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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 4/2018

Hambacher Forst

Keine Verkehrswende ohne Energiewende

Foto: Marcus GlogerMichael Adler, Chefredakteur

E-Mobilität und Digitalisierung sind sinnlos, wenn wir nicht den dazu nötigen Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren. Deutschland tut gerade das Gegenteil. Den Ausstieg aus dem Klimaschutzziel bis 2020 beschloss die Große Koalition im Handstreich. Auch, weil sich CDU/CSU und SPD nicht auf ein Ausstiegsdatum aus der Braunkohle einigen konnten, dem Klimakiller Nummer eins in unserer Energieproduktion. Die Koalitionäre bildeten stattdessen die „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Sie soll bis Jahresende einen Fahrplan zum Kohleausstieg vorlegen. RWE will vorher Fakten schaffen: Der Hambacher Forst soll einem Braunkohletagebau weichen.

Ab dem 14. Oktober will der Braunkohlekonzern mit der Rodung beginnen. Wenige 100 Aktivisten haben sich zum Teil in Baumhütten verschanzt, um den 12 000 Jahre alten Wald zu retten. NRW stellt sich auf den größten Polizeieinsatz seiner Geschichte ein. Der Kampf um das 100 Hektar große Waldstück zwischen Köln und Aachen hat bundesweite Bedeutung. Er ist Symbol für den Kampf um ernstzunehmenden Klimaschutz in Deutschland. RWE beharrt mit Unterstützung der NRW-Landesregierung auf dem Recht, den Braunkohletagebau im Rheinischen Revier auszubauen. Aber ist, was legal ist, auch legitim?

Schauen wir wieder auf das Gesamtbild: Deutschland ist Weltmeister in der Braunkohle-Verstromung. Das Rheinische Revier ist die größte CO2-Schleuder Europas. Rund 100 Millionen Tonnen CO2 gehen auf das Konto der dortigen Großkraftwerke. Das ist ein Neuntel der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland – aus wenigen Kraftwerken mit Dinosauriertechnologie! Strom, der dort gewonnen wird, trägt einen CO2-Rucksack von rund einem Kilogramm pro Kilowattstunde. Wer damit E-Auto fährt, verdreifacht seinen CO2-Ausstoß im Vergleich zum Benziner. RWE und lobby­ierte Politiker behaupten, dass wir die Braunkohle für die Energiesicherheit und zur Begrenzung des Strompreises brauchten. Das ist falsch. Ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts, erstellt im Auftrag von Greenpeace, sagt: Wir können das Klimaschutzziel von 40 Prozent Reduktion bis 2020 noch schaffen, wenn wir bis dahin14 Braunkohleblöcke abschalten und bei weiteren die Kapazitäten drosseln und dafür erneuerbare Energien ausbauen. Strom würde genauso sicher wie bisher aus unseren Steckdosen fließen und müsste keinen Cent teurer werden.

Die Gewerkschaft der Polizei rät zur Besonnenheit im Falle des Hambacher Forsts. Die Grünen in NRW werden am 7. Oktober ihren Parteitag dort abhalten. Die Bundesumweltministerin Svenja Schulze plädiert dafür, das Ergebnis der Kohle-Kommission abzuwarten. Herbert Reul, der CDU-Innenminister aus NRW, zündelte derweil, indem er die Aktivisten als gemeingefährliche Linksradikale diffamiert. Er präsentierte Messer und Äxte, die angeblich bei den Waldschützern sichergestellt worden seien. Die „Waffen“ wurden allerdings erkannt, als Beweisstücke aus alten Fällen.

Bis Mitte Oktober finden familien­freundliche Waldspaziergänge im Hambacher Forst statt, jeden Sonntag ab 11.30 Uhr. Fahren Sie hin, ich werde es auch tun. #hambibleibt

Michael Adler, 
Chefredakteur 

4/2018