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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 3/2018

Kiezfest-Organisatoren

#4 Frau Bense, Jesse und Herr Garrels

Gemeinsam haben die Anwohner von drei Straßen in Hannover ein autofreies Kiezfest organisiert.

Ruhige Jazz-Musik erfüllt die Straße mit ihrem Klang. Speisen aller Art werden auf die Tische gestellt. Kinder verkaufen Flohmarktartikel, kurven mit BMX-Rädern und Rollern zwischen den Menschen umher. Einige Anwohnerinnen und Anwohner spielen Schach oder pflanzen Blumen in kleine Beete an den Straßenbäumen. An diesem Samstag im Juni herrscht ein komplett anderes Leben in einem kleinen Kiez im hannoverschen Szeneviertel Linden: Die Jacobsstraße, Minister-Stüve-Straße und Eleonorenstraße – ihre Anfangsbuchstaben ergeben den Festnamen Jamiel – sind für den Verkehr gesperrt, fast kein parkendes Auto blockiert Flächen. Für ein paar Stunden gehört der Asphalt den Feiernden.

Das Kiezfest, das vom VCD finanziell unterstützt wurde, geht auf eine Gruppe von engagierten Anwohnerinnen und Anwohnern zurück, die sich einige Monate lang regelmäßig trafen. Sie überlegten sich Programmpunkte, entwarfen einen Flyer, sammelten Geld, beantragten Straßensperrungen und informierten die Öffentlichkeit. Die 70-jährige Gisela Bense wohnt schon seit fast 40 Jahren im Kiez. Sie trommelte in ihrem Mehrfamilienhaus für die Veranstaltung, zog Pflanzen für die Straßenbegrünung und kochte Essen für die gemeinsame Straßenmahlzeit: „So viele Menschen wie in den vergangenen Wochen habe ich in all den Jahren hier nicht kennengelernt“, freut sie sich. „Ich habe auch nicht gewusst, dass hier so viele Kinder leben.“

Der zwölfjährige Jesse ist eines von ihnen. Er besuchte ebenfalls die Vorbereitungstreffen, verteilte Infomaterialien und half tatkräftig beim Aufbau. Bereits am Vorabend des Festes wurden die Straßen für ihn und seine Kumpels zum Abenteuerspielplatz: „Da habe ich gemerkt, wie schön es wäre, wenn das hier Spielstraßen wären“, erzählt er. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Das ist zumindest das Bestreben von Ingo Garrels. Er versteht den Jamiel-Kiez als „Mobilmachung“ für weitere Ziele: „Heute ist ein Tag, an dem man sich anschauen kann, wie das ist, wenn die Straßen verkehrsberuhigt oder sogar für den Autoverkehr gesperrt sind“, sagt der 49-Jährige.

Für ihn und viele andere ist damit eine Steigerung der Lebensqualität verbunden. Deshalb soll mit dem Jamiel-Kiez noch lange nicht Schluss sein. Die Gruppen, die sich mit den Themen Begrünung, Verkehr und Geschichte befassen, wollen sich weiter treffen und Ideen, die auf dem Straßenfest ausgetauscht wurden, diskutieren und voranbringen. Der Jamiel-Kiez soll auf jeden Fall zu einer festen Einrichtung werden –
vielleicht sogar bald in einer dauerhaft verkehrsberuhigten Zone.

Sebastian Hoff