fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 3/2018

Start-up-Unternehmer

#11 Jonas Kremer

Er hat die Firma Citkar gegründet, die den Loadster baut: ein E-Lastenrad mit Karosserie.

Ein verschmitzter junger Typ mit rheinischem Einschlag steht in der Redaktion. Zehn Minuten vor dem Interviewtermin. Beim Reden schließt Jonas Kremer manchmal die Lider oder rollt die Augen nach oben. Wen habe ich da vor mir? Einen Fachangestellten für Bürokommunikation aus Bad Honnef oder einen 24-jährigen Start-up-Unternehmer aus Berlin? Die Antwort ist: beide.

Kremer hat den Loadster erfunden: ein vierrädriges Transportrad mit elektrischer Tretunterstützung und Karosserie. „Wir bauen das erste Fahrrad, das das Auto komplett ersetzen kann“, sagt er. Der Clou: Der Loadster gilt im Sinne der StVO als Fahrrad. Die Fahrer brauchen weder einen Führerschein noch eine Versicherung. Trotzdem kann man in einer abnehmbaren Transportbox am Heck bis zu 300 Kilogramm laden und bleibt bei Regen trocken. Für seine Erfindung und den Businessplan seines Start-ups hat Kremer mehrere Preise gewonnen.

Am Anfang stand ein banales Pro­blem: Während seiner Azubi-Zeit jobbte Kremer nebenher im Supermarkt. Aber wie die Einkäufe trocken nach Hause bringen, wenn es regnet und man sich als armer Auszubildender kein Auto leisten kann? Andere würden sich einen Rucksack und ein Regencape beschaffen. Aber als Kremer einen Knirps auf einem Kettcar sah, dachte er: „Wenn ich da hinten eine Box draufbaue ...“ Und die Idee für den Loadster war geboren.

„Wenn man Probleme hat, muss man sie lösen“, sagt Kremer. So bodenständig, wie das klingt, so ist er auch. Ein Familienmensch. Inzwischen hat er sein Unternehmen „Citkar“ auf dem Start-up-Campus „Motion Lab“ in Berlin angesiedelt. Der Schritt war notwendig, weil er in Berlin ein besseres Arbeits- und Förder­umfeld vorfand. Aber wenn er vom Umzug nach Berlin erzählt, merkt man, dass ihm der Schritt nicht leichtfiel. Er steckte so viel Zeit in seine Firma, dass er Freunde und Freundinnen verloren hat. Seine Eltern – ein Elektroingenieur und eine Lerntherapeutin – und seine schwerstbehinderte Schwester sieht er nur noch selten. Weil er so viel investiert hat, kann er sich auch nicht vorstellen, sein Unternehmen zu verkaufen: „Es gab Kaufangebote. Aber da ist so viel Zeit reingeflossen, so viel Herzschmerz, so viele Sachen, auf die ich verzichten musste. Entweder scheitere ich damit oder ich scheitere nicht damit, was anderes gibt es nicht. Ich ziehe das durch.“

Im Moment sieht es nicht danach aus, dass „Citkar“ scheitert. Es gibt reichlich Interessenten für den Loadster. Kremer sieht den Food-Delivery-Markt als Hauptanwendungsbereich für sein Produkt: „Auf diesen Markt spezialisieren wir uns zunehmend.“ Nach einer Testphase soll die Produktion noch in diesem Jahr anlaufen. Die erste Serie soll in einer Behindertenwerkstatt in Neukölln gefertig werden. Für Kremer ist das nur folgerichtig: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass behinderte Menschen sehr offen sind für neue Ideen.“

Tim Albrecht