshop, indem sie reihum antworten. Im letzten Jahr haben sie gemeinsam acht Lastenräder gebaut. Sechs davon stehen draußen vor der Werkstatt. Ihr Arbeitsziel für heute: Erfahrungen austauschen und Baufehler nachbessern.
Die Velowerft ist ein Projekt von „Bonn im Wandel e.V.“, gefördert für zwei Jahre durch das Bundesumweltministerium mit Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative. Das Projekt soll die Bonner im Sinne der Transition-Town-Idee resilienter machen, also weniger abhängig von fossilen Rohstoffen und widerstandsfähiger bei Engpässen und Krisen. Das gelingt, wenn sich Bürgerinnen und Bürger gemeinschaftlich engagieren, befähigen und vernetzen, Wissen und Kompetenz teilen. Für das Velowerft-Projekt war es also nicht nur wichtig, postfossil mobil zu werden, sondern auch, die Lastenräder selbst zu entwerfen und zu bauen, statt zu kaufen.
Erste Fahrerfahrungen
Die Frachträder sind seit November letzten Jahres fertig, die Testphase ist fast abgeschlossen. Heute Nachmittag will die Gruppe ein paar „Kinderkrankheiten“ der Räder heilen: Ein Fahrradständer hakt, zwei Elektromotoren streiken, ein Kettenschutz fehlt und eine Gangschaltung braucht Justierung.
Der Vormittag gehört dem Erfahrungsaustausch. Alle testen seit einigen Monaten ihr Lastenrad: Eva Gerlitz von Foodsharing rettet mit dem Velowerft-Rad Lebensmittel. „Ich plane mit der großen Kiste Wege anders als mit dem normalen Rad“, sagt die junge Frau. Die „Solidarische Landwirtschaft“ fährt Geräte und Kompost zwischen den Äckern hin und her, die Hausgemeinschaften und Nachbarschaften fahren zum einkaufen und bringen Kinder zur Kita oder zum Turnen. Das Rad „BolleXXL“ hat die freie Lastenradinitiative „Bolle Bonn“ für den kostenlosen Verleih an alle Stadtbewohner gebaut.

Die meisten Lastenkilometer hat bisher der Verein „Abenteuer Lernen e.V.“ zurückgelegt. Julia Rohde und Paul Hennig nutzen das Frachtrad jede Woche für etwa 100 Kilometer. Sie transportieren alles, was sie für ihre Kurse mit Kindern und Jugendlichen brauchen: Lernmaterial, Snacks, Kleidung, Geräte. Früher sind sie diese Strecken mit dem Auto gefahren. „Wir ersparen dem Klima und der Stadtluft jede Menge CO2 und Abgase“, sagt Paul Hennig, „Wir fahren oft vollbepackt längere Strecken, auch bergauf. Da bin ich froh, dass wir uns für einen E-Antrieb entschieden haben.“ Andere Initiativen haben sich wegen des einfacheren Wartungsaufwands gegen einen Motor entschieden.
Für ihren Verein haben Hennig und Rohde ein zweirädriges Lastenrad gebaut mit einer Holzkiste zwischen Lenker und Vorderrad. Die Jugendlichen, mit denen sie arbeiten, finden das Rad cool und probieren es gern aus. Künftig will der Verein das Rad außerhalb der Arbeitszeiten an Mitarbeiter und vielleicht auch Nachbarn verleihen.
Kompetenzteam engagiert
Der Workshopkreis ist gut organisiert: Jede Nutzungsgemeinschaft hat für sich Unterbringung, Ausleihe und Bekanntmachung der Frachträder geklärt. Heute tauschen sich die Mitglieder darüber aus, sie helfen sich gegenseitig mit Ideen und Tipps, klären Fragen und Schwierigkeiten. Lösungen finden sich wie von selbst.
Ein so umfangreiches Projekt braucht neben guter Organisation und persönlichem Engagement auch Expertise. „Wir wollten das Rad ja nicht neu erfinden, sondern lernen, eins zu bauen“, sagt Ulrich Buchholz von „Bonn im Wandel“. „Deshalb haben wir Lastenradexperten engagiert.“ Zum Kompetenzteam gehören der Bootsbauer, Industriedesigner und Lastenradbauer Sven Bastiaen Schulz, die Tischler Wilfried Nissing und Maurice von den Driesch sowie Fahrradmechaniker Matthias Mäueler. Sie haben mit der Gruppe Anforderungen und Wünsche besprochen, Modelle diskutiert, Material gesichtet, Prototypen aus Pappe gebaut, Pläne justiert. Wochenende um Wochenende haben sie kleben, schleifen, lackieren, fräsen, schweißen und schrauben gelernt und echte Transporträder gebaut.
Die dreirädrigen Modelle haben eine Ladefläche hinter dem Sitz so groß wie eine Europalette. Das Ladegewicht beträgt 100 Kilogramm. Bis auf Laufräder, Antrieb, Schaltung und E-Motor sind sie aus Holz gebaut. Das langlebige Robinienholz stammt aus dem Kölner Stadtwald. Auf die Frage „Wie lange halten die selbst gebauten Holzräder denn?“, antwortet Schreiner Nissing: „Ewig! Sie sind so gebaut, dass wir sie immer wieder reparieren können.“
Valeska zepp
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