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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 2/2018

Kostenlose Übernachtung

Bunker, Zelt oder Blockhütte?

Auf Hunderten kleinen Zelt- und Lagerplätzen, teils mit Schutzhütten, können Dänemark-Urlauber kostenfrei übernachten. Das Angebot richtet sich vor allem an Radreisende und Wanderer.

66 große und 40 kleine Bunker haben die Nazis in den 1940er Jahren auf den Strand in die Dünen von Thyborøn gebaut.

Mit dem Fahrrad auf dem Nordseeküstenradweg in Dänemark unterwegs, kommen wir, ein Paar in den Dreißigern, im Hafenort Thyborøn an. Einen Plan, wo wir die Nacht verbringen wollen, haben wir nicht und damit auch kein Problem. Denn in dem skandinavischen Land gibt es ein Netz aus 1 700 Naturlagerplätzen. 

Der Blick in den Camping-Führer „Overnatning i det fri“ (Übernachten im Freien) verrät uns: In Thyborøn gibt es zwei öffentliche Schlafplätze. Beides Bunker, die die Nazis in den 1940er Jahren auf den Strand gebaut haben. Teil des Atlantikschutzwalls. Nicht ganz das, was wir uns für einen Pärchenurlaub vorgestellt haben. Aber wer kostenlos und ohne Vorbuchung nächtigen will, kann nicht immer wählerisch sein. Heute Nacht schlafen wir im Bunker.

Jetzt heißt es Smartphone zücken, GPS-Koordinaten bei Google Maps eingeben und der Online-Karte folgen. Ohne Handy ist der Bunker, den wir uns ausgeguckt haben, kaum zu finden. Er ist gut getarnt in eine Düne hineingebaut.

Im offenen Eingangsbereich des finsteren Beton-Kastens steht eine lange Holzbank, auf der wir die Nacht in unseren Schafsäcken pennen. Die Bank ist zwar unbequem, weil hart, aber dennoch erste Wahl. Denn tiefer im Bunker ist es finster und ein bisschen feucht.

Mit dem guten Gefühl, etwas Neues, Abenteuerliches erlebt zu haben, wachen wir am nächsten Morgen halbwegs erholt auf. Keine 150 Meter vom Bunker entfernt, hinter einem Deich liegt ein Rastplatz. Im sauberen öffentlichen Toilettenhäuschen machen wir uns frisch und füllen die Wasserflaschen auf, bevor wir die Reise fortsetzen.

Per Fähre überqueren wir den Limfjord. Drüben angekommen radeln wir 17 Kilometer vom Anleger bis zu unserem Etappenziel, dem Leuchtturm Lodbjerg Fyr im Nationalpark Thy.

Zelten unterm Leuchtturm

Der Nationalpark Thy erstreckt sich über 55 Kilometer entlang der Westküste Nordjütlands. Hier treffen Nadelwälder, Dünenlandschaft, Küstenheiden und die raue, graublaue See aufeinander. Den Wald haben die Dänen aufgeforstet, um Sandverwehungen zu vermeiden. Der Nordseeküstenradweg führt uns mitten durch den Park.

Die Wellen rollen auf den Strand von Thyborøn zu, der von den Bunkern des Atlantikschutzwalls bewacht wird.

Unser Lagerplatz ist keine 100 Meter vom Lodbjerg Fyr entfernt. Reisende ohne Zelt können hier in einer nach vorn offenen Schutzhütte aus dunkel lasierten Baumstämmen übernachten. Der ebene Platz ist groß genug für etwa zehn Zelte und bestens ausgestattet: Es gibt Sitzbänke mit Tischen, eine Feuerstelle, vorgehacktes Brennholz, gusseiserne Bratpfannen, Mülltonnen und ein Plumpsklo. Gäste können auch die Toilette und den Wasseranschluss des Leuchtturms nutzen. Und das alles nur einen Kilometer vom Meer enfernt. Da sich in der Schutzhütte bereits ein junges französisches Paar mit Hund einquartiert hat, schlafen wir in unserem im Zelt.

Wanderbare Distanzen

Die Distanzen zwischen den Lagerplätzen sind relativ gering. Mit etwas Vorausplanung können auch Wanderer die Entfernungen überbrücken. Gerade in kleinen Waldstücken liegen oft mehrere Plätze dicht beieinander. Doch auch in und um Städte wie Kopenhagen, Arhus oder Alborg gibt es viele Zeltplätze.

Am Lodbjerg Fyr bleiben wir zwei Nächte. Am zweiten Tag wird aus Ruhe Hektik: Eine Gruppe aus etwa 30 Schülerinnen und Schülern einer Sportschule, zwischen 12 und 16 Jahre alt, ist zum Trainingscamp eingetroffen. Die Jugendlichen bauen Zelte auf, bereiten das Abendessen vor und scherzen dabei ausgelassen. Große Lagerplätze wie der am Leuchtturm werden besonders im Spätsommer für Schulausflüge genutzt, erzählt uns einer der Lehrer.

Als wir am nächsten Mittag auf dem Nordseeküstenradweg Richtung Norden aufbrechen, joggen die Jugendlichen bereits durch die Dünen. Gut 75 Kilometer radeln wir auf Feldwegen und kleinen, kaum befahrenen Straßen, die einzelne Gehöfte mit Weilern und Dörfern verbinden, unserer nächsten kostenlosen Unterkunft entgegen. Als wir abends ankommen, stellt sich uns die Frage: Zelt oder Bunker? Wenn wir die Wahl haben,  schlafen wir lieber im Zelt.

Benjamin Kühne

Die Plätze

Auf den meisten Naturlagerplätzen dürfen Gäste zwei Nächte kostenlos und ohne Voranmeldung schlafen. Die wenigen privaten Plätze kosten maximal 30 Dänische Kronen pro Nacht, etwa 3,30 Euro. Ein Anruf genügt meist zur Anmeldung.

Eine große Hilfe, um die Plätze zu finden, ist der Camping-Führer „Overnatning i det fri“. Das Buch ist nur auf Dänisch erhältlich. Die wichtigsten Verhaltensregeln, die auf den Plätzen gelten, sowie die Piktogramme, die die Ausstattung der Plätze  beschreiben, sind jedoch auch auf Deutsch erklärt.

„Overnatning i det fri“ kann in der Geobuchhandlung Kiel oder über www.55nord.dk (Dänisch) bestellt werden.

fairkehr 2/2018