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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 3/2018

Hotelier

#17 Ben Förtsch

Er ist Geschäftsführer des Creativhotel Luise in Erlangen, dem ersten Hotel in Europa mit einer positiven Klimabilanz.

Weshalb kraxelt ein Hotelier auf eine Windkraftanlage? Ben Förtsch ist kein Aktivist, der Kraftwerke besetzt, sondern Geschäftsführer des ersten klimapositiven Hotels Europas. Solaranlage, Windkraftstrom, Regenwassernutzung und Bioessen senken den Energieverbrauch, und mit einem sozialen Waldprojekt in Panama kompensiert das Creativhotel Luise mehr CO2, als Gäste und Betrieb verursachen. Während Politik und Wirtschaft noch streiten, hat das Stadt- und Businesshotel in Erlangen die Energiewende bereits geschafft.

Ben Förtsch führt das Haus in dritter Generation. 2014 haben es seine Eltern übergeben, beide Ökopioniere der Reisebranche. Sie haben ihren Gästen bereits die Anreise mit Bus und Bahn empfohlen und Biobier ausgeschenkt, als Öko noch ein Synonym für Spinner war. Seitdem ist die Szene gewachsen und bunter geworden. Ben Förtsch kann heute auch Menschen für die Nachhaltigkeit gewinnen, die keine typischen Ökos sind. Der 29-jährige Unternehmer empfindet einen nachhaltigen Lebensstil als eine Sache des Anstands. Er beschreibt es als Spiel, in dem er immer neue Level erreichen will. Im Hotel gilt dennoch: Nachhaltigkeit ist die Basis, Priorität haben Wohlbefinden und Zufriedenheit der Gäste. Deshalb bietet das Creativhotel seinen Gästen auch ein Spa. Ben Förtsch will andere nicht belehren. Höchstens anstupsen. Wer will, kann sich mit ihm stundenlang über Ökokonzepte, Wassersparen, Energiewende und faire Klamotten unterhalten. Wen das nicht interessiert, der genießt einen Longdrink im Garten – womöglich einen Gin, der bei Toniczugabe die Farbe wechselt. Dieser Wow-Effekt führt oft zu Nachfragen. Es ist natürlich Bio-Gin – und schon hat Förtsch einen Gast wieder ein bisschen Richtung Nachhaltigkeit geschubst.

Sein nächster Level im Nachhaltigkeitsspiel heißt „das nachwachsende Hotel“, abgeleitet von der Bewegung „Cradle to Cradle“ und deren Vision von einer abfallfreien Wirtschaft. Sollte das Hotel mit seinen 94 Zimmern irgendwann nicht mehr sein, könnte der Bauschutt als Mulch dienen. Sechs nachwachsende Zimmer sind schon fertig. Hier sind alle Materialien wiederverwertbar oder biologisch abbaubar: Die Teppiche sind aus alten Fischernetzen geknüpft, in den Decken und Wänden findet sich gepresstes Stroh. Die Tapeten bestehen aus Recyclingpapier, mit Bienenwachs geglättet, und mit der Dusche – ursprünglich für die Mars-Mission der NASA entwickelt – kann man eine halbe Stunde brausen und verbraucht weniger Energie und Wasser als üblicherweise in fünf Minuten.

Und was treibt den Hotelier hoch aufs Windrad? Er weiß eben gern genau Bescheid: Es ist das Kraftwerk, das für sein Hotel die Energie liefert. Falls mal ein Gast fragt, woher der Strom kommt, mit dem er sein Pedelec oder E-Auto in der Garage auflädt, kann Förtsch nicht nur präzise Auskunft geben, sondern auch den sensationellen Ausblick beschreiben, den er von der Windturbine über Erlangen hatte.

Valeska Zepp