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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 1/2019

Radwege, Bahnstrecken, Fähren

Der kleine Grenzverkehr

Oft sind es nur kleine Lücken, die die Länder schließen müssen, damit Menschen ihre europäischen Nachbarn umweltfreundlich erreichen. Eine Auswahl guter Projekte.

Vor 100 Jahren verband die Vennbahn die Kohlereviere um Aachen mit den Hütten in Lothringen und Luxemburg. Heute können Radler fast 130 Kilometer entlang der Gleise durch Deutschland, Belgien und Luxemburg fahren.

Der 3-Länder-Radweg

„Lang lebe die Euregio Rhein-Maas!“, jubelte fairkehr-Kolumnist Martin Unfried im Herbst 2014. Damals war er erstmals über den Vennbahn-Radweg gesaust, einen der längsten Bahntrassenradwege Europas, von Aachen nach Troisvierges in Luxemburg. Die ehemalige Bahnstrecke durch das Hohe Venn verwandelten deutsche, belgische und Luxemburger Partner in einen 125 Kilometer grenzüberschreitenden Fahrradweg, gefördert mit Interreg-Geldern der EU. Die Projektpartner bauten fehlende Teilstücke aus, richteten Rastplätze ein und installierten Beschilderungen und ein Leitsystem. Sie produzierten Broschüren, Tourenplaner, eine App, einen Imagefilm, eine Webseite in vier Sprachen. Gesamtinvestitionen laut Auskunft der Projektpartner: 14,5 Millionen Euro. Etwa 1,1 Millionen davon waren EU-Mittel, um den Radtourismus in der Eifel-Ardennen-Region zu fördern.

fairkehr-Kolumnist Unfried genoss auf seiner Tour die grenzüberschreitende „Freiheit der Kreuzungslosigkeit“. Das Wunder der Vorfahrt. Das, was Autofahrer auf der Autobahn täglich fühlen dürften. Bittere Ironie im Fall der Radbahn: „Nur der Niedergang der Eisenbahn hat als touristisches Abfallprodukt den Bahnradweg geschaffen“, so Unfried. „In der Autobahngesellschaft sind dagegen Investitionen in wirklich neue Radbahnkilometer im Stil einer Eisenbahntrasse immer noch undenkbar.“

Immerhin: Die Vennbahn-Webseite bewirbt die Rückreise mit dem Zug.

Die Rückkehr der Tram

Die Trambrücke über den Rhein in Kehl ermöglicht die Straßenbahnfahrt nach Strasbourg.

Kehl hat eine, Saarbrücken hat eine, Weil am Rhein ebenfalls: eine Straßenbahn ins Nachbarland – nach Strasbourg, Saarguemines, Basel.

Ein schönes Symbol für den Lückenschluss – oder in diesem Fall: Brückenschluss – an einer EU-Grenze: Seit knapp zwei Jahren fährt eine Straßenbahn über die neue Rheinbrücke zwischen Kehl und Strasbourg, benannt nach dem deutschen Humanisten Beatus Rhenanus. Dessen Familie stammte aus dem Unterelsass. Auf der Trambrücke können auch Fußgänger und Radfahrer die Grenze überqueren. Die alte Rheinbrücke hatten deutsche Soldaten 1944 zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren lediglich Busse zwischen Kehl und Strasbourg.

Aus Saarbrücken fahren seit 1997 Regionalstadtbahnen nach dem sogenannten Tram-Train-Prinzip ins lothringische Saarguemines, bedient von der Saarbahn. Die Züge können sowohl auf Tramschienen als auch auf Eisenbahnschienen rollen.

Aus Weil am Rhein kommen Fahrgäste seit Dezember 2014 mit der Straßenbahn ins schweizerische Basel. Zuvor hatte es fast 50 Jahre lang keine Tramverbindung zwischen den Städten gegeben. In einem Faltblatt werben die Baseler Verkehrsbetriebe mit der „grenzenlosen Tramfahrt“. Bei der Eröffnungsfeier sagte Weils Oberbürgermeister Wolfgang Dietz, dass die Tramverlängerung weit mehr als nur symbolische Bedeutung habe: „Durch sie wird selbstverständlich, was wir im menschlichen und wirtschaftlichen Bereich im Dreiländer­eck alltäglich leben.“ Die verschiedenen Tramlinien ab Basel nach Deutschland, unter anderem nach Lörrach, waren in den 1950er- und 60er-Jahren aufgehoben worden.

Die Solarfähre

Die „Sankta Maria II“ am Tag der Taufe im November 2017. Die Champagnerflasche schwang der Luxemburger Erbgroßherzog Guillaume.

Seit mehr als 50 Jahren verbindet die Moselfähre „Sankta Maria“ die deutsche Gemeinde Oberbillig bei Trier mit ihrer luxemburgischen Nachbargemeinde Mertert-Wasserbillig. Die Gemeinden teilen sich Kosten und Ertrag. Weil die alte Dieselfähre in die Jahre gekommen war, beschafften sie sich die Elektro-Solarfähre „Sankta Maria II“. Sie pendelt seit Dezember 2017 zwischen Rheinland-Pfalz und Luxemburg. Mehr als 40 Prozent der Anschaffungskosten für das über 1,5 Millionen teure Elektroschiff übernahm die EU: Das Projekt erhielt Interreg-Mittel. Mit diesem Programm unterstützt die EU  grenzüberschreitende Kooperationen zwischen Regionen und Städten, die das tägliche Leben beeinflussen. Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Verkehrsministeriums spart die strombetriebene, leise Autofähre jährlich etwa 14  000 Liter Diesel ein.

2018 beförderte die Elektro-Solarfähre 78  500 Autos, 20  300 Fahrräder und 160  000 Fußgänger. Nach Auskunft des Oberbilliger Bürgermeisters Andreas Beiling steigen die Nutzerzahlen stetig an. Die Fähre sei an ihrer Kapazitätsgrenze, vor allem im Sommer, wenn viele Ausflügler und Touristen unterwegs seien. Im Winter setzen vor allem Pendler über. Zwischen Trier und dem etwa 20 Kilometer entfernten Wellen gibt es keine Brücke über die Mosel. Beiling wirbt mit dem Anschluss der Fähre an den ÖPNV: Die Bahnhöfe in Oberbillig und Wasserbillig seien nicht weit. An beiden Anlegestellen gibt es außerdem Ladestationen für E-Autos und Pedelecs.

Der Erbauer der Elektrofähre, das Stralsunder Unternehmen Ostseestaal, erhielt im November den europäischen Solarpreis 2018 in der Kategorie „Transport und Mobilität“. Die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien Eurosolar würdigte so Entwicklung und Bau der weltweit ersten vollelektrischen Solarautofähre für den Binnenverkehr.

Kirsten Lange 

1/2019