fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 2/2018

Zelten ohne Auto – so gehts

Wir müssen nur wollen

Zelten ohne Auto mit nur minimaler Ausrüstung funktioniert auch noch mit über 40.

Stand-up-Paddler im Sonnenuntergang
Camping mit Aussicht: Jeden Abend genießen wir den Sonnenuntergang am Strand.
Auf Stehpaddler-Boards kommen die Zeltnachbarn zurück vom Abendpicknick.

Letztes Jahr wollten wir noch einmal Zelturlaub machen wie früher: alles, was wir brauchen, in die Rucksäcke stopfen, in den Zug steigen und irgendwo am Meer zelten. Mit Mitte vierzig ist das nicht die gängige Art zu reisen. Und ja, auch wir haben „Rücken“ und waren nicht sicher, ob uns zwei Wochen Zelten mit Minimalausrüstung und Auf-dem Boden-leben noch Spaß macht.

Erste Herausforderung: Einen passenden Zeltplatz finden. Trotz der vielen Trends zum einfachen Leben, zur Nachhaltigkeit und zum Draußensein: Camping ohne Auto ist immer noch eine Herausforderung. Die meisten Campingplätze haben keine vernünftige Zug- oder Busanbindung und die Art zu Reisen hat (noch) keinen Markt gefunden: Weder Reiseführer noch Internetplattformen gehen aufs autofreie Campen besonders ein. Selbst Bücher wie „Cool Camping“, die für Deutschland und Europa sehr schöne Zeltplätze recherchiert haben, ist die Anreise ohne Auto und die autofreie Mobilität vor Ort kaum Thema.

So findet man autofreie Campingplätze

Dabei gibt es sie durchaus: Zeltplätze mitten in der Natur, mit Brötchenservice, einer Bar, Tischen und Bänken zum Ausleihen, Kühlschrank und Schließfächern und manchmal sogar mit Leihfahrrädern, die Autos parken außerhalb. Man muss sie nur finden. In Internetforen wird machmal übers autofreie Campen diskutiert. Hin und wieder sogar mit konkreten Tipps. Fündig wird man auch entlang Fernwander- und Radwegen. Oder durch Zufall.

Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Markus und ich einen kleinen Zeltplatz in Südfrankreich entdeckt, fußläufig vom Bahnhof entfernt, direkt am Meer gelegen. Er hatte nur sehr wenige Stellplätze für Wohnmobile, aber viel Platz für Zelte auf terrassenförmigen Flächen am Hang. An mehr konnten wir uns nicht erinnern. Wir hatten jedenfalls eine gute Zeit. Dank Google-Maps fanden wir den Platz schnell wieder. Er hatte sogar noch den selben Namen.

Packen und los

Nächste Herausforderung: Rucksäcke packen und uns aufs Wesentliche beschränken. Über unsere Ausrüstung würde die Ultra-leicht-Szene vermutlich lachen. Sie hat dennoch ein gutes Verhältnis von Packmaß, Gewicht und Bequemlichkeit. Wir wollten weder auf die Dreibeinhocker verzichten noch auf Schnorchel und Kühltasche. Am Ende waren wir bepackt mit je einem vollen Rucksack vorn und hinten.

Letzte Herausforderung: da sein. Um 9 Uhr morgens sind es noch kühle 25 Grad im Schatten. Unser Zelt steht unter Pinienbäumen auf einer der höchsten Terrassen des Platzes mit Blick aufs Meer. Die Isomatten liegen vor dem Zelt, der Kaffee duftet. Markus steigt die 23 Stufen zum Zelt hinauf und bringt Baguette und Croissants. Eine kleinen Bäckerei beliefert den Campingplatz jeden Morgen frisch. Die Ameisen stehen schon Spalier, bereit zum Abtransport der Frühstückskrümel. Sobald sie alles eingesammelt haben, verziehen sie sich wieder. Das dauert etwa fünf Minuten.

Nach einer Woche Zelten haben wir uns mit allem arrangiert: mit der Hitze, den nächtlichen Froschkonzerten, der Tatsache, dass wir immer aus denselben Tassen trinken – morgens Kaffee abends Wein.

Wir bewegen uns so viel wie sonst nie im Alltag. Zum Einkaufen laufen wir eine halbe Stunde über den Berg ins Städtchen, in die nächste Bucht geht es am schnellsten mit aufblasbaren Stehpaddler-Boards, zum Kochen tragen wir unsere Sachen treppab auf den Gemeinschaftsplatz mit Tischen, Bänken und Grill. Abends steigen wir noch mal mit Schnorchel und Badesachen die 23 Stufen treppab zum Strand, um im letzten Licht Ausschau nach dem Kraken zu halten, der in unserer Bucht wohnt. Rückenschmerzen –  was war das noch mal?

Valeska Zepp

fairkehr 2/2018